Fabian Klos: "Normal geht hier scheinbar nicht"
Ein allerletztes Mal wird er heute noch erwähnt werden, der 19. Mai 2014, die 122. Minute in der Relegation gegen den SV Darmstadt 98 und der damit verbundene Abstieg des DSC Arminia Bielefeld in die 3. Liga. Beinahe exakt ein Jahr später, am 16.Mai 2015 ist der Traditionsklub aus Ostwestfalen wieder in Deutschlands zweithöchster Spielklasse. Am Ende der Saison steigt der DSC also wieder auf und macht den Betriebsunfall aus dem Vorjahr wieder gut. Nach einer überragenden Saison brauchte es am Ende den unbedingten Willen, um den Kopf und die müden Beine doch noch zu besiegen und den letzten Schritt zu gehen.
Der Wahnsinn von Bielefeld
Das Spiel gegen den Tabellenletzten aus Regensburg avancierte dabei zum absoluten Spiegelbild der Abstiegssaison aus der 2. Liga und die Befürchtungen um ein erneutes Drama wurden mehr geschürt, als man hätte erwarten können. Die bereits abgestiegenen Gäste aus Bayern überzeugten mit einem mehr als couragierten Auftritt und zeigten besonders im Spiel nach vorne gefällige Passagen und eine dicke Möglichkeit nach 25 Minuten, die Hemlein auf der Linie vereitelte. Nur fünf Minuten später wurde die SchücoArena dann allerdings zum Tollhaus. Christian Müller setzte sich im 1-gegen-1 gegen Windmüller durch und schloss ab, der abgewehrte Schuss landete bei Fabian Klos, der zum 1:0 verwandelte. In der Folge kontrollierte die Heimelf das Geschehen und ließ bis zur Pause nichts mehr anbrennen.
Testroet wird zum Helden
Mehr als kleinere Gelegenheiten in der Offensive sollten nicht mehr zustande kommen, wenngleich die Gäste immer wieder ihre gute Einstellung erkennen ließen. Dieses Bild setzte sich auch nach dem Seitenwechsel fort. Der DSC kam über Hemlein, Müller und Klos zu kleineren Gelegenheiten, ohne den Sack aber zuzumachen. Was dann folgte, kann wohl nur in Bielefeld geschrieben werden. Die mittlerweile abgetauchten Gäste schlugen mit einem Doppelschlag in der 78. und 80. Minute zurück, drehten das Spiel und stellten es völlig auf den Kopf. Ein langer Ball, ein Kullerball, eine zu kurze Kopfballabwehr, ein abgefälschter Schuss – quasi das gesamte Phrasenschwein der "unglücklichen" Gegentore. Der Schock stand den Spielern ins Gesicht geschrieben. Sollte das Drama aus der Vorsaison etwa wiederholt werden? Nach 81 Minuten ein Platzverweis für den Jahn und noch einmal Aufbruchstimmung in Ostwestfalen. Alles warfen Norbert Meier und sein Team nun nach vorne, brachten den bereits als Abgang feststehenden Testroet für den gerade erst eingewechselten Brinkmann. Wieder nur zwei Minuten später gab es Elfmeter für Arminia, der dann zurecht zurückgenommen wurde. Nicht Lachheb, sondern Testroet hatte den Ball mit der Hand gespielt. Der Pfiff und der Fingerzeig zum Punkt ließen kurz Jubel aufbranden, bevor Harm Osmers seine Entscheidung revidierte. Wieder nur drei Minuten später dann noch ein letztes Mal der Spitzenreiter. Eine Ecke von Dick fand am langen Pfosten ausgerechnet Testroet und der nickte den Ball aus drei Metern ein.
Bemerkenswert: Testroet war damit bei beiden Aufstiegen des DSC direkt am entscheidenden Tor beteiligt und wird wohl trotz seines Abgangs den Fans in guter Erinnerung bleiben. Und noch etwas gleicht sich dem Aufstieg der Ostwestfalen vor zwei Jahren. Auch damals erzielte mit Christopher Kullmann ein bereits sicher als Wechsel stehender Spieler mit wenig Einsatzzeiten einen der wichtigsten Treffer der Saison beim 2:1-Last-Minute-Sieg gegen den Halleschen FC. Die Alm glich in jedem Fall einem Tollhaus, der Aufstieg in die 2. Bundesliga war perfekt.
"Hatte Tränen in den Augen"
Fabian Klos sackte beim Treffer seines Sturmpartners am ersten Pfosten mental und körperlich völlig ausgepowert zusammen, während der Rest des Teams den Torschützen feierte. Nach dem Spiel gab Klos in der ARD zu: "Normal geht hier scheinbar nicht. Ich hatte auf dem Rasen schon Tränen in den Augen". Und der Kapitän des DSC hat damit den Nagel bei vielen Anhängern auf den Kopf getroffen. Dem grandiosen Aufstieg vor beinahe ebenfalls exakt zwei Jahren, folgte ein Wahnsinns-Saisonauftakt in der 2. Bundesliga mit dem Sprung auf Rang drei. Dann der Absturz, die Trainerentlassung, die Saisonschlussphase und der Sieg in Dresden, der die Ostwestfalen in die Relegation brachte. In dieser schien man schon sicher die Klasse zu halten, bis … – die Geschichte ist bekannt.
Der Weg zurück
Ein absolutes Spiegelbild der Partie gegen den Jahn. Der Stamm der Mannschaft blieb allerdings trotz dieses Dramas zusammen. Klos, Salger, Schütz, Burmeister oder Müller blieben der Arminia treu. Der Neuanfang in der Liga begann schleppend, es folgte grandioser Fußball, ein souveräner Tabellenführer der Liga, der nebenbei noch ins DFB-Pokal-Halbfinale einzog. Und dann die beiden Spiele gegen Kiel und Wiesbaden mit bitteren Rückständen und der erneuten Furcht vor dem verpassten Ziel. Aus diesem Grund war das 1:2-gegen den Jahn wohl noch mehr ein absoluter Schock für alle Anhänger der Bielefelder. Doch am Ende siegte der Wille über den Kopf und die müden Beine, wie auch Tom Schütz via Facebook festhielt: „Ohne Worte!!! So stolz auf dieses Team. Nur der DSC. Nie mehr 3.Liga." Arminia Bielefeld steht wieder in der 2. Bundesliga und das verdient. Die berühmten Geschichten, die ja bekanntlich nur der Fußball schreibt, werden alle Jahre wieder in Bielefeld geschrieben und das nun wieder eine Klasse höher. Trainer Norbert Meier fasste nach dem Spiel mit einer Spur Sarkasmus das gesamte Gefühlsleben von Spielern, Verantwortlichen und Fans in einem Satz zusammen: "Warum einfach, wenn es auch schwer geht?"