Analyse! Die Zuschauerentwicklung der 3. Liga im Check
Mit 4.571 Besuchern pro Spiel verzeichnet die vierte Saison der eingleisigen dritten Liga den bisher wenigsten Zuschauerzuspruch. Doch weshalb ist das so? Welche Gründe kann man anführen? liga3-online.de versucht dieser Frage auf den Grund zu gehen – willkommen zur Analyse der Zuschauerzahlen der Spielzeit 2011/12: Um den Absturz des Zuschauerschnittes zu verstehen, muss man sich mit der Lage der Liga und der Vereine auseinandersetzen. Wir beginnen mit der spezifischen Situation der Absteiger:
Arminia Bielefeld war der Zuschauermagnet der abgelaufenen Saison – insgesamt pilgerten 169.758 Fans auf die Bielefelder Alm, das ergibt einen Schnitt von 8.934. Das ist die geringste Zahl eines „Siegers“ in dieser Statistik: Eintracht Braunschweig (2010/11 – 17.425), Dynamo Dresden (2009/10 – 14.439) und Fortuna Düsseldorf (2008/09 – 14.875) konnten mindestens rund 5500 Zuschauer mehr pro Spiel begrüßen. Das Potential für solche Zahlen besitzt Arminia Bielefeld ohne Zweifel, doch muss man die jüngere Vergangenheit des Clubs berücksichtigen: Zwei Abstiege in drei Jahren, große Fluktuation sowohl bezüglich der Mannschaft als auch des Trainerpostens, die Fast-Insolvenz, ständige Unruhe im Verein – die Liste ließe sich noch länger weiterführen. Man kann nachvollziehen, dass viele Anhänger der Ostwestfalen seit längerer Zeit desillusioniert sind und es vorziehen, zuhause zu bleiben. Die zum Teil katastrophalen Leistungen in der Hinrunde und die damit verbundene frühzeitige Erkenntnis, keinerlei Chance auf den sofortigen Wiederaufstieg zu besitzen, haben jede Möglichkeit einer aufkommenden Euphorie zerstört. Die wahren Möglichkeiten der Arminia haben die beiden Derby-Heimspiele gegen Preußen Münster und den VfL Osnabrück aufgezeigt – 21.203 Besucher gegen Münster und 15.844 gegen Osnabrück sind Versprechen für die Zukunft. Vielleicht erlebt Bielefeld ja schon in der nächsten Spielzeit seine Renaissance.
Osnabrück: Großes Potential wird nur selten abgerufen
Mit 8.687 Fans pro Spiel (165.070 insgesamt) folgt der VfL Osnabrück auf Platz 2 der Statistik. Für den VfL gilt ähnliches wie für die Bielefelder Arminia – großes Potential, aber durch den Abstieg gepaart mit dem schwachen bzw. unter den Erwartungen gebliebenen Saisonverlauf ist die Euphorie unter den Anhängern ausgeblieben, zeitweise war das Verhältnis zwischen Fans und Mannschaft gar extrem gestört. Highlights waren ebenfalls die Derbys gegen Bielefeld (16.300) und Münster (15.200). Interessant: Auch in der Abstiegssaison aus der zweiten Liga 2010/11 lagen Arminia Bielefeld und der VfL Osnabrück in der Statistik nur rund 300 Zuschauer auseinander (13.579 vs 13.323).
Rot-Weiß Oberhausen hat im Vergleich zur Abstiegssaison aus der zweiten Liga wenige Besucher verloren, aufgrund der ebenfalls enttäuschenden bis schockierenden Saison kam RWO nur auf 3.443 Fans pro Spiel (65.431 gesamt – in der zweiten Liga 5.946 pro Partie) – der höchste Besuch konnte mit 6.135 Zuschauern bei der Partie gegen Arminia Bielefeld verzeichnet werden.
Die Aufsteiger – Darmstadt feiert Rekordsaison
Die drei Neulinge der Liga konnten allesamt auf ihre Fans bauen und platzierten sich in der Zuschauerstatistik geschlossen in der vorderen Hälfte:
Preußen Münster belegt gar den dritten Rang (133.567 – 7.030 pro Spiel). Gründe hierfür sind mit Sicherheit die grundsätzliche Aufstiegseuphorie, der gelungene Saisonstart sowie die Derbys gegen Bielefeld und Osnabrück. Hierfür hätten jeweils noch mehr Tickets verkauft werden können, doch ist das Preußenstadion auf 15.050 Besucher begrenzt worden.
Ähnliches gilt für den SV Darmstadt 98 – er findet sich auf Platz 6 der Statistik wieder (115.900 – 6100 pro Spiel). Das bedeutet für die Südhessen den höchsten Zuschauerschnitt seit 30 (!) Jahren, also seit der letzten Bundesligasaison 1981/82. Höhepunkt der Saison war das Derby gegen den alten Rivalen aus Offenbach, welches mit 15.000 Fans ausverkauft war (mehr waren ebenfalls aus Sicherheitsbedenken nicht zugelassen). Überhaupt, das Stadion am Böllenfalltor. So kultig es mittlerweile auch sein mag – bei schlechtem Wetter kostet es die „Lilien“ Zuschauer: Die drei besucherschwächsten Partien (gegen Aalen, Sandhausen und Wehen Wiesbaden – jeweils 4.000 Zuschauer) fanden allesamt im Winter statt.
Der dritte Aufsteiger, der Chemnitzer FC (98.356 – 5.176 pro Spiel) kann auf einen beachtlichen Besucherzuwachs in der Rückrunde zurückblicken. Passend zum Aufschwung der Himmelblauen kamen auch mehr Zuschauer: In der Hinrunde kamen im Schnitt 4449, in der Rückrunde 5585 Fans ins Stadion an der Gellertstraße. Es wird spannend zu sehen sein, ob der CFC die etwa 1000 Zuschauer mehr mit in die nächste Spielzeit nehmen kann. Die Liganeulinge haben also einen soliden, bis guten Part in ihrer Premierensaison gespielt – an ihnen lag der vergleichsweise geringe Schnitt nicht.
Die Enttäuschten – Jena verliert Fans
Hier sind die Offenbacher Kickers, der FC Carl Zeiss Jena und der SV Wehen Wiesbaden zu nennen. Der OFC blieb das erste Mal in seiner Drittligahistorie unter einem Schnitt von 7.000 (6.762 – 128.495 gesamt). Als Grund kann man den, gemessen am ausgegebenen Saisonziel – um den Aufstieg mitspielen – enttäuschenden Verlauf der Spielzeit anführen. Als die Elf von Arie van Lent am Relegationsplatz schnupperte, kamen auch wieder die Anhänger: Das letztendlich verlorene, entscheidende Spiel gegen den 1.FC Saarbrücken sahen 9.557 Zuschauer.
In der nächsten Spielzeit können die OFC-Fans jedoch auf ein komplett neues und vor allem fertiges Stadion bauen, was sicherlich einige Besucher zusätzlich anlocken wird. Ebenfalls in diese Kategorie der „Enttäuschten“ einzuordnen, ist der FC Carl Zeiss Jena: In den letzten beiden Spielzeiten verloren die Thüringer im Schnitt mehr als 2000 Fans. Kamen in der Saison 2009/10 noch 7.343 Fans pro Spiel, waren es 2010/11 schon nur noch 5.630. In der abgelaufenen Spielzeit, die mit dem Abstieg in Liga 4 endete, betrug der Zuschauerschnitt im Ernst-Abbe-Sportfeld 5.134 (97.548 gesamt). Die meisten Besucher kamen zum Thüringenderby gegen Rot-Weiß Erfurt (9.315).
Der SV Wehen-Wiesbaden musste ebenfalls einen Rückgang seines Zuschauerzuspruchs verzeichnen:
Etwa 600 Fans kamen im Schnitt weniger zu den Spielen des SVWW: In der Saison 10/11 kamen 4.166 Fans pro Spiel, in der abgelaufenen Spielzeit 3.503 (66.566 gesamt). Querelen, Trainerwechsel und unbefriedigende Leistungen auf dem Platz können als mögliche Gründe angeführt werden. Mit 7.506 Zuschauern war das Duell gegen die Kickers aus Offenbach das meistbesuchteste.
Die Soliden – Erfurt bleibt sich treu
Der 1.FC Saarbrücken kann sich an einer soliden Fanbasis erfreuen, die jedoch sicherlich noch mehr Potential nach oben birgt. Pro Spiel machten sich 4.873 Fans (92.591 gesamt) auf in den Ludwigspark, das sind etwa 100 weniger als in der Vorsaison (4.986). Große Ausreißer gab es nicht, das bestbesuchteste Spiel war das Aufeinandertreffen mit dem SV Wehen Wiesbaden (7.403 Zuschauer).
Seinen Schnitt halten bzw sogar ein wenig verbessern konnte auch Wacker Burghausen – 2.837 Fans (53.910 gesamt, 2800 in der Saison 10/11) pilgerten in die Wacker Arena. Zum Bayernderby gegen Jahn Regensburg kamen 3.600 Zuschauer – die meisten der Saison.
Rot-Weiß Erfurt konnte zwar etwa 500 Fans weniger im Steigerwaldstadion begrüßen als in der Vorsaison, aber in gewisser Weise blieben sich die Thüringer treu: Seit vier Jahren alterniert der Zuschauerschnitt regelmäßig um die 6000er-Marke: 08/09 – 6.487, 09/10 – 5.533, 10/11 – 6.556 und schließlich kamen in der abgelaufenen Saison 11/12 im Schnitt 5.929 Zuschauer (112.668 gesamt). Wir stellen somit mit einem Augenzwinkern fest – RWE wird in der kommenden Spielzeit zwangsläufig wieder über 6000 Fans pro Spiel verzeichnen. Auf das Derby gegen Carl Zeiss Jena, was mit 13.841 Fans die bestbesuchteste Partie der Saison war, wird man in Erfurt aber leider verzichten müssen.
Die Aufstrebenden – Aufstieg spühlt Fans in die Stadien
Der 1.FC Heidenheim konnte seit dem Aufstieg in die dritte Liga beständig mehr Zuschauer ins Stadion locken: Im ersten Jahr (Saison 09/10) konnte der FCH durchschnittlich 5.200 Fans begrüßen, eine Saison später waren es schon 5.997. In der abgelaufenen Spielzeit stieg der Zuschauerszuspruch noch einmal an – insgesamt 128.100 Fans besuchten die Spiele, das ergibt einen Durchschnitt von 6.742. Einmal war die Voith-Arena mit 10.000 Zuschauern ausverkauft – nämlich beim Derby gegen den VfR Aalen, welches man mit 3:1 gewinnen konnte. Lohnenswert war ein Besuch im Stadion allemal – der FCH belegt Rang 1 in der Heimtabelle: Die Fans konnten allein 12 Siege ihres Teams bejubeln, demgegenüber stehen fünf Unentschieden und nur zwei Niederlagen. Die Leistung der Mannschaft konnte also allem Anschein nach die Massen mobilisieren. Bleibt abzuwarten, ob es Heidenheim auch in der kommenden Saison gelingen wird, den Zuschauerschnitt noch weiter zu verbessern.
Dies wird mit Sicherheit für die Aufsteiger in die zweite Fußballbundesliga der Fall sein. Wir beginnen mit dem VfR Aalen, der im Schnitt 4.357 Besucher (82.797 gesamt) begrüßen konnte. Die gezeigten Leistungen und die Euphorie sorgten für etwa 600 Menschen mehr pro Spiel im Stadion als in der Vorsaison (3.682). Die Partie gegen Kickers Offenbach verfolgten 10.021 Zuschauer – der Bestwert.
Der Bestwert für den Drittligameister SV Sandhausen wurde beim Spiel gegen den 1.FC Saarbrücken erreicht – 5.340 Fans sahen das 1:1. Insgesamt kam der SVS auf 49.780 Fans, das macht 2.620 pro Spiel – eine Steigerung von circa 500 im Vergleich zur Saison 10/11 (2.190).
Abschließend sei in dieser Kategorie mit dem SSV Jahn Regensburg noch der dritte Aufsteiger in Liga 2 erwähnt: Der Flop – und Topwert der Besucherzahlen des Jahn liegen weit auseinander, das Duell mit dem OFC wollten nur 1.745 Fans sehen, während die vorentscheidende Partie gegen den Chemnitzer FC 8.346 Zuschauer anlockte, darunter allerdings 2000-3000 Anhänger des CFC. Insgesamt kommt Regensburg auf 71.892 Besucher, im Durchschnitt 3.783.
Die Schlusslichter – Babelsberg und Unterhaching müssen aufholen
Der SV Babelsberg 03 und die SpVgg Unterhaching finden sich am Ende der Zuschauerstatistik wieder. Zumindest im Falle der SpVgg ist das verwunderlich, da im Stadion am Sportpark die meisten Tore fielen (45) und den Besuchern oftmals ein Spektakel geboten wurde, z.B. beim 6:0 gegen Carl Zeiss Jena oder beim 5:0 gegen Arminia Bielefeld. Unterhaching kommt insgesamt lediglich auf 30.900 Besucher, das sind 1.626 pro Spiel. Bedenklich, wenn man die Zahlen der vorangegangenen Saisons betrachtet: Die SpVgg wird allem Anschein nach immer unattraktiver, da man einen steten Rückgang der Besucherzahlen beobachten kann (2008/09 – 3.218 Besucher, 2009/10 – 2.665, 2010/11 – 2.155). 2.800 Zuschauer (gegen Wacker Burghausen) bedeuten den niedrigsten Topwert bezüglich der Zuschauerzahlen in der dritten Liga. Das hat die junge Mannschaft nicht verdient, aber vielleicht sind die guten Leistungen in Erinnerung geblieben.
Gute Leistungen sahen die Fans des SV Babelsberg 03 im heimischen Karl-Liebknecht Stadion viel zu selten von ihrem Team. Platz 19 in der Heimtabelle und nur 6 Siege (5 Unentschieden, 9 Niederlagen) stehen für die Potsdamer zu Buche. Vermutlich auch deshalb kamen insgesamt nur 46.625 Besucher, 2.453 pro Spiel. Das 0:0 gegen Carl Zeiss Jena verfolgten 6.853 Zuschauer, den Sieg zum Klassenerhalt gegen Arminia Bielefeld immerhin noch 4.038. Doch auch für die Filmstädter beginnt bald eine neue Saison, in der die Chance besteht, mit gutem Fußball mehr Zuschauer ins eigene Stadion zu locken.
Fazit – Zuschauerzahlen sinken vor allem im Winter
Es bleibt also festzuhalten, dass Besucherzahlen im Spannungsfeld zwischen Situation der Stadien, Saisonzielen, angeknüpften Erwartungen und letztendlich Enttäuschung oder Euphorie entstehen. Vor diesem Hintergrund sollten sich die Vereinsverantwortlichen ganz genau überlegen, wie sie ihre Saisonziele formulieren und die Worte mit Bedacht wählen. Für Kultstätten wie den Saarbrücker Ludwigspark, das Darmstädter Böllenfalltor, das Jahnstadion oder das Preußenstadion in Münster müsste der Winter abgeschafft werden, da den betroffenen Vereinen bei ungemütlichem Wetter doch einige Zuschauer verloren gehen. Ein Dach über dem Kopf ist für viele Besucher offensichtlich ein nicht zu unterschätzendes Argument. Darüber hinaus kann man feststellen, dass drei Vereine in die zweite Liga aufsteigen, die in der unteren Hälfte der Zuschauertabelle zu finden sind. Absteiger in die dritte Liga sind mit dem Karlsruher SC, Alemannia Aachen und Hansa Rostock jedoch drei Clubs, die großes Fanpotential bürgen. Diese drei werden der Liga gut tun und sicherlich dafür sorgen, dass der allgemeine Zuschauerschnitt wieder steigt und in den Stadien mächtig Betrieb sein wird. Doch dies hängt selbstverständlich wiederum von den Worten der Vereinsverantwortlichen im Vorfeld der Saison ab. Vielleicht sollte ihnen jemand den Link zu diesem Artikel schicken.
liga3-online.de hilft doch immer wieder gerne!
Anmerkung: Die beiden Zweitvertretungen des VfB Stuttgart und von Werder Bremen wurden aufgrund des Fehlens einer festen Fanszene bzw. der damit verbundenen niedrigen Zuschauerzahlen nicht beachtet.
FOTO: Flohre Fotografie