Ulm vor Durchmarsch: Wenn nicht jetzt aufsteigen, wann dann?

Unbesiegt in 2024, unverwundbar in den Spitzenspielen, unantastbar dank Schlüsselspieler Scienza in Topform: Der SSV Ulm 1846 steht vor dem Durchmarsch in die 2. Bundesliga. Warum dieser Erfolg mit kleinem Geld so hoch zu bewerten ist und wer noch an den Erfolgskapiteln geschrieben hat.

Gelingt erneut Historisches?

Durchmarschieren – man kennt es in Ulm. Arg viel hat sich im Donaustadion seit besagter Saison 1998/99 ja auch gar nicht verändert: Immer noch glänzen die nicht überdachten Stehplatzkurven im süddeutschen Sonnenuntergang, immer noch wird es im Sommer drückend heiß unter dem Dach der Längsseiten, wo sich die alten Betonpfeiler mächtig aufheizen. Damals, 1999, stieg der SSV von der damaligen drittklassigen Regionalliga binnen zwölf Monaten in die Bundesliga auf – nicht mehr und nicht weniger als eine Sensation, auch wenn danach der rasante Absturz eingeleitet wurde. Und jetzt? Alles deutet darauf hin, als würden Thomas Wörle und sein Team wieder Historisches schaffen, dieses Mal von der vierthöchsten Spielklasse in die 2. Bundesliga springen. Die Konkurrenz kann jedenfalls nicht Schritt halten, und das 2:0 über Preußen Münster hat am Samstag alle Ambitionen untermauert.

Sollte der Aufstieg gelingen, wie ließe sich diese Geschichte erzählen? Über wen müsste das längste Kapitel geschrieben werden? Vielleicht über den, der sich über die Distanz einer gesamten Saison als der gefährlichste Offensivspieler der 3. Liga hervortun dürfte: Leo Scienza, der Brasilianer, der einst aus Schweden zum FC Schalke 04 kam, in Magdeburg degradiert wurde und nun mit Tempo, Spielwitz, Übersicht und Torgefahr unaufhaltsam wirkt. Vielleicht aber auch über Trainer Wörle, Sympath und Pragmat zugleich – kein anderer holt so viel aus den gegebenen Möglichkeiten wie er.

Thiele als Strippenzieher

Oder ist es der Strippenzieher im Hintergrund, Geschäftsführer Markus Thiele? Der Ex-Rostocker kam im Sommer 2021 zum damaligen Regionalliga-Vierten, der sich im Folgejahr erst knapp einer gewissen Spielvereinigung Elversberg geschlagen geben musste und jetzt – fast schon folgerichtig – auf die südwestdeutsche Durchmarsch-Fährte der Saarländer angesprungen ist. Thiele, der die Geschicke mittlerweile als beeindruckende One-Man-Show leitet, ist beim Erarbeiten eines Mannschaftsprofils für den Fokus auf ein Wertesystem bekannt. Gezielt lockte er mit einem Etat von kolportierten dreieinhalb Millionen Euro (Dynamo Dresden soll rund 9 Millionen Euro in den Profibereich investiert haben) Spieler an die Donau, die sich hervorragend in das bestehende Aufsteiger-Gerüst um lokale Heroen wie Johannes Reichert und Christian Ortag einfügten. Das Ergebnis ist nicht nur Wundergriff Scienza, sondern auch Namen wie Bastian Allgeier, Tom Gaal und Max Brandt. Aufstrebende Kicker, die sich rasch akklimatisierten und schon jetzt zum obersten Drittliga-Regal zählen. Chapeau!

Angesichts des Sieben-Punkte-Vorsprungs auf Platz 3 dürfen die Fässer in den Bier- und Weinkellern der etlichen Ulmer Altstadt-Lokalitäten fast schon kaltgestellt werden. Zumal der Aufstieg bereits im April feststehen könnten. Bereits am kommenden Spieltag könnte der SSV, es klingt völlig unwirklich, den letzten in Schlagdistanz verbliebenen Verfolger aus Regensburg (derzeit ein Punk hinter Ulm) beseitigen – ganz so, wie es am Samstag gegen letztlich überforderte Münsteraner Mitaufsteiger schon gelungen ist. Der Landespokal am Dienstagabend gegen die Stuttgarter Kickers (die sich wiederum in Ulmer Fußstapfen vortasten und von der Oberliga in die 3. Liga durchmarschieren könnten!) ist fast zu vernachlässigen, weil Platz 4 und damit die DFB-Pokal-Qualifikation über die Drittliga-Tabelle kaum noch zu nehmen ist (derzeit neun Punkte Vorsprung). Der Abschluss gegen Freiburg II, Köln, Dortmund II und Verl sieht maximal machbar aus. Hier kann Ulm sich nur noch selbst schlagen.

Ulm hat alle Trümpfe in der Hand

Also: Was spricht eigentlich noch gegen die 2. Bundesliga? Die Argumente werden, auch mit Blick auf die Konkurrenz, immer weniger. Die Sorgen vor Dynamo Dresden, zum Jahreswechsel noch zehn (!) Punkte voraus und nun sieben Zähler zurück, werden immer kleiner, Münster wirkt geschlagen, einzig der 1. FC Saarbrücken könnte mit einer Mega-Serie noch heranrutschen. Er ist einer der wenigen Klubs, gegen die Ulm im Saisonverlauf in zwei Anläufen nicht mindestens einmal gesiegt hat. Wenn nicht jetzt aufsteigen, wann dann? Der SSV Ulm 1846 hat alle Trümpfe in der Hand, noch dazu am Rand der Schwäbischen Alm die Fans geweckt. Jetzt gilt es einzig, den bemerkenswerten Triumph wie einst Elversberg, Regensburg, Würzburg und Leipzig noch über die Ziellinie zu tragen. Die Chancen stehen ausgezeichnet.

   

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