Saisonfazit VfR Aalen: Mit wenig Geld große Taten vollbracht
Der VfR Aalen spielt ein weiteres Jahr drittklassig – das hätten viele Beteiligten vor der Spielzeit so unterschrieben. Mit einem der kleinsten Saisonetats der ganzen 3. Liga hat sich die Mannschaft sportlich auf den fünften Platz gehievt, das ist eine kleine Sensation. liga3-online.de blickt im Saisonfazit zurück auf ein turbulentes Jahr bei den Schwarz-Weißen, das auch von einem Insolvenzantrag maßgeblich geprägt wurde.
Das lief gut
Fast alles lief besser als erhofft! Schon vor der Spielzeit war abzusehen, dass die Zulassungserteilung ohne Insolvenz ein echter Kraftakt werden würde – daher musste der finanzielle Gürtel beim VfR abermals enger geschnallt werden. Für nicht wenige Experten waren die Schwaben einer der ersten Abstiegskandidaten, fanden sich dann aber nach der Hinrunde mit nur drei Niederlagen im Verfolgerfeld der Spitze wieder. Prunkstück war die Defensive: 36 Gegentore in 38 Spielen toppen nur die beiden Aufsteiger aus Duisburg und Kiel, Ergebnis ist das drittbeste Torverhältnis der Liga.
Auch die Bemühungen bei der Kaderzusammenstellung im letzten Sommer müssen zeitgleich schon an dieser Stelle mit einem großen Kompliment bedacht werden: Dominick Drexler, Michael Klauß, Sebastian Neumann und schließlich auch noch Markus Schwabl (Winterpause) verließen den Verein – Aalen rückte immer enger zusammen und kompensierte die numerische wie qualitative Schwächung eindrucksvoll. Einem neuerlichen Ausverkauf im Sommer wurde bereits vorgebogen.
Das lief schlecht
Sportlich sind kaum Mäkel anzubringen. Hätte diese Elf, dieser Mini-Kader noch mehr aus sich herausholen sollen? Ärgerlich geriet das frühe Aus im Landespokal – speziell für einen Verein wie Aalen sind derartige Einnahmen, die sich nun Siebtligist Dorfmerkingen gesichert hat, kaum verzichtbar. Doch wo soll sonst kritisiert werden? Die Offensive machte ihre Tore, die Defensive hielt den Kasten sauber. Selbst Spitzenteams wie Meister MSV Duisburg wurden bezwungen, Aalen war ein äußerst unangenehmer Gegner für fast jeden Drittligisten. Selbst, als durch die Insolvenzmeldung urplötzlich Abstiegskampf angesagt war, ließ sich das Team nicht beirren und reihte schnurstracks einige Siege aneinander – schon war das Abstiegsgespenst wieder vertrieben.
Einen faden Beigeschmack hinterlässt lediglich der Neun-Punkte-Abzug selbst. Ohne ihn hätte Aalen lange Zeit um den Relegationsplatz mitspielen können. Doch Statuten lassen sich nicht ändern, in der Saison 2017/18 kann der VfR schuldenfrei einen neuen Anlauf starten.
Die Bewertung der Transfers
Zehn externe Neue zog der VfR an Land, davon drei in der Winterpause. Fangen wir mit den wenigen Volltreffern an: Thomas Geyer kam vom SV Wehen Wiesbaden und avancierte zu einem Top-Innenverteidiger der 3. Liga. Rico Preißinger schaffte mit 20 Jahren den Durchbruch im Mittelfeld, er könnte Aalen noch eine hübsche Ablösesumme einspielen. Auch Winter-Rückkehrer Sascha Traut brauchte nicht lange, um sich einzugewöhnen – von ihm darf in der neuen Saison sogar noch mehr erwartet werden. Wenige Verletzungen erwiesen sich für den VfR ansonsten als Segen, für viele Talente aber als Fluch: Torge Paetow, Raif Husic, Yannick Deichmann oder Philipp Hercher mussten zurückstecken und sich gedulden. Firat Sucsuz wechselte schon im Winter zu Carl Zeiss Jena und wird dort langfristig bleiben, Oguzhan Kefkir verabschiedete sich ebenso vorzeitig. Aue-Leihe Martin Toshev wurde zum Transferflop und hat ebenso keine Zukunft.
Der Spieler der Saison: Das Team!
Es wäre unangemessen, aus einer Mannschaft, die sich zu 98 Prozent über den Gemeinschaftsgedanken definiert, einen herauszupicken. Daniel Bernhardt zeigte bärenstarke Leistungen im Tor, Geyer und Robert Müller hielten den Laden mit Sechser Maximilian Welzmüller dicht. Vorne überzeugte Matthias Morys mit Schnelligkeit und Torgefahr, auch Gerrit Wegkamp erwischte eine starke Spielzeit. Muss doch jemand genannt werden, sollte es Trainer Peter Vollmann sein. Dass er aus Aalen so eine starke Truppe formt, hätte kaum jemand für möglich gehalten.
Die Enttäuschung: Martin Toshev
Wer zum VfR Aalen wechselt, ist normalerweise kein Star – daher kann vielen jungen Talenten in ihrem ersten Jahr kaum ein Vorwurf gemacht werden. Der 30-jährige Martin Toshev aber hätte als Zweitliga-Stürmer zumindest in der 3. Liga sein Können unter Beweis stellen müssen. Das Resultat: Sieben Einsätze ohne jede Torbeteiligung. Das war einfach nur enttäuschend, ähnlich wie sein gesamter Deutschland-Ausflug bisher.
Fazit
Der VfR Aalen ist eine der positiven Überraschungen der Saison! Er zeigte, dass die Höhe des Personaletats und ein großer Kader nicht die einzigen Erfolgsfaktoren darstellen. Teams wie etwa Hansa Rostock dürften neidisch in Richtung Ostalb schauen – das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt bei der Vollmann-Elf. Ohne den Punktabzug hätten sie sich vielleicht sogar mit dem Relegationsplatz belohnen können. Und wer den Auftritt des ebenso kollektivstarken SSV Jahn Regensburg gesehen hat, der weiß, worin dies hätte enden können…
Hätte, hätte: Nichtsdestotrotz kann jeder Anhänger des VfR stolz auf sein Team sein. Das erfrischende und allen voran erfolgreiche Spiel hätte noch mehr Zuschauer pro Heimspiel verdient – auch das würde die Situation des Vereins nachhaltig verbessern.
Prognose
Als erster Abstiegskandidat geht der VfR Aalen im kommenden Jahr sicherlich nicht in die Saison. Das muss nichts Gutes bedeuten: Gegner werden sich auf den VfR einstellen, nicht mehr blind in die Konter laufen. Aalen fehlt jedoch ebenso wie einigen anderen Teams der klassische Spielmacher, der Strippenzieher im Mittelfeld. Nichtsdestotrotz haben Vollmann und Co. schon jetzt fünf interessante Neuverpflichtungen an Bord, die Planung ist frühzeitig weit fortgeschritten. Es spricht nach aktuellem Stand wenig dagegen, dass sich Aalen wieder in ruhige Fahrwasser manövrieren kann. Klar ist: Einen Neun-Punkte-Abzug wird das Team, das sich im Jahr 2016/17 so bravourös schlug, im kommenden Jahr sicherlich nicht wegstecken müssen. Daher muss auch der ganz große Wurf, die Rückkehr in die 2. Bundesliga, nicht vollends ausgeschlossen werden. Das beste Kollektiv wird das Rennen machen, dies zeigt die Erfahrung der letzten Jahre.