Ostvereine in der 3. Liga – Zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Während die Fußballwelt derzeit auf die Weltmeisterschaft in Brasilien schaut, laufen in der 3. Liga die Saisonvorbereitungen auf Hochtouren. Besonders hoch dürfte die Motivation dabei im Osten Deutschlands sein. Nie zuvor war der Anteil ehemaliger Ostvereine in einer deutschen Profiliga höher, als in der kommenden Saison, in der nach dem Abstieg von Dynamo Dresden und Energie Cottbus nun – neben Hansa Rostock, dem Halleschen FC, Rot-Weiß Erfurt und dem Chemnitzer FC – sechs ehemalige DDR-Vereine um den Aufstieg spielen. Was für die Fans der 3. Liga ein Segen ist, findet bei den Vereinen ganz unterschiedliche Ansichten.

Der Osten schaut nach oben

Während man bei den Zweitliga-Absteigern noch der enttäuschenden Saison nachtrauert und die Scherben zusammenfegt, wachsen die Ambitionen bei den gestandenen Drittligisten von Jahr zu Jahr. Denn die Tatsache, dass die Anzahl ostdeutscher Drittligisten so hoch ist, spricht eben auch für die geringe Anzahl der Ostmannschaften in den höheren Ligen. Lediglich Union Berlin und Erzgebirge Aue halten die Fahne in der 2. Liga weiterhin nach oben.  Allerdings sind von den sechs Vereinen der kommenden Drittliga-Saison alle sechs ehemalige Zweitligisten, mit Hansa Rostock, Dynamo Dresden und Energie Cottbus sind gar die drei einzigen Bundesligisten der neuen Bundesländer im Teilnehmerfeld, Cottbus ist dabei seit dem Abstieg 2009 der Letzte, dem diese Ehre zuteil wurde. Kein Wunder also, dass alle sechs Mannschaften bereits in ihrer Saisonplanung eher „nach oben“ schauen, als auf die Abstiegsränge.

Die Absteiger und Hansa Rostock sind Topfavoriten

Kurzfristig liegen die Gründe auf der Hand: Für Cottbus und Dresden soll der Abstieg möglichst als „Betriebsunfall“ gewertet werden, gerade an der Elbe hätte man sich mit der Unterstützung der Stadt und einem geballten  Fanpotenzial gerne eher in Richtung Bundesliga orientiert, als nun den schmerzhaften Abstieg ausbügeln zu müssen. Doch auch Cottbus, trotz 17 Jahren in den ersten beiden Ligen immer ein relativ kleiner Verein geblieben, will so schnell wie möglich zurück zum Ruhm vergangener Tage. Das trifft bei den gestandenen Drittligisten ebenso und besonders auf Hansa Rostock zu. Nachdem man bereits vor der vergangenen Saison ankündigte 2014/2015 den Aufstieg anvisieren zu wollen, haben sich zwar die Vorzeichen verschoben – Trainer Andreas Bergmann wurde zur neuen Saison durch Rückkehrer Peter Vollmann ersetzt, Uwe Vester ist von seinem Amt als Sportdirektor zurückgetreten – doch das Ziel ist dasselbe, was mit den Transfers von Marcel Ziemer, Christian Bickel, Kai Schwertfeger und Markus Gröger und Christian Stuff auch unterstrichen wurde.

Geheimtipp HFC?

Doch auch die drei Teams aus dem „mittleren Osten“ haben höhere Ziele als schnöden Drittligaalltag. In Chemnitz entsteht an der Gellertstraße bereits der neue Fußballtempel der „Himmelblauen“, der mit Sicherheit nicht nur für Spiele gegen Sonnenhof-Großaspach errichtet wird, in Erfurt sehnt man sich seit langem danach, den Kurzaufenthalt 04/05 in Liga 2 endlich wiederholen und verlängern zu können. Besonders spannend ist die Entwicklung in Halle: Hier steht bereits ein hochmoderner Sportpark und auch sportlich sah es in der vergangenen Saison phasenweise sehr gut aus. Rund um Halle ist es kein Geheimnis mehr, dass der HFC in absehbarer Zeit den nächsten Schritt gehen will. Denn auch wenn der HFC vor zwei Jahren aus dem langen Schatten des Amateurfußballs ins Profigeschäft trat, ist die 3. Liga nach wie vor auf lange Sicht nicht rentabel. Das gilt nach wie vor im Speziellen für die Vereine aus dem tendenziell eher strukturschwachen Osten.

Absteiger halbieren die Etats

Zwar konnten in den letzten Jahren im finanziellen Bereich der Ostclubs gravierende Fortschritte gemacht werden, allerdings ist es für die betreffenden Clubs auch in der zweiten Liga bereits schwierig gewesen Sponsoren an Land zu ziehen. Während Vereine anderer Regionen, wie z.B. Holstein Kiel mit famila, einen zahlungskräftigen Premiumsponsor aus der Umgebung haben, wird im Osten nach wie vor jede Ausgabe mehrfach überdacht. Der Hallesche FC konnte nur nach langen und zähen Verhandlungen in der vergangenen Saison den, wohlgemerkt ablösefreien, Timo Furuholm zurück an die Saale holen, Hansa Rostock hat seit Jahren keine Ablöse mehr gezahlt, Dynamo Dresden muss bei seinen Transfers regelmäßig um private Unterstützung bitten und hat damit noch großes Glück.  Dazu kommt die bereits angesprochene Tatsache, dass die 3. Liga besonders für Vereine mit einer besonders umfangreichen Infrastruktur nicht rentabel ist. Hansa Rostock, kürzlich nach einem massiven Schuldenschnitt immerhin vom Land von mehr als 8 Millionen Euro Schulden befreit, verkaufte für die Drittliga-Lizenz seine Geschäftsstelle, bei den Absteigern wurden die Etats jeweils halbiert, wobei Dynamo Dresden, wie auch Rostock, im Vergleich zu Cottbus einen weitaus höheren Gesamtetat hat, als dann am Ende tatsächlich in die Lizenzspielerabteilung fließt.

Dynamo muss umdisponieren

Gerade Dresden ist ein perfektes Beispiel für die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit und das Dilemma im ostdeutschen Fußball. Jahrelange Tradition und große Erfolge in der DDR-Vergangenheit führten zu einer dauerhaften Sehnsucht nach der Rückkehr zu altem Glanz nach der Wende. Der mühselige aber überraschende Aufstieg 2011 führte zu einer Euphorie, die weiterhin durch einen starken neunten Platz in der darauffolgenden Zweitligarunde und gestandene Spieler wie Poté, Brégerie, Ouali oder Losilla genährt wurde. Nun fallen überraschend Fernsehgelder weg und der Verein, der sich auf dem Weg nach oben sah, muss umdisponieren. Übrigens kein reines Drittligaproblem: Auch Union Berlin setzte nach Stadionneubau, Zuschauerboom und Überraschungserfolgen zuletzt alles auf die Karte „Bundesligaaufstieg“ und fiel in der vergangenen Saison über die eigenen Ansprüche. Konsequenz war die Entlassung von Trainerlegende Uwe Neuhaus. Fraglich auch hier, wie die Berliner den Spagat zwischen finanziellem Aufstiegsboost und drohender Erfolglosigkeit meistern würden und könnten.

Aus geringsten Mitteln das Beste herausholen

Diese Umstände führen dazu, dass keiner der Ostvereine auf einen ansatzlosen Überraschungsaufstieg hoffen kann, so wie ihn zuletzt Bielefeld oder Darmstadt daher zauberten. Der Schlüssel im Osten liegt darin, aus geringsten Mitteln das Beste herauszuholen, notfalls oder gerade über die eigene Jugendarbeit. Hansa Rostock und vor allem Rot-Weiß Erfurt gehen diesen Weg besonders eifrig, wobei auch Energie Cottbus verstärkt auf eigene Talente setzt. Trotzdem lastet das Kreuz der erfolgreichen Vergangenheit auf den Drittligisten, vor allem auf den Lausitzern, den Hanseaten und den Dresdnern. Während man in Chemnitz und Erfurt bewusst kleinere Brötchen bäckt und Halle Schritt für Schritt den Weg nach oben anvisiert, warten in Cottbus 17 Jahre Profifußball, in Rostock zehn Jahre Bundesliga am Stück und in Dresden zahlreiche nationale und internationale Erfolge darauf, adäquat bestätigt zu werden. Von dem darin begründeten Teufelskreis kann vor allem Hansa Rostock ein Lied singen: Wenig Geld, schwache Mannschaft, schwache Ergebnisse, große Enttäuschung, weniger zahlende Zuschauer, weniger Sponsoren, noch weniger Geld, noch schwächere Mannschaft… Diese Spirale gilt es zu durchbrechen und das bedarf Mut und Sachverstand. Denn eins ist klar: Noch eine Saison mit sechs Ostvereinen in der 3. Liga, will keiner der ambitionierten Vereine erleben.

FOTO:  FU Sportfotografie // Jens Liebsch

 

   

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