Rot-Weiß Erfurt: Mission 2016 wird zur Mission Impossible

Zwei Jahre und gut fünf Monate lebte die "Mission 2016" bei Rot-Weiß Erfurt. Nun ist sie gescheitert, wenn man es überhaupt ein Scheitern nennen darf. Sie wurde aus Sicht der Vereinsoberen aufgegeben: Nach einer einem Totalausfall gleichenden Rückrunde zog der Vorstand um den neuen Manager Torsten Traub die Konsequenzen. Was bleibt, sind zahlreiche Fragen.

Entworfen wurde der optimistische Dreijahresplan im Januar 2013 zu einer Zeit, als am Steigerwald viele Entwicklungen in die falsche Richtung gingen: Nach einer miserablen Hinrunde bewegte man sich am Rande des Abgrundes und in höchster Abstiegsnot. Ein Regionalliga-Abstieg? Finanziell auch für die Thüringer nur sehr schwer aufzufangen. Doch die neuen Gesichter auf der Position des Sportvorstandes (Alfred Hörtnagl) und Geschäftsführers (Thomas Kalt) konstruierten eine Bauanleitung, die das in die Jahre gekommene RWE-Gefährt wieder zweitligatauglich machen sollten.

Aufstieg zum Vereinsjubiläum

Innerhalb von nur dreieinhalb Jahren sollten die Rot-Weißen in das Bundesliga-Unterhaus aufsteigen. Nicht ohne Grund wurde 2016 ausgewählt: Dort soll nicht nur der planmäßige Umbau des Steigerwaldstadions zu einer modernen und konkurrenzfähigen Multifunktionsarena abgeschlossen sein, sondern auch das 50. Vereinsjubiläum gefeiert werden. Für die Gewinnung entsprechender liquider Mittel sollten neben neue Sponsoren auch die Anhänger Geld locker machen.

Viele RWE-Fans ließen sich von der spektakulären und sicherlich im Profifußball nicht alltäglichen Mission in den Bann ziehen und schlugen bei sämtlichen Angeboten zu. Beispiel gefällig? Die Rot-Weißen rührten munter die PR- und Marketingtonne und stellten Mehrjahresdauerkarten bis 2016, Fankarten inklusive besonderen Features wie jährlichen Heimtrikots oder Dauermitgliedschaften vor. Im Dezember 2014 stießen die „Genussscheine“ hinzu, eine dem Crowdfunding ähnliche Aktion, bei der alle, die es mit den Erfurtern halten, dem Verein verschiedene Geldbeträge vorstrecken. Das Geld wird je nach sportlichem Erfolg verzinst wieder ausgezahlt.

Verdruss statt Genuss

Keiner der Genussschein-Erwerber konnte jedoch ahnen, dass sich der stilvolle Name ihrer Papiere zum Euphemismus des Jahres entwickeln würde. Aus Genuss wurde Verdruss, aus den Spielen der Rot-Weißen wurde plötzlich eine Qual. Der Aufstieg in dieser Saison schien über zwei Drittel der Spielzeit mehr als realistisch, dann folgte der Einbruch. Ein Einsturz mit Folgen, wie jetzt bekannt wurde. Zehn schwache Spiele gaben den Ausschlag, ein jahrelang hingearbeitetes Ziel vom einen auf den anderen Tag fallenzulassen. Doch warum?

Bereits in der Pressemitteilung des FC RWE wird als Hauptursache eine Senkung des selbst auferlegten Drucks aufgeführt, um die Mannschaft zu entlasten. In der Tat wirkte das Auftreten des Teams seit dem Spitzenspiel bei Holstein Kiel zunehmend verkrampft, jedes Negativerlebnis ließ das Selbstvertrauen weiter gen Nullpunkt sinken. Zumal der Kader der Steigerwäldler in der kommenden Saison nochmals deutlich verjüngt werden wird, will man so der Entwicklung der Talente nicht im Weg stehen. Für diese Entwicklung wird vonseiten Rot-Weiß Erfurts allerdings nicht nur die Mannschaft, sondern auch selbstkritischerweise zu hohe Erwartungen des Sportvorstandes verantwortlich gemacht.

Scheitern erlaubt, Aufgeben nicht

Auf den ersten Blick vermittelt die Nachricht der Offiziellen die erhoffte Transparenz und ein gutes Stück gesunder Selbstreflexion. Aber kommt dies nicht deutlich zu spät? Schaut man nämlich auf diejenigen, die ihr Geld in die Mission gesteckt haben, kann man möglichen Frust durchaus verstehen: Eine Mission darf scheitern, doch man sollte sie nicht vor Ablauf des gestellten Zeitraums bereits aufgeben. Oder sie besser gar nicht beginnen, wenn die Erfolgsaussichten derart gering sind.

Viele Kontrahenten der Thüringer hatten den zu ehrgeizigen Plan bereits in der Geburtsstunde belächelt und nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Sie sollten Recht behalten. Denn rein objektiv gesehen waren in der vorletzten und letzten Saison mindestens fünf bis sechs Teams wirtschaftlich und infrastrukturell deutlich besser aufgestellt. Auch in der neuen Spielzeit darf man Rot-Weiß trotz aller finanziellen Unterstützung von Sponsoren und Gebern eher nicht zum Favoritenkreis zählen.

Warum nicht nächstes Jahr?

Doch wie das Präsidium bereits mehrmals anmerkte, werde vom langfristigen Ziel der zweiten Bundesliga sicher kein Abstand genommen. Und an für sich spricht nichts dagegen, dass ein junges, erfolgshungriges, eingeschworenes und vom Druck befreites Team plötzlich oben mitmischt. In dieser Dritten Liga entscheiden Nuancen. Nötig ist dafür aber nicht nur ein Sinken des vorstandsinternen Drucks auf die Mannschaft, sondern auch eine geringere Erwartungshaltung vonseiten der Fans, deren Wut das Vertrauen der Spieler zum Ende der abgelaufenen Saison auf ein Minimum schrumpfen ließ.

Fest steht: Sollte es wirklich trotz vorheriger Missionsabsage zum Aufstieg 2016 kommen, würde sich in Erfurt sicher keiner beschweren. Aber auch mit einem Mittelfeldplatz kann man derzeit gut leben, denn dank eines modernen Steigerwaldstadions hat RWE beste infrastrukturelle Voraussetzungen, in Ruhe auf einen Zweitliga-Aufstieg hinzuarbeiten. Und hat damit hektische, übereilte und ins eigene Bein schießende Missionen überhaupt nicht nötig.

 

   

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