1. FC Magdeburg auf Zweitliga-Kurs: Zahl 37 als Glücksbringer?

Nur wenige Drittligisten finden derzeit ein Mittel, dem 1. FC Magdeburg beizukommen, angeschlagene Münchner Löwen erlebten am Samstag gar ihr blau-weißes Wunder gegen den Herbstmeister. Drei Pflichtspiele hat die Titz-Elf noch vor sich, dann ist ein fast perfektes Jahr 2021 Geschichte.

FCM als Musterbeispiel

Es ist nicht einmal ein Jahr her, da mussten sich die Verantwortlichen des 1. FC Magdeburg ganz ernsthaft mit dem Szenario Regionalliga auseinandersetzen. Bis auf den letzten Platz war der FCM in der 3. Liga durchgereicht worden, das Weihnachtsfest war so trüb wie lange nicht, unter Trainer Thomas Hoßmang wollte sich trotz aller Geduld die erhoffte Entwicklung nicht einstellen. Wer im Magdeburger Umfeld heute, in der Adventszeit 2021 an diese Phase zurückdenkt, der wird nur ungläubig staunen, was sich seitdem getan hat: Der Klub aus Sachsen-Anhalt ist zum Musterbeispiel mutiert, wie sich aus einer vermeintlich aussichtslosen Lage mit wenigen, aber dafür goldrichtigen Entscheidungen nicht nur hinausmanövrieren, sondern eine womöglich sehr erfolgreiche neue Ära einleiten lässt.

Noch ist nichts gewonnen in dieser Saison 2021/22. Oder, um es zu präzisieren: nichts, womit am Ende angegeben werden kann. Die Herbstmeisterschaft hat die Mannschaft von Trainer Christian Titz beeindruckend souverän eingefahren, 1860 München beim 5:2-Sieg im dessen eigenem Stadion zumindest in einer Halbzeit derart deklassiert, dass nun dort – inklusive der kuriosen Freistellung von Kapitän Sascha Mölders – Angst und Aktionismus vorherrscht. 5:0 führte der Fußballclub an einem speziellen Wochenende im deutschen Profifußball zur Pause, ein historischer Zwischenstand, den es von einer Auswärtsmannschaft in der 3. Liga noch nie gegeben hatte. Mit Schmunzeln wird mancher FCM-Profi die umso spektakulärere Dublette des SC Freiburg in Mönchengladbach am Sonntagabend auf dem Sofa verfolgt haben – Freiburg führte schon zum Seitenwechsel sogar mit 6:0 in der Fremde. Hatten sie sich diesen "Überfall" von Magdeburg abgeguckt?

Furiose neun Monate mit 67 Punkten

Welches Maß an Ehrgeiz bei den Beteiligten vorhanden ist, zeigten die ersten Reaktionen nach dem Erfolg – die Gegentore als Schönheitsfehler störten den Spitzenreiter durchaus. "Da geht man etwas enttäuscht vom Platz", sagte Titz ohne eine Spur von Hochmut, er hatte schlicht gerne zu Null spielen wollen. Den Status als vorzeitiger Herbstmeister, mit zwei Punkten aus den weiteren drei Spielen (inklusive Nachholpartie beim FSV Zwickau) würde der FCM auch definitiv als Spitzenreiter überwintern, wollte Titz gar nicht überbewerten. Kaufen könne man sich davon ja nichts, stellte er zurecht fest – wenngleich in der Drittliga-Historie elf von 13 Herbstmeistern am Ende aufgestiegen sind. Bescheidenheit, die gut tut – obgleich das Gerüst längst so stabil wirkt, dass ein plötzlicher Leistungsabfall unerwartet käme.

37 ist die Zahl der Stunde: So viele Punkte hat der FCM nicht nur in der zweiten Jahreshälfte, sprich in der laufenden Saison gesammelt, sondern ebenso bereits in den 23 Spielen von Januar bis Mai. Ergibt insgesamt 74 Punkte in einem bis dato sensationelle verlaufenen 2021, für 67 davon zeichnete Christian Titz seit dem 4:2-Auswärtssieg bei Viktoria Köln am 2. März verantwortlich. Völlig furiose neun Monate liegen seither hinter den Blau-Weißen, auch seit Otmar Schork im Winter die sportliche Führung übernommen hat und sich Mario Kallnik auf die rein geschäftsführende Tätigkeit konzentriert. Seitdem ist es – selbstverständlich auch erfolgsbedingt – viel ruhiger geworden, das Vertrauen in Schork ist riesig. Und das hat er sich erarbeitet: Die ersten beiden Transferphasen brachten manchen Volltreffer mit sich, die Verlängerung von Winterzugang Baris Atik war ein Coup und hält bisher absolut, was sie versprach.

Parallele zur Aufstiegssaison 2017/18

Eine hübsche Anekdote schreibt die jüngere Geschichte. Denn als der 1. FC Magdeburg die 3. Liga zum ersten Mal nach oben verließ, das war in der Saison 2017/18, da stand nach 17 Spielen auch die magische 37 auf dem Konto. Zwar reichte das damals (noch) nicht für die Spitzenposition, weil sich FCM und der SC Paderborn ein beeindruckendes Rennen lieferten. Ein halbes Jahr darauf aber kürte sich Magdeburg zum Meister mit 85 Punkten – und beging dann manchen Fehler, der zum Scheitern in der 2. Bundesliga führte. Gerne würden all die Absteiger von damals , aus dem Spielerkreis ist nach mehreren personellen Umbrüchen einzig Kapitän Tobias Müller übrig, sich jetzt den zweiten Anlauf erarbeiten und die zweite Liga, die mit Rostock und Dresden bereits zwei Schwergewichte aus den Osten beinhaltet, abermals aufwerten.

Auch wenn der Weg noch weit, Verfolger wie Braunschweig, Mannheim, Saarbrücken und Kaiserslautern noch alles zuzutrauen ist: Die Chance, die da auf dem Teller liegt, ist groß wie selten, denn Qualität, Selbstvertrauen und das sportliche Momentum gehen ineinander über. Selbst ohne die aktive Unterstützung der Fans, auf die die Spieler je nach pandemischer Lage vielleicht noch einige Monate verzichten müssen, ist die Ausgangslage beeindruckend gut. Bewahrt der FCM einen kühlen Kopf, wird er diese Liga in sechs Monaten wieder verlassen. Und das nicht in die Richtung, nach der es heute vor einem Jahr ausgesehen hatte.

   

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