SV Darmstadt 98: Das Gegenstück zum modernen Fußball
Vermutlich läuft die Aufstiegsfeier in Darmstadt in manchen Vierteln der Stadt noch immer. Seit Sonntagnachmittag steht fest, dass die Lilien den Durchmarsch aus 3. Liga in die Bundesliga geschafft haben und in der kommenden Saison den ganz großen Teams in Deutschland die Stirn bieten dürfen. Was sich bei den Hessen in den letzten Jahren abgespielt hat und sich auch heute noch auf und neben dem Platz abspielt, ist eine Geschichte für sich und wieder eines der Kapitel, über die man sicherlich noch in einigen Jahren reden wird. Denn der SVD stellt ein absolutes Gegenbeispiel zum modernen Fußball dar.
Auf und nieder – immer wieder
In den letzten acht Jahren haben die Lilien in fünf (!) verschiedenen Ligen gespielt und vier Aufstiege gefeiert. Begonnen hat die Geschichte der ehemaligen "Feierabend-Profis" 2007 mit dem Abstieg in die Oberliga Hessen. Nur ein Jahr später wurde mit dem Aufstieg aus der Oberliga in die Regionalliga und drei Jahre später in die 3. Liga ein Sprung über zwei Ligen realisiert. Aus der 3. Liga waren die Darmstädter dann eigentlich 2013 abgestiegen, doch aufgrund des Lizenzentzuges des Rivalen Offenbacher Kickers erhielt man die Spielberechtigung für Deutschlands dritthöchste Spielklasse dennoch. Wiederum nur 12 Monate später stand man auf einmal in der Relegation zur 2. Bundesliga und vergeigte das Hinspiel am heimischen Böllenfalltor gegen Arminia Bielefeld mit 1:3. Der Aufstieg wurde schon abgeschrieben, doch setzte man sich in der wohl denkwürdigsten Relegation der Geschichte noch gegen die Ostwestfalen mit 4:2 nach Verlängerung durch und marschierte in die 2. Bundesliga. Heute sind wieder nur 365 Tage vergangen und der Traditionsklub vom "Bölle" hat sich bis in die Bundesliga katapultiert. Ein Wahnsinns-Durchmarsch der letzten acht Jahre mit zwei Abstiegen und vier Aufstiegen.
Party ohne Grenzen
Die Feierlichkeiten zum Erreichen der Bundesliga werden wohl noch mindestens bis zum 1. Spieltag andauern. Mit Auto-Korso und Party auf dem Rathaus-Balkon feierten die, nicht mehr ganz nüchternen, Fans, Spieler und Verantwortlichen ausgelassen über den gesamten Pfingstmontag. Für das Team ging es im Anschluss direkt weiter in den Urlaub nach Mallorca. Aufstiegs-Held Tobias Kempe war auch am Montag noch völlig überwältigt: „Ist das ein Märchen? Erste Liga mit Darmstadt 98! Wer hätte das gedacht? Keiner! Wir haben immer an uns geglaubt. Jetzt können sie mir erstmal alle einen ausgeben auf Malle“. Auf dem Rathausplatz skandierten die Fans und die Spieler den ein oder anderen Aufstiegsslogan: "Und schon wieder aufgestiegen SGD". Niemand hatte mit dem Erfolg gerechnet, doch mit Beständigkeit, Kampf und Leistungsbereitschaft mauserten sich die Aufsteiger zum Aufsteiger. Kult-Spieler Marco "Toni" Sailer rang gegenüber dem "ZDF" um Fassung: „Wir wollten drin bleiben. Jetzt steigen wir auf“. Ein wenig Satire sei an dieser Stelle erlaubt, immerhin haben die Lilien ihr Saisonziel "Klassenerhalt" ja nun verfehlt und dürfen im nächsten Jahr nicht mehr in der 2. Bundesliga spielen.
Entgegen dem Millionentrubel
Insgesamt deutet sich mit dem SV Darmstadt 98 mal ein völlig neuer Bundesligist an, der ohne große Wirtschaftskraft den Aufstieg erreicht hat und sich nicht in einer kürzlich erbauten Arena auf die neuen Aufgaben freut. Insbesondere um das gute alte "Böllenfalltor" gab es zuletzt mehrfach verschiedenste Berichte: "Schimmel in den Kabinen, kalte Duschen und eine ganz, ganz eklige Darmstädter Mannschaft!", antwortete Dominik Stroh-Engel bei "SPORT1" auf die Frage, worauf sich die Bundesliga am Böllenfalltor einstellen kann. Das Stadion weißt an manchen Stellen schon deutlich sichtbare Mängel auf, sodass die Zuschauerkapazität von ehemals 30.000 schon auf 16.500 gesenkt wurde. 80 Prozent der Plätze sind Stehplätze, VIP-Logen oder Luxus-Extras fehlen auf dem Gelände gänzlich. Die "ZEIT" betitelte den Aufstieg der Lilien als "Zeit für Fußballromantiker". Der eine oder andere Millionär der Bundesliga wird sich jedenfalls umschauen, wenn er zum Auswärtsspiel nach Darmstadt anreist. Aber auch sonst ist beim SVD vieles anders. Die meisten Mitarbeiter waren bisher ehrenamtlich tätig. Aber die Lilien wären nicht die Lilien, wenn sie es eben einfach anders machen, als der Rest von Fußball-Deutschland. Denn ansonsten spielt man eher selten innerhalb von acht Jahren in fünf Ligen und ab August dann in der Bundesliga.