Saisonvorschau Rot-Weiß Erfurt: Vom Regen in die Traufe?
Bevor die 3. Liga am 21. Juli in die neue Saison startet, blickt liga3-online.de auf die 20 Drittligisten und schätzt die Chancen der Teams ein. In der heutigen Ausgabe werfen wir einen Blick auf Rot-Weiß Erfurt, das im vergangenen Jahr knapp am Abstieg in die Regionalliga Nordost vorbeischrammte. Aber wird es in der neuen Spielzeit besser?
So lief die Vorbereitung:
Tore, Tore, Tore! Die erzielte Rot-Weiß Erfurt in der vergangenen Spielzeit zugegeben eher selten, dafür aber in den ersten Tests: 16:0 hieß es gegen den Bischlebener SV, 27:0 sogar gegen den TSV Langewiesen. Klar – große fußballerische Klasse darf in den untersten Ligen nicht erwartet werden und die Aussagekraft hält sich stark in Grenzen. Mehr zeigen musste RWE dann schon gegen die Regionalligisten BFC Dynamo (1:2-Niederlage) und Viktoria Berlin (2:0-Sieg). Die ganz großen Aufgaben warten am kommenden Wochenende im Rahmen der Generalprobe: In einem Mini-Turnier warten Erstligist Hertha BSC sowie Zweitligist VfL Bochum auf Stefan Krämer und seine Mannen.
Personell hat Erfurt derweil die Ausfälle von Theodor Bergmann (Bauchmuskelbeschwerden) und Alexander Ludwig (Fußprellung) zu beklagen. Zudem muss Stürmer Tugay Uzan aufgrund seines im Saisonfinale erlittenen Kreuzbandrisses noch mehrere Monate pausieren. Heißt: Für Carsten Kammlott und Christopher Bieber bzw. Elias Huth sind Einsätze in den ersten Saisonspielen beinahe schon garantiert.
Transferperiode
Zugänge | Abgänge |
Morten Rüdiger (Eintracht Braunschweig II) | Mario Erb (KFC Uerdingen) |
Merveille Biankadi (SV Elversberg) | Okan Aydin (Chemnitzer FC) |
Ahmed Waseem Razeek (1. FC Magdeburg) | Sebastian Tyrala (FSV Mainz 05 II) |
Bastian Kurz (FC Augsburg II) | Jannis Nikolaou (Würzburger Kickers) |
Elias Huth (Leihe/Hannover 96 II) | Mikko Sumusalo (unbekannt) |
Florian Neuhold (Eintracht Braunschweig II) | Maik Baumgarten (unbekannt) |
Alexander Ludwig (Stahl Riesa) | Julian Löschner (unbekannt) |
Maximilian Engl (1860 München II) | Erik Domaschke (SV Meppen) |
Tobias Kraulich (eigene U19) | Fabian Hergesell (Karriereende) |
Lion Lauberbach (eigene U19) | Maximilian Pommer (Lokomotive Leipzig) |
Marius Wegmann (eigene U19) |
Wer soll noch kommen?
Wir zählen elf Neue und zehn Abgänge – Letztere dürften allerdings noch um Amer Kadric erweitert werden, der nach seiner Leihe zum Regionalligisten SC Wiedenbrück keine Rolle mehr im Kader von Trainer Stefan Krämer spielen wird. Damit würde der Kader 25 Spieler umfassen und befände sich im Drittliga-Durchschnitt – allerdings mit einer Handvoll blutjunger Talente, die zum Großteil aus dem eigenen Nachwuchs stammen und die längst noch nicht zu 100 Prozent einzuplanen sind. Obgleich eine Etat-Aufstockung um etwa 100.000 Euro kommuniziert wurde, ist davon bisher wenig zu spüren: Namhafte Abgänge wurden fast ausschließlich mit weiteren Perspektivspielern aus der Regionalliga ergänzt. Unter normalen Umständen müsste RWE noch in der Lage sein, mindestens einen gutklassigen Spieler zu verpflichten – speziell auf den Außenverteidiger-Positionen sind die Thüringer sehr dünn besetzt.
Auf diesen Spieler sollte man achten: Merveille Biankadi
Von vielen verpflichteten Regionalliga-Talenten, die jedoch allesamt keine überragenden Statistiken aufwiesen, sticht Merveille Biankadi hervor – und das nicht nur, weil er zuletzt beim Regionalliga Südwest-Meister SV Elversberg aktiv war. Biankadi, ein 22-jähriger Münchner mit kongolesischen Wurzeln, absolvierte 34 Spiele und die beiden Aufstiegspartien für die SVE und erzielte dabei zwei Treffer. Mit ihm könnte Erfurt eine große Baustelle, das defensive Mittelfeld nach den Abgängen von Jannis Nikolaou und Mario Erb, mehr als bloß in der Breite verstärkt haben: Es wäre alles andere als verwunderlich, sollte Biankadi auf Anhieb den Sprung in die Startelf schaffen.
Stärken und Schwächen
Rot-Weiß Erfurt lebte in den letzten Jahren in starker Abhängigkeit von seinem Torjäger Carsten Kammlott – das ist Stärke und Schwäche zugleich, denn hinter ihm herrschte lange Zeit völlige Flaute. Darüber hinaus verfügte RWE über eine gewachsene Einheit, die im Sommer aber an zahlreichen Ecken und Enden gesprengt wurde: Mario Erb fehlt wie Jannis Nikolaou in der Defensive, Sebastian Tyrala wird trotz aller sportlichen Umstrittenheit in Fankreisen allein als Typ eine mächtige Lücke reißen. Und auch Okan Aydin, der stets nach Höherem strebte, nun aber in Chemnitz untergekommen ist, brachte RWE immerhin an guten Tagen ein ganzes Stück nach vorne.
Es ist fraglich, ob Erfurt mit all den Talenten aus der Regionalliga in der 3. Liga wird bestehen können: Florian Neuhold, Bastian Kurz, Morten Rüdiger, Maximilian Engl – das sind keine Namen, die die Spielklasse in Angst und Schrecken versetzen. Dazu gesellt sich mit Alexander Ludwig ein ehemaliger Profi, der aber zuletzt nur noch in der 6. Liga (!) kickte. Vielleicht stimmt die Mischung, doch insgesamt hat der Kader auf den ersten Blick deutlich an Qualität verloren. Ob der neu zu wählende Kapitän diese Mannschaft zusammenführen kann, ist noch fraglich.
Die Erwartungen der Fans
RWE ist Drittliga-Dino – und soll das tunlichst auch bleiben! Dass aktuell nicht mehr als das Spielen um den Klassenerhalt möglich ist, haben die Fans am Steigerwald längst realisiert. Es ist gewissermaßen ein trauriger Teufelskreis, denn auf absehbare Zeit wird sich an dieser Situation wenig ändern. Zu geringe Zuschauerzahlen, eine mäßige Sponsorendeckung und nun auch noch der direkte Konkurrent Carl Zeiss Jena, der Erfurt in Thüringen den Rang ablaufen könnte: Rot-Weiß muss weiter mit Händen und Füßen um sein Überleben kämpfen. Die Anhänger sind für diese Aufgabe bereit.
Fazit und Prognose
RW Erfurt – das ist für viele Drittligisten immer wieder eine schöne Reise, auch aufgrund der Distanz: Die Mitte Deutschlands ist für alle gut erreichbar. Aber wie lange darf die 3. Liga in Erfurt noch Station machen? Ohne lange um den heißen Brei herumzureden, ist die Elf von Stefan Krämer ein heißer Abstiegskandidat. Es fehlen diverse Stammspieler, die in wenigen Wochen durch zahlreiche junge und unerfahrene Akteure ersetzt werden müssen – es ist eine Herkulesaufgabe, vor der der stets enthusiastische Übungsleiter Krämer steht. Schon der Auftakt ins zehnte Drittliga-Jahr, ein Heimspiel gegen Preußen Münster, wird zur unglaublich wichtigen Aufgabe. Es folgen Magdeburg, Rostock, Zwickau, Paderborn, Aalen, das Derby gegen Jena und Osnabrück – wahrlich ein Kracher-Auftakt. Zu befürchten ist, dass Erfurt frühzeitig in den Keller rutscht und wieder einmal bis zum letzten Spieltag um den Klassenerhalt kämpfen muss.