Saisonvorschau Kiel: Mischen die Störche erneut die Liga auf?

Bevor die 3. Liga am Freitag, den 24. Juli in die neue Saison startet, blickt liga3-online.de auf die 20 Drittligisten und schätzt die Chancen der Teams ein. In der heutigen Ausgabe werfen wir einen Blick auf Holstein Kiel.

So lief die Vorbereitung

In den ersten Testspielen gegen die unterklassigen Gegner VfR Laboe (11:1), Bredstedter TSV (12:0) und PSV Neumünster (6:0) fuhr Holstein Kiel souveräne Siege ein, die aber auch in dieser Höhe zu erwarten waren. Gegen die Zweitvertretung von Hertha BSC gab es einen 2:1-Erfolg, im Finale des Schleswig-Holstein-Pokals aber musste die Mannschaft von Trainer Karsten Neitzel gegen den Regionalligisten VfB Lübeck eine 0:1-Niederlage hinnehmen. Vor dem Spiel gab es Unruhen zwischen den Fanlagern, die Partie wurde verspätet angepfiffen – und besaß sportlich nicht die ganz große Aussagekraft, da beide Teams schon vorher als DFB-Pokal-Teilnehmer feststanden. Dennoch dürfte diese Niederlage gegen den Erzrivalen einen bitteren Beigeschmack im Holstein-Lager hinterlassen haben.
Schwerer aber dürften vor dem Auftakt ohnehin gegen Mainz II die Verletzungssorgen wiegen. Keeper Kenneth Kronholm (Kapsel-und Bänderverletzung im Knie), Milad Salem (Kreuzbandriss), Evans Nyarko (Faserriss am Hüftbeuger) und Saliou Sané (Innenbandanriss) dürften am 1. Spieltag sicher fehlen, Maik Kegel (muskuläre Probleme), Fabian Arndt (Aufbautraining nach Innenbandriss) und Neuzugang Dominik Schmidt (Nasenbeinbruch) sind derzeit nicht voll einsatzfähig.

Transferperiode

Zugänge Abgänge
Rafael Czichos (RW Erfurt) Rafael Kazior (Werder Bremen II)
Milad Salem (VfL Osnabrück) Chris Kröhnert (TSV Schilksee)
Saliou Sané (SC Paderborn) Marcel Kohn (Lüneburger SK)
Dominik Schmidt (Preußen Münster) Fiete Sykora (ETSV Weiche Flensburg)
Denis Weidlich (Hansa Rostock) Mikkel Vendelbo (Silkeborg IF)
Evans Nyarko (Borussia Dortmund II) Patrick Auracher (Wormatia Worms)
Bernd Schipmann (Schalke 04 II) Patrick Breitkreuz (Energie Cottbus)
Louis Mandel (eigene A-Jugend) Fabian Wetter (Ziel unbekannt)
Fabian Schnellhardt (MSV Duisburg) Marcel Gebers (Ziel unbekannt)
Manuel Janzer (1. FC Heidenheim) Maximilian Riedmüller (Ziel unbekannt)

 

Eigentlich hatte Holstein Kiel den Kader frühzeitig beisammen. Nach dem langfristigen Ausfall von Neuzugang Milad Salem, der mit einem Kreuzbandriss mindestens ein halbes Jahr pausieren muss, ließ der Sportliche Leiter Ralf Heskamp offen, ob Kiel nochmal auf dem Transfermarkt tätig wird. Tatsächlich aber ist der Kader so stark besetzt, dass der Ausfall durchaus so aufzufangen wäre und ein Transfer überraschen würde.

Auf diesen Spieler sollte man achten

Saliou Sané, der schon im letzten Jahr auf Leihbasis für Kiel auflief und nun fest verpflichtet wurde, kam aufgrund von Verletzungen in der abgelaufenen Spielzeit nur auf 15 Einsätze. In der Vorbereitung aber präsentierte sich der dynamische Angreifer in toller Frühform und ist mit sechs Treffer auch bester Torschütze der Vorbereitung. Umso ärgerlicher ist nun sein erneuter Ausfall, schließlich war er auf dem besten Wege, sich im  Kampf um einen Stammplatz gegen die etablierten Marc Heider und Manuel Schäffler zu behaupten. Sané bringt mit 1,87-Metern Gardemaß für einen Mittelstürmer mit, kann aber aufgrund seiner Schnelligkeit und seiner technischen Fähigkeiten auch als hängende Spitze oder auf den Außenbahnen eingesetzt werden. Unser Tipp: Nach seiner Rückkehr wird sich der 22-Jährige über kurz oder lang den Platz neben Schäffler im Angriff sichern, Heider dafür wieder verstärkt über den linken Flügel angreifen.

Stärken

Holstein geht mit einem luxuriös besetzten Kader in die neue Spielzeit. Keeper Kenneth Kronholm zählt zu den Besten seiner Zunft, in der Abwehr kann Trainer Karsten Neitzel auf Trainingseindrücke, Formschwankungen und Sperren nahezu flexibel reagieren. Denn sowohl die Außenverteidiger Patrick Herrmann (rechts) und Patrick Kohlmann beziehungsweise Rafael Czichos (links) als auch die Innenverteidiger Hauke Wahl und Dominik Schmidt könnten schon jetzt in Liga zwei bestehen. Mit Marlon Krause und Denis Weidlich hat Neitzel zudem zwei Allrounder zur Verfügung, die er ohne Qualitätsverlust als Rechts- und Innenverteidiger oder  im defensiven Mittelfeld reinwerfen kann. Überhaupt ist diese sogenannte Polyvalenz eine Stärke der Kieler: Im zentralen defensiven Mittelfeld können an der Seite von Taktgeber Maik Kegel gleich mehrere Spieler auflaufen, auch auf den Außenbahnen stehen Neitzel einige hochwertige Alternativen zur Verfügung. Manuel Schäffler, Marc Heider und Saliou Sanè sind für die Dritte Liga exzellente Angreifer, die ihre Torausbeute aus der vergangenen Saison sicher noch steigern können.

Schwächen

In der abgelaufenen Spielzeit lebte die Mannschaft von Trainer Karsten Neitzel neben der unbestrittenen individuellen Klasse einzelner Akteure und dem ausgezeichneten, weil in Fleisch und Blut übergegangenen Spiel gegen Ball, vor allem vom ausgeprägten Zusammenhalt im Team. Diesen zu erhalten, dürfte das ganze psychologische Geschick des Trainerstabs fordern, schließlich ist der Kader in dieser Spielzeit noch besser besetzt – da bleiben Härtefälle nicht aus. Ob und wie schnell die Abgänge von Mikkel Vendelbo und vor allem Rafael Kazior kompensiert werden können, ist derzeit noch nicht abzusehen. Schließlich waren beide nicht nur als Spieler, sondern auch als Typen extrem wichtig für das Innenleben der Mannschaft.

Zum Start muss Neitzel den verletzten Keeper Kronholm ersetzen, dafür steht Niklas Jakusch bereit. Der ist zwar ein solider und loyaler Schlussmann, reicht aber an die Klasse von Kronholm nicht heran. Bitter sind auch die Ausfälle von Sané und vor allem Salem, die Holstein Kiel im Spiel nach vorne noch flexibler hätten auftreten lassen.

Die Erwartungen der Fans

Waren die Konstanz und die erfolgreichen Auftritte in der letzten Saison für viele Fans noch eine (freudige) Überraschung, dürften die Erwartungen im Umfeld nun erheblich in die Höhe geschnellt sein. Die Anhänger, ja die gesamte Region,  lechzt nach Spitzensport in der Landeshauptstadt – und möchte diesen nicht mehr nur noch beim THW Kiel vorfinden. Dennoch: Die Zeiten, in denen Holstein Kiel mit aller Macht den Aufstieg in die zweite Liga erzwingen wollte und dabei krachend scheiterte, sind im Umfeld durchaus noch präsent. Stattdessen werden sich die Fans weiter am teamorientierten Fußball á la Neitzel erfreuen und dabei auch auf ihre Kosten kommen.

Fazit & Prognose

Holstein Kiel wird vor dieser Spielzeit nicht zu Unrecht von beinahe allen Experten zu den Aufstiegsfavoriten gezählt. Gelingt es Karsten Neitzel und seinem Team, die Neuzugänge zeitnah zu integrieren, ihnen die – für den Rest des Kaders schon gewohnten – Abläufe einzubläuen und dabei gleichzeitig den Konkurrenzkampf zu fördern, dann wird Holstein Kiel bis zum Ende um den Aufstieg in die zweite Liga mitspielen. Neitzel kann sein Team flexibel formieren und auf Sperren, Formschwächen oder auch das Spiel des Gegners reagieren. Ob 4-4-2 oder eine 4-2-3-1-Formation – der Kader bietet etliche Möglichkeiten, viele Spieler sind gleich auf mehreren Positionen einsetzbar. Zudem hat der Kader durch die Neuzugänge an Tiefe gewonnen, obwohl mit Rafael Kazior und Mikkel Vendelbo zwei unumstrittene Stammkräfte den Verein verlassen haben. Viel wird vom Saisonstart abhängen: Legt die KSV gegen Mainz II, den Halleschen FC und Werder Bremen II einen guten Start hin, dann wird die Euphorie rund um Holstein Kiel keine Grenzen kennen und die Mannschaft angetrieben vom ehrgeizigen Karsten Neitzel und den Lokalmatadoren Tim Siedschlag und Marc Heider die Liga aufmischen.

   

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