Strittige Szenen am 35. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati
Das rüde Foulspiel von Morys an Judt, die nicht gegebenen Elfmeter für Rostock, Münster und Kiel sowie Unsportlichkeit von Christian Groß (Osnabrück). Am 35. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de fünf Szenen genauer angeschaut.
[box type="info"]Hintergrund: 25 Jahre lang war Babak Rafati Schiedsrichter, 2008 schaffte er es sogar auf die FIFA-Liste. Insgesamt leitete der heute 44-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit- und 13 Drittliga-Spiele. Seit Februar 2015 hat er eine neue Aufgabe: Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter jeden Spieltag die strittigen Entscheidungen des Wochenendes. Nach einer Vorauswahl durch die Redaktion sichtet Rafati das Video-Material und gibt eine kurze Einschätzung zu den jeweiligen Szenen ab. [/box]
Szene 1: Mathias Morys (VfR Aalen) und Juri Judt (Rot-Weiß Erfurt) rennen zum Ball, Morys trifft seinen Gegenspieler allerdings mit dem Fuß am Kopf, woraufhin dieser verletzt ausgewechselt werden muss. Schiedsrichter Sven Waschitzki zeigt Morys lediglich die Gelbe Karte. [TV-Bilder – ab Minute 0:40]
Babak Rafati: In dieser Szene ist der Schiedsrichter auf den Zweikampf nicht vorbereitet. Dies lässt sich an seiner Körpersprache erkennen, da keine Spannung vorhanden ist – sowohl vor als auch nach dem Foul. Zudem wird der Ball aus der Gefahrenzone im Strafraum heraus befördert, sodass der Schiedsrichter bei dieser Mittelfeldaktion vielleicht (?) kurz durchschnaufen wollten.
Durch das Galoppieren zum Zweikampf im Mittelfeld fehlt die optimale Sicht von der Seite, sonst hätte der Schiedsrichter durch einen kurzen Sprint und richtigem Stellungsspiel optimal den Vorgang sehen und bewerten können. Er schaut aber von hinten drauf, sodass nur eine eingeschränkte Sicht gewährleistet ist. Zudem legt er sich sehr schnell fest, indem er mit der gelben Karte aus ein paar Metern angelaufen kommt. Ratsam wäre hier, sich die nötige Zeit zu nehmen, bevor man eine endgültige und womöglich falsche Entscheidung trifft. Morys geht mit gestrecktem Bein in Richtung des Kopfes von Judt voraus und trifft ihn mit offener Sohle im Gesicht. Das ist rohes, gewaltsames Spiel in Kung-Fu-Manier und kann nur die Rote Karte zur Folge haben. Eine Fehlentscheidung.
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Szene 2: Nach einer Ecke kommt es zu einem Luft-Zweikampf zwischen beiden Torhütern, Hansa-Keeper Marcel Schuhen, der herbei geeilt war, wird dabei von Robert Wulnikowski (Würzburger Kickers) zu Fall gebracht. Schiedsrichter Patrick Alt reagiert nicht, die Partie läuft weiter. [TV-Bilder – ab Minute 7:05]
Babak Rafati: Dieser Luft-Zweikampf ist absolut im Rahmen, denn Wulnikowski trifft mit seiner verunglückten Faustabwehr überhaupt nicht den gegnerischen Torwart. Das Zufallkommen von Schuhen ist zwar durch den Kontakt entstanden, dieser ist aber absolut fußballtypisch – ein Foulspiel ging keinesfalls voraus. Richtige Entscheidung, hier weiterspielen zu lassen.
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Szene 3: Philipp Hoffmann (Preußen Münster) kommt nach einem Laufduell mit Steffen Puttkammer (1. FC Magdeburg) im Strafraum zu Fall und fordert einen Elfmeter. Schiedsrichter Frank Willenborg lässt die Partie weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 1:21:30]
Babak Rafati: Es wird im Strafraum immer häufiger versucht, den geringsten Kontakt zum Anlass zu nehmen zu Fall zu kommen und einen Strafstoß einzufordern. Der Schiedsrichter steht gut zum Vorgang und sieht richtigerweise, dass Puttkammer zwar seinen Arm im Zweikampf heraus nimmt, dieser Einsatz aber absolut fußballtypisch ist. Von einer klassischen Schwalbe kann man auch nicht sprechen. Eine richtige Entscheidung, nicht auf Elfmeter zu entscheiden.
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Szene 4: Nach einem Foulspiel im Mittelfeld unterbricht Schiedsrichter Christian Dietz die Partie, kurz danach schubst Christian Groß (VfL Osnabrück) Gegenspieler Maximilian Jansen (Hallescher FC) um. Die HFC-Spieler fordern aufgrund einer vermeintlichen Tätlichkeit Rot, Dietz zeigt aber nur Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 13:50]
Babak Rafati: Der Schiedsrichter steht seht gut und kann die Szene somit optimal bewerten. Sehr gut, dass er sofort präsent ist und somit präventiv einwirkt, um weitere "Bekanntschaften" zu unterbinden. Er nimmt sich die nötige Zeit, beruhigt und gibt anschließend völlig zurecht die Gelbe Karte. Groß schlägt nicht, sondern stößt nur kurz mit dem Arm gegen die Brust seines Gegenspielers. Jansen lässt sich daraufhin sehr theatralisch fallen und fasst sich dann auch noch ins Gesicht. Hier hat der Schiedsrichter genau erkannt, dass eine sogenannte Unsportlichkeit und keine Tätlichkeit vorliegt. Kompliment insbesondere für das souveräne Management dieser sich anbahnenden Rudelbildung und die anschließend richtige Entscheidung
Szene 5: Steven Lewerenz (Holstein Kiel) kommt nach einem Zweikampf mit Julian Leist (SG Sonnenhof Großaspach) im Strafraum zu Fall, die Pfeife von Johannes Huber bleibt stumm. [TV-Bilder – ab Minute 1:45]
Babak Rafati: Der Schiedsrichter steht optimal und entscheidet zunächst einmal richtigerweise, dass kein Foulspiel vorliegt. Leist zieht klug zurück und verhält sich anschließend sehr sportlich, indem er noch nicht einmal eine gelbe Karte für seinen Gegenspieler Lewerenz einfordert. Hier liegt aber eine klassische Schwalbe vor und es wäre optimal gewesen, diese Spielweise mit einer Gelben Karte zu belegen, was die Regel auch einfordert. Richtig, hier nicht auf Strafstoß zu entscheiden, falsch aber, bei einer klaren Schwalbe nicht Gelb zu zeigen.