Kommentar: Vergessene Hosen stellen HFC-Präsidium bloß

Wer keine Probleme hat, macht sich welche. In der Liga läuft es für den Halleschen FC zurzeit sehr gut, die Winterneuzugänge haben sich glänzend in die Mannschaft integriert, das Lazarett ist mit der Genesung von Timo Furuholm wieder völlig leer, die Fans und die Mannschaft sind nach den enttäuschenden Ergebnissen der Hinrunde wieder eine Einheit. Eigentlich dürfte die Sonne über der Saale nicht mehr aufhören zu scheinen, allerdings arbeitete man gestern in der Chefetage des Vereins eifrig an neuem Futter für den Boulevard. Mit Erfolg, wie sich herausstellte, denn heute titeln fast alle Sportteile in Halle und Leipzig mit der Überschrift „Der Hosenskandal in Halle“.

Jugendrekrutierung von RB Leipzig in der Kritik

Was war also passiert? Der Hallesche FC hatte, wie liga3-online.de berichtete, ein Testspiel der U17-Mannschaft gegen die U16 des Nachbarn RB Leipzig vereinbart. Die Leipziger, die von einem multinationalen Getränkehersteller gegründet wurden und deren DFB-Rechtmäßigkeit demnächst erneut überprüft werden soll, stehen seit ihrer Gründung in ganz Deutschland in der Kritik. RB würde nicht nur auf Profiebene über weitaus mehr Geld zu verfügen als die Konkurrenz, sondern sich vor allem im Jugendbereich der Nachwuchsmannschaften in ganz Ostdeutschland bedienen. Experten sprachen in der Vergangenheit von überdurchschnittlichen Gehältern für Jugendspieler, die RB zahlen würde und mit denen andere Vereine in Ostdeutschland nicht mithalten könnten. Vor allem die Vereine Dynamo Dresden, Energie Cottbus, sowie die beiden Leipziger Nachbarn Lok Leipzig und FC Sachsen Leipzig/SG Leipzig-Leutzsch mussten seit 2009 über 125 Spieler aus der Jugend zu RB ziehen lassen.

Machtwort von Dr. Michael Schädlich

Dieses „Selbstbedienungsverhalten“ ärgert aber nicht nur die betroffenen Vereine. Auch die Fans des HFC positionieren sich immer wieder nachdrücklich gegen das Fußballprojekt in Sachsen und so forderte man auch in der vergangenen Woche in einem Brief den Verein auf, das Testspiel der U17-Kicker aus Protest gegen die „Jugendarbeit“ der Leipziger und aus Rücksicht auf die Interessen der Fans des HFC abzusagen. Dort brodelte der Topf schon, denn das Präsidium des Vereins um Dr. Michael Schädlich erteilte dem Anliegen der Fans in der „Mitteldeutschen Zeitung“ eine mehr als deutliche Absage. Man wolle die Kritik an RB Leipzig „nicht auf dem Rücken der Jugendspieler austragen“. Ein Statement, ja, beinahe ein Machtwort, was in Teilen der Fanszene des HFC sicherlich für großen Ärger gesorgt habe dürfte, in anderen Teilen aufgrund seiner Alternativlosigkeit womöglich auch gelobt wurde. Was dann allerdings folgte, ist gänzlich indiskutabel. Aber der Reihe nach.

Eine Dummheit, die nicht passieren sollte – aber passieren kann

Am Spieltag begab sich die Delegation der Hallenser auf den kurzen Weg nach Leipzig – augenscheinlich ohne den Mannschaftsleiter der U17, Tino Schumann, für den nun Trainer Gilbert Hernandez einspringen musste. Sprich, neben der Vorbereitung der Spieler auf das wichtige Testspiel, musste sich Hernandez nun, für ihn unüblich, um die Ausstattung der Mannschaft kümmern. Zudem soll es auf dem Weg nach Leipzig auf der Autobahn zu einem Autounfall gekommen sein. Die Nerven lagen also bei der Ankunft in Leipzig, nach Fankritik am Spiel, Ausfall des Organisators und Unfall, blank. Womöglich wäre das Spiel im Normalfall abgesagt worden, spätestens nach dem Unfall ist es fragwürdig, warum man 16-jährige Jugendliche im benachbarten Leipzig trotzdem antreten lässt, statt einfach einen neuen Termin zu vereinbaren, oder es einfach ganz sein zu lassen. Jedenfalls war die Farce noch nicht am Ende, denn in der Umkleidekabine stellte sich heraus: Man hatte die Hosen der Spieler vergessen. Eine Dummheit, eine Schlampigkeit, die nicht passieren sollte, aber passieren kann. Wir sprechen schließlich von beteiligten Menschen und nicht von Arbeitsrobotern. Da allerdings im Vorfeld dieses Spiels entschieden wurde, die Partie unter allen Umständen stattfinden zu lassen, gab es nur zwei Optionen für Gilbert Hernandez als Trainer und Mannschaftsleiter in Personalunion: In Unterhosen spielen oder sich vom Gegner einen Satz Hosen leihen. Die Antwort liegt auf der Hand und die U17 des HFC spielte schließlich die Testpartie gegen RB Leipzig im eigenen Trikot, aber in den Hosen der Leipziger, der Endstand lautete 1:1.

Das Thema wird zur Farce

Nach dem Spiel brach der erwartete Sturm der Entrüstung los. Dass der HFC in den Hosen des verhassten Nachbarn aufgelaufen war, schmerzte einige Fans anscheinend noch mehr, als die Tatsache, dass das Spiel überhaupt stattgefunden hatte. Auch der Verein sah die Lösung von Gilbert Hernandez bei aller Rigorosität, mit der dieses Spiel stattfinden musste, auf einmal als Ungeheuerlichkeit an und zwang den Jugendtrainer, eine mehrzeilige Stellungnahme mit Entschuldigung zu verfassen. Tatsächlich war es aber ein zu Kreuze kriechen, was der ostdeutsche Fußball in der Vergangenheit noch nicht gesehen hat. An keiner Stelle des Dokuments, wird auf die Kontroverse der Situation hingewiesen, nirgendwo wird erklärt, dass Präsident Schädlich mit seiner „und basta“-Aussage im Vorfeld der Partie erst für diesen Eklat gesorgt hat. Im Gegenteil, der bemitleidenswerte Hernandez entschuldigt sich sogar beim Präsidium – zum Mitschreiben: Bei dem Präsidium, welches das Spiel unter allen Umständen stattfinden lassen wollte! – und zur Krönung, zum absoluten Sahnehäubchen dieser Farce, endet die Bittschrift mit dem Vermerk: „Das HFC-Präsidium nimmt diese Entschuldigung zur Kenntnis und behält sich weitere, vereinsinterne Restriktionen gegen Herrn Gilbert Hernandez vor.“

Schädlich an der Spitze des wütenden Mobs

Die Situation in Leipzig war eine ganz unglückliche und die Wut einiger Fans auf die Tatsache, dass die U17-Spieler des HFC in den Hosen von RB Leipzig aufgelaufen sind, ist absolut verständlich. Aber zur Reaktion des Präsidiums fehlen einem jegliche Worte. Die Herrschaften um Dr. Michael Schädlich waren dafür verantwortlich, dass dieses Spiel geplant wurde und dass es mit allen Mitteln stattfinden musste, um die Macht gegenüber den demonstrierenden Fans zu wahren. Schädlichs Worte waren überhaupt erst der Grund, warum es für Gilbert Hernandez keine andere Lösung gab, als die, in RB-Hosen spielen zu lassen. Jetzt wird Hernandez durchs sprichwörtliche Dorf getrieben und an der Spitze des wütenden Mobs steht Dr. Michael Schädlich, als sei er der größte Verfechter von hallescher Vereinstradition überhaupt, als sei er derjenige, der sich für die Belange der Fans einsetzt.
Man sollt sich unbedingt vor Augen halten, dass Gilbert Hernandez ohne Frage einen Fehler begangen hat, einen Fehler, der so nicht hätte passieren sollen. Die Reaktion des Präsidiums darauf lässt allerdings die Frage offen, ob man sich an Stelle von „Herrn Gilbert Hernandez“  nicht doch eher „weitere vereinsinterne Restriktionen“ gegen sich selbst „vorbehalten“ sollte.

FOTO: Flohre Fotografie

   

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