Kommentar: Verbot beim Halleschen FC – Ein Drama in drei Akten
Es geht nicht mit rechten Dingen zu beim HFC. Immer dann, wenn es sportlich und im Umfeld ruhig um die Mannschaft aus der Saalestadt ist, lodert ein Störfeuer auf und bricht die Ruhe entzwei. So nun auch in der Woche vor dem Saisonstart gegen Chemnitz. Nachdem die Mannschaft von Trainer Sven Köhler nach wichtigen Vertragsverlängerungen, punktuellen Transfers und einer zielstrebigen Vorbereitung gut aufgestellt werden konnte und selbst aus den Verletzungen zahlreicher Schlüsselspieler am Ende mit viel Kreativität etwas Positives gewonnen wurde, holt den HFC und vor allem seine Fans nun das skandalöse Pokalfinale der Saison 2013/14 gegen den 1. FC Magdeburg wieder ein. Am Dienstag verkündete die Vereinsführung, dass mit sofortiger Wirkung alle Symbole der einflussreichen Ultragruppierung „Saalefront“ im Stadion verboten seien. Grund sei das Nichtunterzeichnen eines Kodex‘, den der Verein mit seinem Fan-Dachverband erarbeitet hatte. Doch das Verbot ist ein Fehler, der gravierende Folgen haben könnte.
Erster Akt: Das Pokalfinale gegen den 1. FC Magdeburg
Die Geschichte rund um das Verbot, liest sich wie ein Drama in drei Akten. Dabei verhält sich vor allem der Verein unglücklicher denn je. Zur Erinnerung: Nachdem die Fans des HFC, auch die „Saalefront“, seit Jahren im ERDGAS-Sportpark jegliche Freiheiten genossen und das Abbrennen von Pyrotechnik, auch im eigenen Stadion, schweigend hingenommen wurde, folgte plötzlich der große Knall beim Pokalfinalspiel im Mai. Als hätte der HFC seit Jahren mit massiven Fanproblemen zu kämpfen, wurde von allen Seiten verbal auf die „sogenannten Fans“ eingedroschen, hohe und langjährige Funktionäre äußerten sich schlagartig empört über die pausenlos zündenden Ultras in der HFC-Fankurve. Auch die Stimmen nach einem Verbot der „Saalefront“ wurden lauter. Die Gesellschaft sortiert gerne in Schubladen und der erklärte Bösewicht hatte zudem noch einen martialischen Namen. Dass die „Saalefront“ selbst sich wenige Tage nach dem Spiel deutlich und mit Nachdruck von der „Überschreitung der Grenzen“, die man sich selbst gesetzt habe, distanzierte und erklärte, dass man in Zukunft ein solches Vergehen innerhalb der Gruppe und der HFC-Fankurve nicht mehr tolerieren würde, ging unter. HFC-Präsident Schädlich erklärte, man werde sich in der Sommerpause gründlich mit der Thematik auseinandersetzen, es sei nicht unwahrscheinlich, dass Verbote ausgesprochen werden würden. Ein Omen.
Zweiter Akt: Der Fankodex und der Austritt aus dem „HFC-Fanszene“ e.V.
Was allerdings unmittelbar geschah war…nichts. Die gesamte Sommerpause wurde das Thema intern besprochen. Zwar brandeten im Sommerloch immer mal wieder Gerüchte und Mauscheleien um die Nachbearbeitungen auf, konkret gab es aber keine Ergebnisse. Dann, gut zwei Monate nach dem Pokalfinale und knapp eine Woche vor dem Saisonstart, gab der „HFC-Fanszene“ e.V. einen eigenhändig ausgearbeiteten Fankodex heraus. Dieser beinhaltete, neben wichtigen Grundsätzen wie dem Verbot von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, auch den gänzlichen Verzicht auf Pyrotechnik. Ein Grundsatz, gegen den sich die „Saalefront“ seit Jahren optisch wie ideologisch einsetzt, das unter anderem auch als Mitglied des Vereins „Pyrotechnik legalisieren – Emotionen respektieren“. Doch nicht nur der Paragraph wurde von der Ultragruppierung kritisiert. Respektloser empfanden die Ultras die Tatsache, dass es „in der letzten Zeit schon nicht mehr möglich“ war, sich am runden Tisch mit Verein und „HFC-Fanszene“ e.V. auszutauschen. Der Kodex sei „im stillen Kämmerlein“ ausgearbeitet worden, ohne auch nur das Ziel gehabt zu haben, die Interessen aller HFC-Fans unter einen Hut zu bekommen. So entschloss sich die „Saalefront“, aus der „HFC-Fanszene“ auszutreten und mit den einzelnen Fanclubs der „HFC-Fankurve“ einen eigenen Plan zu entwerfen. Ein Vorhaben, das durch den dritten Akt erheblich erschwert werden könnte.
Dritter Akt: „Verbot der Saalefront“
Der Verein reagierte unverzüglich: Die „Saalefront“, genauer gesagt ihre Devotionalien und Symbole, wurden ab sofort aus dem Stadion und von jeglichen Spielstätten des HFC verbannt. Ein klassisches Verbot, ohne Intention, die Gesamtsituation kollektiv zu verbessern. Kein Gedanke daran, in was für eine Bredouille man den gesamten Verein mit diesem Schritt stürzt. Denn der durchaus ambitionierte HFC sieht sich nun einer tatsächlichen, hausgemachten Fanproblematik gegenüber, die sich bis zum Fokus der Spieler auswirken könnte. Bei anderen Vereinen klappt dies besser: Bei Hansa Rostock und Dynamo Dresden stehen auch die Ultras im engen Kontakt mit dem Verein, einzelne Verfehlungen werden zum Teil sogar mit der zuständigen Polizei durchgesprochen und ausgewertet. In Rostock hat die Ultraszene selbst zusammen mit dem Verein einen Ehrenkodex entwickelt. Und das wohlgemerkt nur drei Jahre, nachdem Fans des FC St. Pauli im Gästeblock noch mit Leuchtraketen bombardiert wurden. Stattdessen bewegt sich der HFC in Richtung von Vereinen wie Hannover 96 oder Eintracht Braunschweig. In Hannover herrscht sprichwörtlich Krieg zwischen Präsident Martin Kind und den Ultras, in Braunschweig ist die Fanszene nach verschiedensten Verboten zerpflückt und undurchsichtig.
Es fehlt der Dialog
Die „Saalefront“ hat es in ihrer Stellungnahme genauer erklärt: Anstatt miteinander zu reden, wird in Gutsherrenart geherrscht. Wörtlich: „Wer dem Verein schadet, wird rausgeworfen.“ Ein Grundsatz, dessen Kern gut und wichtig ist.. Die Fankultur rund um den Fußball ist und bleibt ein Spiegelbild der Gesellschaft. Sie lebt unabhängig von Sponsoren, Werbeverträgen und Lizenzen. Beide Parteien sind voneinander abhängig, weder kann die Fankultur ohne ihren jeweiligen Sport leben, noch würde man ohne die Fans solch einen Profit aus dem Sport ziehen können. Auch die „Saalefront“ hat ihren Teil dazu beigetragen, den Kindern und Jugendlichen in Halle ein familiäres Umfeld zu bieten, eine Abwechslung im Alltag und manchmal sogar eine Bratwurst, eine Cola und ein Fußballmatch in den Ferien. Das „gut“ und „böse“, was der Verein mit seinem Verbot statuieren wollte, ist nicht real. Doch statt im Dialog Lösungen zu suchen, um, so die Devise der „HFC-Fankurve“, „gemeinsam unaufhaltsam“ zu sein, stellt man denen, die sich beispielsweise dafür einsetzen, dass die Eintrittspreise auch für schlecht verdienende HFC-Fans bezahlbar bleiben, ein Bein. Während sich HFC-Präsident Schädlich wünscht, dass es in der Mannschaft „brennen“ soll, ist rund um den Verein Kritik unerwünscht. Stattdessen säht man die Konfrontation hinterrücks und erntet zu Recht Wut, Enttäuschung und Unruhe im ganzen Verein. Auf sich sitzen lassen werden die Ultras das Verbot vermutlich nicht. Wie in sozialen Netzwerken zu lesen ist, sind die Planungen für Solidaritätsaktionen mit der „Saalefront“ in vollem Gange. Vermutlich schon am Samstag beim Heimspiel gegen Chemnitz.
FOTO: Flohre Fotografie
Ein einseitiger Beitrag, von den Ultras diktiert.