Strittige Szenen am 17. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati
Die Platzverweise gegen Baris Özbek, Alexander Bittroff und Niko Dobros, nicht gegebenen Elfmeter für Frankfurt und Köln sowie die Strafstöße für Kiel und Osnabrück: Am 17. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de sieben strittige Szenen genauer angeschaut.
[box type="info"]Hintergrund: 25 Jahre lang war Babak Rafati Schiedsrichter, 2008 schaffte er es sogar auf die FIFA-Liste. Insgesamt leitete der heute 44-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit- und 13 Drittliga-Spiele. Seit Februar 2015 hat er eine neue Aufgabe: Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter jeden Spieltag die strittigen Entscheidungen des Wochenendes. Nach einer Vorauswahl durch die Redaktion sichtet Rafati das Video-Material und gibt eine kurze Einschätzung zu den jeweiligen Szenen ab. [/box]
Szene 1: Nach einem Foul von Zlatko Janjic (MSV Duisburg) an Kevin Pires-Rodrigues (Sportfreunde Lotte) fasst Baris Özbek (Duisburg) dem Lotteraner ins Gesicht und sieht von Schiedsrichter Robert Schröder glatt Rot. Danach leistet sich Özbek weitere Tätlichkeiten. [TV-Bilder – ab Minute 1:05]
Babak Rafati: Zunächst fasst Özbek seinen Gegenspieler vor die Brust und stößt ihn leicht weg. Danach greift er Pires-Rodrigues ins Gesicht und stößt auch diesen leicht weg. Der Schiedsrichter hat beide Vorgänge genau gesehen und entscheidet auf Rot gegen Özbek. Die erste Aktion kann man noch durchgehen lassen, aber die zweite Aktion ist eindeutig und unstrittig. Die Hand hat im Gesicht des Gegenspielers nichts zu suchen. Das ist eine Tätlichkeit und wird vollkommen richtig vom Schiedsrichter mit der roten Karte geahndet. Dass sich der Gegenspieler so theatralisch fallen lässt, ist schon Tagesgeschäft. Was sich nach der roten Karte abspielt, kann der Schiedsrichter nur noch im Spielbericht vermerken. Das Sportgericht wird dann darüber urteilen, was sicherlich das Strafmaß ändern wird.
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Szene 2: Bei einem Laufduell mit Alexander Bitroff (Chemnitzer FC) geht Benjamin Schwarz (Preußen Münster) zu Fall. Schiedsrichter Patrick Schult wertet die Aktion als Notbremse und zeigt Bittroff glatt Rot. [TV-Bilder – ab Minute 0:15]
Babak Rafati: Bittroff und Schwarz berühren sich im Laufduell kurz vor dem Chemnitzer Strafraum. Der Schiedsrichter hat von hinten einen guten Blick auf die Szene. Der Verteidiger von Chemnitz macht überhaupt keine Anstalten seinen Gegenspieler durch Foulspiel stoppen zu wollen. Im Gegenteil, er zieht zurück. Schwarz ist etwas zu schnell und kommt dadurch schon vor dem leichten Kontakt mit Bittroff ins Straucheln und fällt anschließend. Die Berührung mit dem Verteidiger ist nicht ausgehend vom Verteidiger, sondern vom Stürmer selbst, denn er läuft an den Oberkörper des Verteidigers – dieser kann sich jedoch nicht in Luft auflösen. Der Kontakt ist keinesfalls als Foulspiel zu bewerten, vielmehr ein Zweikampf der fußballtypisch ist. Hier wäre es richtig gewesen, weiterlaufen zu lassen. Somit liegt eine Fehlentscheidung vor.
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Szene 3: Fabian Schleusener (FSV Frankfurt) kommt nach einem leichten Kontakt von Felix Schiller (1. FC Magdeburg) im Strafraum zu Fall. Kein Elfmeter, sagt Schiedsrichter Dr. Robert Kampka. [TV-Bilder – ab Minute 41:00]
Babak Rafati: Der Schiedsrichter ist sehr gut postiert und kann somit den Vorgang gut beobachten. Bei diesem Zweikampf ist alles im Bereich des Erlaubten. Ein Verteidiger darf und muss den Arm einsetzen, hierbei ist jedoch kein Foulspiel auszumachen. Eine richtige Entscheidung, weiterlaufen zu lassen.
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Szene 4: Dominick Drexler (Holstein Kiel) dringt in den Strafraum ein und wird von Stefan Wannenwetsch (Hansa Rostock) gelegt. Schiedsrichter Felix Zwayer zeigt sofort auf den Punkt. [TV-Bilder – ab Minute 2:15]
Babak Rafati: In dieser Szene gibt es keine zwei Meinungen. Drexler dringt in den Rostocker Strafraum ein und wird von Wannenwetsch durch Beinstellen zu Fall gebracht. Der Schiedsrichter steht optimal und hat eine gute und freie Sicht auf den Zweikampf und entscheidet sofort und richtigerweise auf Strafstoß.
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Szene 5: Nach einem hohen Bein von Boné Uaferro (Fortuna Köln) gegen Halil Savran (VfL Osnabrück) entscheidet Schiedsrichter Steffen Mix auf Strafstoß für den VfL. [TV-Bilder – ab Minute 1:05]
Babak Rafati: Der Schiedsrichter steht optimal zum Vergehen und hat freie Sicht. Uaferro nimmt das Bein im eigenen Strafraum zu hoch und spitzelt den Ball vor Savran weg. Dabei trifft er seinen Gegenspieler aber nicht. Es liegt kein Kontakt vor, lediglich ein sogenanntes gefährliches Spiel. Dieses Vergehen darf folglich nur mit einem indirekten Freistoß geahndet werden. Es ist natürlich schwierig im normalen Ablauf eine Differenzierung zwischen "Kontakt" und "kein Kontakt" vorzunehmen. Zudem greift sich der Angreifer anschließend an den Kopf, was den Schiedsrichter dazu verleitet anzunehmen, dass er am Kopf getroffen wurde. Trotzdem eine Fehlentscheidung.
Szene 6: Kamer Krasniqi (VfL Osnabrück) bringt Kai-David Bösing (Fortuna Köln) im Strafraum zu Fall, Mix lässt die Partie weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 2:50]
Babak Rafati: Krasniqi trifft Bösing zunächst am Fuß, bleibt anschließend an seinem Fuß hängen und hackt dann auch noch nach, so dass der Kölner Angreifer am Weiterlaufen gehindert wird und zu Fall kommt. Der Schiedsrichter steht optimal und sieht den Vorgang ganz genau. Warum er sich für Weiterspielen entscheidet, kann man nicht beurteilen. Es hätte jedoch einen Strafstoß für Fortuna Köln geben müssen. Es liegt folglich eine Fehlentscheidung vor.
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Szene 7: Niko Dobros (SC Paderborn) geht mit viel Risiko in einen Zweikampf und sieht dafür von Schiedsrichter Felix-Benjamin Schwermer glatt Rot. [TV-Bilder – ab Minute 4:05]
Babak Rafati: Dobros legt sich den Ball im Mittelfeld zu weit vor. Anschließend rauscht er mit vollem Tempo, unkontrolliert und brutal mit offener Sohle mit den Stollen voraus gegen seinen Gegenspieler und trifft ihn dabei. Das ist eine Gesundheitsgefährdung des Gegenspielers, zudem wird eine Verletzung billigend in Kauf genommen. Das muss konsequent geahndet werden. Der Schiedsrichter hatte eine sehr gute Sicht und bewertet diese Szene absolut richtig und zeigt dem Paderborner Spieler die rote Karte. Eine richtige Entscheidung.