Schiedsrichter-Analyse zum 33. Spieltag mit Babak Rafati
25 Jahre war Babak Rafati Schiedsrichter, 2008 schaffte er es sogar auf die FIFA-Liste. Insgesamt leitete der heute 44-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit- und 13 Drittliga-Spiele. Nun hat Rafati eine neue Aufgabe: Für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter jeden Spieltag die strittigen Entscheidungen des Wochenendes. Nach einer Vorauswahl durch die Redaktion sichtet Rafati das Video-Material und gibt eine kurze Einschätzung zu den jeweiligen Szenen ab und erklärt bei falschen Entscheidungen zudem, wie die Unparteiischen auf dem Platz hätten reagieren müssen. Am 33. Spieltag hat er sich fünf Szenen einmal genauer angeschaut:
Szene 1: Mikko Sumusalo (Hansa Rostock) bringt Lukas Hufnagel (SpVgg Unterhaching) an der Strafraumgrenze zu Fall. Schiedsrichter Felix-Benjamin Schwermer entscheidet auf Elfmeter für Unterhaching (63.). [TV-Bilder – ab Minute 2:45]
Babak Rafati: In dieser Szene erfolgt der erste Kontakt des Rostocker Verteidigers außerhalb des Strafraumes, jedoch findet seine Aktion des Foulspiels auch weiter im Strafraum statt, sodass das Vergehen/Foulspiel im Strafraum endet. Der Schiedsrichter kann aus seiner Position nicht einschätzen, ob das Vergehen innerhalb oder außerhalb des Strafraumes geschieht, aber durch den Blickkontakt zum Assistenten und dessen Rückmeldung erfolgt die richtige Entscheidung auf Strafstoß. Eine sehr gute Zusammenarbeit im Schiedsrichter-Team, da der Assistent sehr aufmerksam ist.
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Szene 2: Johannes Rahn (Fortuna Köln) sieht nach einem Laufduell mit Niklas Kreuzer (Dynamo Dresden) von Schiedsrichter Patrick Schult die gelb-rote Karte (83.). [TV-Bilder – ab Minute 12:15]
Babak Rafati: Der Einsatz von Armen und Ellenbogen ist im Fußball leider zur Unsitte geworden und stellt die Schiedsrichter immer wieder vor einer schwierigen Herausforderung. Daher gibt es die Anweisung, konsequent dagegen vorzugehen, um die Gesundheit der Spieler zu schützen. Bei diesem Laufduell setzt der Kölner Spieler seine Arme ein und trifft den Dresdner Spieler durch einen Kontakt ins Gesicht, was seinem Gegenspieler sicherlich auch weh tut. Es liegt aber keine Absicht vor. Ein Freistoß für Dresden wäre die richtige Entscheidung gewesen. Dafür zusätzlich noch eine gelbe Karte auszusprechen, was in diesem Fall folgerichtig die gelb-rote Karte nach sich ziehen würde, ist nicht erforderlich. Somit liegt eine Fehlentscheidung vor, was aber auch sehr schwierig zu sehen ist und nur durch TV-Bilder belegt werden kann.
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Szene 3: Branimir Bajic (MSV Duisburg) bringt Cedric Mimbala (Energie Cottbus) im Strafraum zu Fall, Schiedsrichter Arne Aarnink entscheidet auf Elfmeter (31.). [TV-Bilder – ab Minute 2:20]
Babak Rafati: Der Schiedsrichter hat frontal eine gute Sicht auf diesen Zweikampf im Strafraum. Der Verteidiger von Duisburg legt leicht den linken Arm auf die linke Schulter des Angreifers, was im Bereich des Erlaubten ist. Ein klares Halten kann man auch nicht sehen. Ein Beleg dafür ist auch, dass sich sogar nach dem Pfiff ein Spieler von Cottbus, der ca. fünf Meter vom Geschehen entfernt steht, in die andere Richtung orientiert, was natürlich nur wir Fernsehzuschauer auswerten können und nicht der Schiedsrichter. Der Spieler von Cottbus nimmt diesen Kontakt dankend an und lässt sich daraufhin fallen. Ob ein derartiger Kontakt ausreicht, dass ein Angreifer sich fallen lässt, ist immer wichtig für die Beurteilung von Luftkämpfen im Strafraum. Hier wäre Weiterspielen die richtige Entscheidung gewesen, da derartige Zweikämpfe permanent im Strafraum passieren. Somit liegt eine Fehlentscheidung vor. Förderlich ist bei solchen Szenen vorher durch verbale Ansprachen auf Verteidiger und Stürmer einzuwirken, damit die Spieler gewarnt und vorbereitet sind und somit diese Spielweise abgestellt wird.
Szene 4: Simon Skarlatidis (Sonnenhof Großaspach) bleibt nach einem Foul verletzt im Mittelfeld liegen, Regensburg spielt weiter und trifft durch Marco Königs zum 1:1 – Schiedsrichter Lasse Koslowski gibt den Treffer (28.). [TV-Bilder – ab Minute 2:00]
Babak Rafati: Zunächst einmal hätte der Schiedsrichter bei dem voran gegangenen Zweikampf im Mittelfeld auf Freistoß für Großaspach entscheiden müssen. Zu der Szene im Anschluss: Ein Schiedsrichter kann das Spiel unterbrechen, wenn nach seinem Ermessen ein Spieler ernsthaft verletzt ist. Wenn er jedoch der Meinung ist, dass ein Spieler nur leicht verletzt ist, kann er bis zur nächsten Spielruhe weiterspielen lassen. Somit hat er nach der Regel eine richtige Entscheidung getroffen und der Treffer ist regulär. In der Praxis wäre dem Schiedsrichter an dieser Stelle aber anzuraten, als sich das Spielgeschehen wieder in Richtung des Mittelkreises verlagerte, also vom Tor "weg", das Spiel zu unterbrechen und sich um den am Boden liegenden Spieler zu kümmern, damit so etwas erst gar nicht passiert.
Szene 5: Sebastian Mrowca (Wiesbaden) bekommt den Ball nach einem Kopfball von Lucas Höler (Mainz II) im Strafraum an die Hand, Schiedsrichter Florian Badstübner entscheidet auf Weiterspielen. [TV-Bilder – ab Minute 2:10]
Babak Rafati: Die Handspielregel ist in der Theorie relativ einfach. In der Praxis kommt es immer wieder zu heftigen Diskussionen, da die Umsetzung auf dem Platz nicht immer nach der Theorie erfolgt. Das liegt daran, dass die Wahrnehmung auf dem Platz sehr schwierig ist. Die Schnelligkeit des Spiels, die Dynamik und oftmals ungünstige Position und Blickwinkel des Schiedsrichters sind die Gründe. Es gibt 5 Kriterien: 1. Absicht, Hand geht zum Ball oder der Ball geht zur Hand. 2. Vergrößerung der Körperfläche oder der Arm ist angelegt. 3. Unnatürliche oder natürliche Handhaltung. 4. Blick zum Ball und 5. Lange oder kurze Distanz zum Ball.
In diesem Fall vergrößert der Verteidiger von Wiesbaden offensichtlich seine Körperfläche und somit liegt ein strafbares Handspiel vor. Es hätte einen Strafstoß und eine gelbe Karte geben müssen und somit liegt eine Fehlentscheidung vor. Der Assistent hatte einen freien Blick auf diese Situation und hätte dem Schiedsrichter helfen können.