Andreas Güntner im Interview: "Saß in Alabama, als der Anruf kam"
Vor der Saison kannte kaum einer Andreas Güntner. Mittlerweile ist der 25-Jährige Stammspieler im defensiven Mittelfeld des SSV Jahn Regensburg, vor zwei Wochen wurde sein Vertrag verlängert. Güntner durchlief die gesamte Jugend des Vereins, hat aber dennoch einen etwas anderen Werdegang: Er spielte drei Jahre bei den Memphis Tigers in den USA. Im Interview mit liga3-online.de spricht Andreas "Günti" Güntner über den Jahn und seine Zeit in Tennessee.
liga3-online.de: Hallo Herr Güntner! Danke, dass Sie sich ein bisschen Zeit genommen haben. Zwei Spiele sind noch zu spielen, dann ist die Saison zu Ende. Mit 47 Punkten steht die Jahnelf auf dem 10. Platz – weder nach oben, noch nach unten geht noch viel. Wir können also schon ein kleines Fazit ziehen: Wie bewerten Sie die Saison?
Andreas Güntner: Das war keine schlechte Saison. Wenn man darüber nachdenkt, wie wir aus der 2. Bundesliga raus gekommen sind: Es ist ziemlich viel kaputt gegangen, auch in der Mannschaft. Bei den meisten Spielern war nichts mehr da, keine Spielfreude, gar nichts. In dieser Saison haben wir es geschafft, diese Spielfreude zurückzugewinnen und auch guten Fußball zu spielen. Es ist also ganz gut gelaufen, denke ich.
Wäre mit etwas Konstanz vielleicht sogar mehr drin gewesen?
Klar, wir hätten mehr Punkte haben können, aber wir sind eine junge Mannschaft. Um da eine hundertprozentige Konstanz zu erreichen, muss schon wirklich alles passen. Wir hatten auch viele Spiele, wo wir den Gegner 4:0 hätten wegschießen können, aber einfach kein Tor erzielt haben. Wir haben öfter in der Saison einfach unsere Chancen nicht genutzt. Aber im Großen und Ganzen war das schon ein gutes Jahr.
Was ist das Ziel für die restlichen beiden Spiele? Ein einstelliger Tabellenplatz? 50 Punkte? Oder einfach nur gut spielen?
Wir wollen alle beide gewinnen! Das ist immer unser Anspruch. Natürlich geht es nur um die Goldene Ananas, aber als Spieler willst Du immer jedes Spiel gewinnen.
Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer persönlichen Leistung? Das war ihr erstes Profijahr – 26 Saisonspiele und Stammspieler auf der Doppel-6, das kann sich sehen lassen, oder?
Ich kann mich nicht beschweren, im Gegenteil: Es ist richtig gut gelaufen! Ich hab damit nicht gerechnet… Ich muss ehrlich sagen, ich habe mir nie träumen lassen, die erforderliche Anzahl von Spielen zu erreichen (Bei 20 Einsätzen verlängerte sich sein Vertrag automatisch; Anm. d. Red.). Ich hab mir gedacht, ich komme in den Profikader, nehme das eine oder andere Spiel mit und komme so am Ende auf vielleicht vier Spiele. Dass das dann so überragend läuft, hab ich nicht kommen sehen. Ich freue mich, dass es noch ein Jahr weitergeht!
Stichwort Vertragsverlängerungen – das ist beim Jahn derzeit ein heikles Thema. Der Trainer wird aus nur intern behandelten Gründen nicht verlängert, Stammspieler werden nicht gehalten bzw. können nicht gehalten werden. Beschäftigt das einen, wenn man nicht weiß, wer in der kommenden Saison da ist?
Natürlich gibt es einige Spieler, bei denen ich mir eine Verlängerung wünschen würde. Aber das ist einfach Fußball, das bringt der Beruf mit sich. Es ist ein sehr schnelllebiges Geschäft, das sieht man auch beim Thomas (Stratos; d. Red.). Du machst einen guten Job, Du denkst, es geht weiter – und dann bist Du plötzlich weg. Über die Gründe… Sportchef Christian Keller wird nichts Unüberlegtes machen. Das ist sein Recht, er muss sich auch nicht rechtfertigen. Er hat die sportliche Leitung inne, seine Entscheidung haben wir zu akzeptieren. Wenn man das nicht kann, ist man beim Fußball falsch.
Sie sind beim Jahn richtig, sind in Regensburg geboren und haben schon vor elf Jahren in der Jugend des Vereins gespielt. Trotzdem haben Sie einen außergewöhnlichen Werdegang – nach dem ersten Drittligaspiel mit Regensburg sind sie für drei Jahre in die USA gegangen. Wie kam es dazu?
In der Saison 2008/09 war ich schon im Kader der ersten Mannschaft, aber es lief einfach nicht gut. Ich habe ein Spiel gemacht, das war auch nicht überragend. Ich habe da nicht wirklich Fuß fassen können. Ein guter Freund von mir ist gleich nach dem Abitur in die USA gegangen zum Tennis spielen und er meinte zu mir: "Ich glaube, das wäre was für Dich – probiere es doch aus!" Dann habe ich mich einfach mal bei Unis beworben, ohne große Hoffnung. Und plötzlich sind dann die Angebote rein geflattert. So konnte ich ein Studium absolvieren und nebenher Fußball spielen – was mir dann wiederum das Studium finanziert hat. Perfekt!
Sie haben neben Ihrem Studium in „International Business“ mit den Memphis Tigers Fußball gespielt… Erklären Sie doch mal das System dort!
Man ist da in einer kleinen Liga, die nicht nach Region eingeteilt ist, sondern wo sich die Unis einkaufen. Da spielt man gegen die Mannschaften und die ersten vier oder sechs spielen dann den Meister aus, der bei der amerikanischen Meisterschaft gegen die anderen Liga-Meister spielen darf. Es gibt noch eine zweite Möglichkeit sich für das National Tournament zu qualifizieren, aber das ganze System ist sehr kompliziert und macht auch nicht viel Sinn. Es ist vom American Football einfach abgekupfert und die NCAA (National Collegiate Athletic Association; d. Red.) macht da auch wenig, um das zu ändern, weil Fußball dort einfach kein Geld einbringt. Ein lustiges Beispiel: Wir haben in meinem dritten Jahr mal eine Befragung von der NCAA bekommen, was wir davon halten würden, die Anzahl der Spiele um 20% zu reduzieren. Normal spielst Du im Herbst ca. vier Monate etwa 20 Spiele, im Frühling eiert man normal nur rum, trainiert vielleicht ein bisschen. Da gibt es auch komplexe Regularien, wie oft Du trainieren darfst, wie oft Dein Coach dabei sein darf – das geht nämlich auch nicht immer. Also sehr unsinnig das Ganze. Und dann wollten die diese Spielzeit noch mal kürzen…
Wie ist das Niveau dort?
Das dürfte so zwischen Regionalliga und 3. Liga liegen. Die guten Teams, die Top Ten, haben eine ganz enge Leistungsdichte.
Gab es für Sie eine Möglichkeit, nach dem Studium weiter in den USA Fußball zu spielen? In der MLS (Major League Soccer)?
Die Idee hatte ich schon. Aber das Draft-System der MLS ist sehr viel Politik, da zählen Statistiken. Da geht es nicht um "Wie spielt der?", sondern um "Wie oft schießt der aufs Tor?". Und da wäre ich im defensiven Mittelfeld gezwungen gewesen, sechs Tore in der Saison zu schießen, um auffällig für die zu sein. Aber mein Ding war das nicht, ich bin eher der Ausputzer vor der Abwehr und derjenige, der die Bälle verteilt. Außerdem gab es da pro Team nur eine begrenzte Anzahl von Plätzen für Ausländer, und diese waren meistens schnell von irgendwelchen Mexikanern besetzt (lacht) oder von ehemaligen Profis aus Europa, die es sich noch ein paar Jahre gut gehen lassen wollen. Ein bisschen trainieren, ein bisschen Party machen… Von daher war die Idee ganz schnell verworfen, außerdem kam dann das Angebot vom Jahn. Und vom Niveau her ist die MLS auch nicht mehr wie die 2. Liga hier. Klar, die Top-Clubs haben ein bisschen mehr drauf, aber der Schnitt ist nicht sonderlich stark.
Dann sind Sie nach Deutschland zurückgekehrt – und haben etwas aus Memphis mitgebracht?
Ja, Courtney. Das ist mittlerweile meine Verlobte. Sie hat mit mir studiert, spielt dort Tennis. Sie ist nächste Woche fertig, dann kommt sie her.
Wie kam es zur Rückkehr zum Jahn?
Ich war ja immer mal wieder da, hab ein bisschen bei der zweiten Mannschaft mittrainiert. Der Kontakt war immer da, mit Ilija (Dzepina, Trainer der U23; d. Red.) verstehe ich mich auch super. Der hat mich immer gepusht und wollte mich in die erste Mannschaft bringen. Schon während meiner Zeit in den USA hieß es immer: "Komm doch zurück, wir können Dich gebrauchen." Ich hab natürlich mein Studium fertig gemacht. Dort hab ich dann kurz versucht einen Verein zu finden, aber das ist mir alles zu viel Politik. Dann bin ich wieder her, hab die Rückrunde 2012/13 bei der U23 gespielt und auch ab und zu beim Franz Smuda in der ersten Mannschaft mittrainiert. Der wollte Fabi Trettenbach und mich auch schon in der 2. Liga spielen lassen, da war aber der Franz Gerber (damaliger sportlicher Leiter; d. Red.) irgendwie dagegen (lacht). Und dann wurde mir der Profivertrag angeboten.
Wie verlief das genau? Dazu soll es eine lustige Geschichte geben…
Das war wirklich lustig. Ich saß da gerade in Alabama am Strand mit meiner Freundin, da hat mich der Ilija angerufen: "Hey Günti, wann kannst Du in Deutschland sein? Die fangen am 12. mit dem Training an – schaffst Du das?" Das hab ich natürlich verneint, es war der 10., ich konnte frühestens am 15. kommen. Dann hat er aufgelegt und gemeint, er rufe gleich wieder an. Zwanzig Minuten danach: "Oke, ich hab das abgeklärt! 15. passt! Du trainierst bei uns und wenn der Sportchef sagt, das passt, dann bist Du im Profikader." Das war überragend und ich hatte dabei auch keinen Druck. Wenn es klappt dann schön – wenn nicht, dann suche ich mir hier einen Job und kicke ein bisschen nebenher. Und es hat geklappt!
Ein neuer Trainer kommt, die Mannschaft wird doch etwas umgewürfelt – was sind die Ziele für die kommende Saison? Was ist drin?
Das ist eine gute Frage. Ich weiß ja noch nicht, wer alles da bleibt, oder wer kommt. Ein gutes Gerüst haben wir schon, jetzt kommt es darauf an, wie wir die Abgänge ersetzen können. Wenn wir wieder so Glücksgriffe dabei haben, wie den Aias (Aosman. d. Red.), dann können wir schon oben mitspielen. Auch auf den neuen Trainer kommt es an: Was ist das für ein Typ, wie kommen wir mit dem klar? Aber grundsätzlich sollte unser Ziel sein guten Fußball zu spielen und Spaß dabei zu haben. Es sollte auch ein Stückchen nach oben sein. Nicht direkt der Aufstieg, wobei das natürlich überragend wäre. Wenn das klappt, dann freue ich mich (lacht). Nein, wir müssen realistisch sein und schauen, was die Mannschaft hergibt. Fest steht: Wir müssen uns steigern.
Und persönlich? Soll es beim Jahn länger als bis 2015 weitergehen oder streben Sie höheres an?
Ich lass das vollkommen offen. Natürlich hänge ich am Verein und wenn es diese Saison richtig gut läuft und wir kommen noch mal zusammen was einen Vertrag betrifft, dann kann ich mir alles vorstellen. Sollte ich ein Angebot aus der 2. Bundesliga bekommen, das würde ich natürlich auch nicht einfach ausschlagen. Aber ich muss das auch mit meiner – dann – Frau abklären, die ist ja Tennisprofi und möchte das europäische Abenteuer auch nicht zu lange laufen lassen (lacht). Auch mit der Jobsuche danach muss ich schauen, wenn ich in einem normalen Job Karriere machen möchte, sollte ich nicht mit 28 anfangen…
Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg weiterhin!
Fotos: Regensburg1889.de