Hansa Rostock: Eine Niederlage, die trotzdem Mut macht
Als Marcel Ziemer am Sonntagabend in der 101. Minute für Michael Gardawski das Spielfeld betrat, ahnte er nicht, dass er in der Partie der Hanseaten gegen den 1. FC Kaiserslautern eine tragische Rolle einnehmen sollte. Der ehemalige Lauterer verschoss in einer bärenstarken Partie des F.C. Hansa Rostock im Elfmeterschießen als einziger seines Teams. Die Gastgeber zogen somit erst im Elfmeterschießen (4:5) gegen die Pfälzer den Kürzeren und verabschiedeten sich aus dem DFB-Pokal. Die Pokalpartie vor 20.100 Fans im Tollhaus Ostseestadion glich dabei einem Drama in drei Akten mit dem besseren Ende für die Gäste.
Erster Akt – 90 Minuten Chancen im Minutentakt 0:0
Die Hanseaten, bei denen überraschend der zuletzt angeschlagene Torjäger Marcel Ziemer (Bauchmuskelfaserriss) auf der Ersatzbank saß, begannen mit nur einer Veränderung zum Chemnitz-Spiel: Maximilian Ahlschwede rutschte auf der Rechtsverteidiger-Position wieder in das Team. Dass Trainer Karsten Baumann seine Mannschaft hervorragend auf die Lauterer eingestellt hatte, zeigte sich in den folgenden 90 Minuten. Hansa spielte die Pfälzer an die Wand und erspielte sich Torchance um Torchance. So vergaben Bickel, Gardawski, Perstaller, Gottschling und Jänicke reihenweise Chancen im Minutentakt und scheiterten entweder am hervorragend aufgelegten Gästekeeper, am Gehäuse oder an der eigenen Nervenschwäche. Dem gegenüber standen lediglich zwei Torabschlüsse der Lauterer.
Zweiter Akt – 30 Minuten Verlängerung 0:0
Mit der pausenlosen und begeisternden Unterstützung der Fans ging es für Hansa in die Nachspielzeit, in der Marcel Ziemer in der 101. Minute mit großem Applaus eingewechselt wurde. Dieser bediente dann mit einem guten Auge in der 114. Minute Christian Bickel, der wiederrum am Lauterer Schlussmann scheiterte. "Über neunzig Minuten betrachtet hätte ich den Punkt gerne mitgenommen. Es ist total ärgerlich, dass wir uns nicht belohnt haben. Wir haben einen Riesenkampf hingelegt. Lautern hatte hier gar nichts zu melden gehabt. Wir waren klar besser, aber wenn man die Tore nicht macht, gewinnt man so ein Spiel nicht“, sagte Kapitän Tobi Jänicke nach der Partie.
Dritter Akt – tragisches Ende im Elfmeterschießen 4:5
So kam es, wie es kommen musste: Das Elfmeterschießen entschied an diesem Abend, wer in die 2. Runde des DFB-Pokals einziehen würde. Ausgerechnet Ziemer, der in der vergangenen Saison mit 15 Treffern Rostocks Top-Torjäger war, zeigte Nerven. Er verschoss als einziger Hanseat gegen seinen Ex-Club und war nach dem Schlusspfiff den Tränen nahe. "Wir haben alles gegeben, hatten die besseren Chancen und am Ende kommen die anderen weiter. Das ist Fußball. Das ist ärgerlich. Noch ärgerlicher ist, dass ich den Elfmeter vergeben habe. Es tut mir sehr leid. Aber es muss trotzdem immer weitergehen“, äußerte sich der 30-Jährige sichtlich betroffen nach dem Spiel. "Ich weiß selber, wie hoch die Nervenbelastung nach so einem Spiel ist. Man ist kaputt und soll das eine Ding dann machen. Da gibt es überhaupt keinen Vorwurf an Marcel“, nahm Karsten Baumann seinen Angreifer in Schutz.
Was bleibt?
Auch wenn die Rostocker unglücklich den Kürzeren zogen, war es eine Niederlage, die trotzdem sehr viel Mut macht. Denn sie boten nicht nur einem ambitioniertem Zweitligisten Paroli, Hansa überraschte auch von der ersten bis zur letzten Minute mit Spielwitz, Kampf und vor allem mit grenzenloser Leidenschaft. Die Rostocker Defensive um Abwehrchef Mattias Henn war hervorragend eingestellt und strahlte Ruhe und Souveränität aus. Offensiv erarbeiteten sich die Hanseaten gut herausgespielte Torchancen. Einzig an der Chancenverwertung mangelte es. Erwähnenswert sind zudem die körperliche Verfassung und die Ausdauer des Teams. Über 120 Minuten spielte die Kogge ein sehr hohes Tempo und auch in der Schlussphase der Nachspielzeit kämpfte sogar die Offensive tief in der gegnerischen Hälfte. Hansa muss aus dem – gefühlt besten Spiel seit Jahren – nun das Positive mit rüber in den Ligaalltag nehmen. Die Fans konnte das Team um Karsten Baumann in jeder Hinsicht überzeugen. Die, die nicht dabei waren, verpassten ein denkwürdiges Spiel. Und die, die live im Stadion waren, behalten es gern in Erinnerung – und kommen vielleicht schon am nächsten Spieltag gegen Fortuna Köln wieder.