Kommentar: Fehlender Charakter bringt Erfurt in Schwierigkeiten
"Auch wenn es dir mal scheiße geht, wir steh’n zu dir, weil’s weitergeht", heißt es in der Hymne des FC Rot-Weiß Erfurt. Genau diesen Satz mussten sich am Mittwochabend viele Anhänger der Thüringer wieder in Erinnerung rufen. Mit 0:5 unterlag die Mannschaft im Landespokal-Finale beim Erzfeind FC Carl Zeiss Jena. Vor rund zwölf Monaten verpasste es der Klub an Ort und Stelle ebenfalls, sich für den DFB-Pokal zu qualifizieren und unterlag einem Sechstligisten. Es sollte ein Wachrütteln sein. Das Ziel war es nun, eine Mannschaft mit Charakter aufzubauen, die sich voll und ganz mit dem Verein identifizieren kann. Doch es stellt sich die Frage, ob dies erreicht wurde.
Mission 2016 scheint illusorisch
Das äußerst schwache Jahr 2014 (18 Punkte in 17 Spielen) wurde nun gekrönt. Zwar zeigten die Spieler von Walter Kogler zumindest im ersten Durchgang den technisch besseren Fußball, waren aber erneut nicht in der Lage, kämpferisch dagegenzuhalten. Vorn vergab man gute Chancen, hinten ließ sich die Abwehr des Öfteren düpieren und stand für den gegnerischen Angreifer Spalier. Torhüter Philipp Klewin musste einem Leid tun, so oft wie er im Stich gelassen wurde. Es deutete sich bereits über weite Strecken der Drittliga-Saison an: Trifft das Team auf einen Gegner, dessen Selbstvertrauen aufgrund von Negativerlebnissen nicht im Keller ist, benötigt es Glück oder selbst einen hervorragenden Tag, um nicht als Verlierer vom Platz zu gehen. Resümiert man die Saison, scheint die selbstauferlegte "Mission 2016" mit dem Ziel Aufstieg in die 2. Bundesliga unrealistischer denn je. Die Ausgangslage für eine Lizenz-Erteilung wurde durch die Niederlage nicht verbessert. Das Geld, um Spieler zu verpflichten, die einem weiterhelfen können, ist nicht da. Leihspieler wie Drazan und Wiegel werden wohl wieder gehen müssen, mit Marius Strangl und Kapitän Nils Pfingsten-Reddig sind die ersten Abgänge perfekt. Vielleicht setzen Verein und Trainer in der kommenden Spielzeit auf die Eigengewächse (u. a. Maik Baumgarten und Patrick Göbel), auf die bei der Plakataktion "Stallgeruch" noch so stolz hingewiesen, aber in der abgelaufenen Saison nicht groß gesetzt wurde.
Trainerdiskussion wird aufkommen
Auch die Personalie Trainer muss hinterfragt werden. Die Verpflichtung von Walter Kogler sorgte für viel (positives) Aufsehen, der Start in die Spielzeit verlief sehr gut. Doch baute sein Team im weiteren Verlauf immer weiter ab und präsentierte sich phasenweise als nicht drittligareif. Zudem wurde der Eindruck erweckt, der 46-Jährige hätte seine Mannschaft vor dem Finale nicht erreicht, so lustlos trat diese spätestens nach dem 0:3 auf. Natürlich sind Fußballer auch nur Menschen, die bei einer aussichtslosen Situation den Kopf hängen lassen, doch schien nur Carsten Kammlott klar zu sein, was dieses Derby für die Vereine und vor allem die Fans bedeutet. Auch in der Dritten Liga war die Mannschaft mit einer Ausnahme nie in der Lage, einen Rückstand zu drehen und holte lediglich fünf Punkte – Charakter zeigt dies nicht! Wenn Kogler nicht mit einem Vertrag bis 2015 ausgestattet worden und Teil der Mission wäre, müsste er jetzt wahrscheinlich um seinen Job zittern. Sicherlich hat der Verein auch Angst um seine Glaubwürdigkeit, da mit einer Entlassung Koglers signalisiert wird, dass der lange Entwicklungsprozess, der immer wieder betont wird, nicht mitgemacht wird.
Und so geht es nach der äußerst enttäuschenden letzten Saison (es wurden sechs Punkte weniger geholt) erneut in eine unruhige Sommerpause. Es könnte wieder einen Umbruch im Team geben und auch um die Lizenz muss wohl bis zum Schluss gezittert werden. Aber den Treuesten des Klubs wird dies egal sein, denn auch weiterhin wird es heißen: "Auch wenn es dir mal scheiße geht, wir steh’n zu dir weil’s weitergeht!"