"Die Polizei löst einen unkontrollierten Einsatz aus"

Nach der Partie zwischen Arminia Bielefeld und dem SV Babelsberg am vergangenen Samstag (1:0) stand den mitgereisten Babelsbergern eine unerwartet schwierige Rückfahrt bevor. liga3-online.de dokumentiert an dieser Stelle die vollständige Stellungnahme des "Ostblock Babelsberg": Am Abend des 26. November trafen nach dem Punktspiel des SV Babelsberg 03 in Bielefeld etwa 35 mit dem Zug reisende Fans gegen 18 Uhr in Hannover ein. Die Fans reisten bis hierhin ohne die übliche Polizeibegleitung, es war auf der Hin- und Rückreise sowie beim Spiel zu keinerlei Problemen gekommen.

Keine Rücksicht auf verängstigte Reisende

Am Gleis kam es direkt nach dem Aussteigen zu einer unübersichtlichen Situation zwischen einigen Anhängern des SVB und den am Gleis postierten Polizisten. Der Auslöser hierfür war ein angeblicher Angriff auf einen zufällig anwesenden Hannoveraner Fan. Hierbei handelte es sich um einen Wortwechsel zwischen zwei oder drei Babelsbergern und diesem einzelnen Hannoveraner. Die beteiligten Personen riefen sich beiderseits Beleidigungen zu. Es gab keinerlei Gewaltandrohung oder –anwendung. Mehrere Babelsberger und die Fanbetreuerin versuchten, diese verbale Auseinandersetzung zu unterbinden und zu beruhigen. Dies wurde von den Beamten jedoch anscheinend als Anlass zum Einschreiten benutzt. Die Beamten gingen sofort mit Pfefferspray und Teleskopschlagstöcken gegen alle im Umfeld befindlichen Personen vor. Auf verängstigte, zufällig anwesende Reisende wurde dabei ebenso wenig Rücksicht genommen wie auf die Fanbetreuerin, welche durch ihren sichtbar getragenen Ausweis und eindeutige Aussagen als solche zu erkennen war.  Ein Fan, der von Pfefferspray getroffen gebückt direkt an der Bahnsteigkante stand, wurde von hinten ohne Vorwarnung mehrfach mit einem Teleskopschlagstock geschlagen.

Überharter Einsatz von Pfefferspray

Noch am Gleis versuchten mehrere Fans die Verletzten zu versorgen und riefen die Feuerwehr. Die Polizei, mittlerweile durch weitere Beamte verstärkt, sperrte den Weg vom Gleis in die Bahnhofshalle. Weitere Beamte jagten, die anderen Fans durch den Bahnhof, vermutlich, um den/die angeblich auslösenden Fans zu fassen zu bekommen. Im Zuge dessen wurden wiederholt Pfefferspray aus nächster Nähe und Teleskopschlagstöcke gegen die unbewaffneten Fans eingesetzt, den Fans wurden Augenspülflaschen und die Möglichkeit zum Holen von stillem Wasser versagt. Die noch am Gleis befindlichen, weitgehend verletzten Fans sowie die dort liegende verletzte Fanbetreuerin wurden nach Eintreffen der selbst gerufenen Sanitäter sofort in einen Kessel aus etwa 50 Beamten genommen. Jeder am Gleis eintreffende Fan, ob während der vorigen Ereignisse anwesend oder nicht, wurde ebenfalls in diesen Kessel gedrängt. Dies geschah zum Teil, indem die Fans mit Pfeffersprayeinsatz die Treppe hoch gejagt wurden. Dass diese Fans nicht anwesend waren, muss der Polizei auch sichtbar gewesen sein, da die Fans größtenteils die soeben gekaufte Nahrung noch verspeisten. Bei Nachfragen oder wenn sich jemand einem Beamten näherte, wurde weiterhin aus nächster Nähe Pfefferspray ohne Ankündigung direkt ins Gesicht gesprüht.

Fans wurden getreten und gefesselt

Durch die nach und nach eintreffenden mitreisenden Fans, welche sich zuvor mit Nahrung und Getränken versorgt hatten und daher von diesem Aufruhr und der Aggressivität der eingesetzten Beamten völlig überrascht waren, erfuhren die am Gleis befindlichen Fans von der Festsetzung von zu diesem Zeitpunkt vier Mitreisenden am Fuß der Treppe zum Gleis bzw. in den Toilettenanlagen des Bahnhofes.  Diesen Fans wurde, bereits am Boden liegend und gefesselt, weiterhin der Gebrauch von Pfefferspray angedroht, zudem wurden sie getreten und geschlagen, bevor sie zur nahe gelegenen Wache geführt wurden. Keiner der am Gleis befindlichen Beamten informierte die Fanbetreuerin über diese Maßnahme, vielmehr wurde der Kessel um die Verletzten und Unbeteiligten enger gezogen.  Im Anschluss wurden die Personalien aller Babelsberger Fans sowie der Fanbetreuerin aufgenommen. Jeder einzelne wurde fotografiert und rabiat abgetastet. Mit Ausdrucken von Videoaufnahmen wurde nach weiteren angeblichen Straftätern gesucht.

„Ihr habt noch lange nicht genug abbekommen“

Hier wurde ein weiterer Fan festgenommen. Ihm wird Beleidigung vorgeworfen. Der Fan war soeben am Bahnsteig eingetroffen und war mit dem Essen eines Burgers beschäftigt. Unklar bleibt, wie eine Beleidigung seitens eines nicht anwesenden Fans mittels einer Videoaufnahme bewiesen werden kann. Ein weiterer Fan wurde als Zeuge abgeführt, sein Handy wurde beschlagnahmt. Er hatte zuvor den brutalen und unangemessenen Polizeieinsatz mit diesem Handy gefilmt. Bei der Bitte um Auskunft über die Dienstnummern der eingesetzten Beamten reagierten diese entweder gar nicht oder mit der Androhung weiterer Gewalt oder mit Häme. Aussagen der Beamten waren beispielsweise: „Ihr habt noch lange nicht genug abbekommen“ oder „Na, die Verletzten werden schon irgendwas gemacht haben, damit sie es verdienen“. Toilettengänge wurden den Fans zunächst verweigert.

Der komplette Körper wurde abgetastet

Schließlich wurden die Fans mit Gewalt in einen Zug nach Braunschweig gezwungen, ohne Auskunft über die Festgesetzten, über Dienstnummern oder auch nur die Möglichkeit überhaupt noch nach Hause zu kommen gegeben wurde. Die männlichen festgenommenen Fans mussten sich komplett entkleiden, der weibliche festgenommene Fan musste sich weitgehend ausziehen. Jedes Kleidungsstück sowie der Körper wurden abgetastet. Einem dieser Fans fehlt seit der Festnahme seine Tasche. Der als Zeuge abgeführte Fan erhielt erst auf Nachfrage und nach langer Wartezeit ein Beschlagnahmungsprotokoll für sein Handy. Die Festgenommenen durften die Wache gegen 21 Uhr verlassen, sie wurden von etwa 20 Beamten zum Bahnhof eskortiert und wiederum in einen Zug nach Braunschweig gesetzt. Den Beamten war klar, dass die Fans Potsdam in dieser Nacht nicht mehr mit den Zug erreichen konnten, auf Nachfrage wurde dies auch geäußert. Die Polizei kontrollierte zudem die Wochenendtickets der Fans und drohte mit einer Anzeige wegen Urkundenfälschung, weil der Name auf einem Ticket nicht mit dem auf dem Ausweis übereinstimmte. Die Fans kauften sich dann ein neues Wochenendticket. Daraufhin händigten die Beamten den Fans das angeblich gefälschte Ticket wieder aus.

Einsatz von Waffen wurden direkt durchgeführt

Zu den Behauptungen der Hannoveraner Polizei stellen wir fest: es wurde kein Fan eines anderen Vereins angegriffen oder geschlagen. Es gab keine Dosen- oder gar Flaschenwürfe gegen Beamte. Eine verletzte Polizeischülerin oder andere verletzte Beamte sind keinem der anwesenden Fans aufgefallen. Die Ursache einer eventuellen Verletzung sehen wir somit nicht bei uns. Zudem versuchten mehrere Babelsberger Fans sowie die Fanbetreuerin, die von der Polizei als Auslöser gesehene Situation zu beruhigen. Der Einsatz von Waffen seitens der Beamten wurde nicht angedroht, sondern direkt durchgeführt.  Unser Dank gilt den Vereinsvertretern, die uns an diesem Abend schnell und unkompliziert halfen, indem sie dem Fanbetreuer einen Bus zum Abholen der Festgenommenen zur Verfügung stellten. Auch das Telefonat mit einem Anwalt, welcher uns vermittelt wurde, war eine große Hilfe.

Ostblock Babelsberg

   

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