Strittige Szenen am 9. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati
25 Jahre lang war Babak Rafati Schiedsrichter, 2008 schaffte er es sogar auf die FIFA-Liste. Insgesamt leitete der heute 44-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit- und 13 Drittliga-Spiele. Nun hat Rafati eine neue Aufgabe: Für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter jeden Spieltag die strittigen Entscheidungen des Wochenendes. Nach einer Vorauswahl durch die Redaktion sichtet Rafati das Video-Material und gibt eine kurze Einschätzung zu den jeweiligen Szenen ab und erklärt bei falschen Entscheidungen zudem, wie die Unparteiischen auf dem Platz hätten reagieren müssen. Am 9. Spieltag hat er sich sieben Szenen einmal genauer angeschaut.
Szene 1: Tarek Chahed (Magdeburg) foult Michael Klauß (Aalen), Schiedsrichter Robert Hartmann gibt Freistoß, der zum 1:0 für Aalen führt. [TV-Bilder – ab Minute 0:45]
Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf scheint es so, dass der Aalener Spieler Klauß von seinem Gegenspieler Chahed nicht getroffen wird, dieser aber trotzdem zu Fall kommt. Der Schiedsrichter entscheidet auf Freistoß für Aalen. Aus meiner Sicht eine Fehlentscheidung.
Szene 2: Sebastian Neumann (Aalen) bringt Christian Beck (Magdeburg) im Strafraum zu Fall, Hartmann lässt weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 2:20]
Babak Rafati: Es kommt im Strafraum von Aalen zu einem Zweikampf. Neumann spitzelt dabei den Ball vom Fuß des Magdeburger Angreifers Beck und spielt somit einwandfrei den Ball. Hier liegt ein absolut sauberes Tackling vor, sodass weiterspielen zu lassen eine vollkommen richtige Entscheidung ist.
Szene 3: Matthias Morys (Aalen) foult Christian Beck (Magdeburg) im Strafaum, das Spiel läuft weiter. [TV-Bilder – ab Minute 4:20]
Babak Rafati: Beide Spieler geraten im Aalener Strafraum ins Straucheln und kommen dadurch zu Fall. Sicherlich hat hier auch eine Berührung vorgelegen, jedoch reicht es nicht für einen Strafstoß aus. Hier weiterspielen zu lassen und nicht auf Foulspiel zu entscheiden, ist eine richtige Entscheidung.
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Szene 4: Kevin Conrad (Chemnitz) bekommt den Ball nach einer Ecker an die Hand. Schiedsrichter Florian Kornblum stellt Conrad mit Rot vom Platz und gibt zudem Elfmeter für Großaspach. [TV-Bilder – ab Minute 5:55]
Babak Rafati: Kevin Conrad spielt den Ball bewusst mit dem Arm und somit liegt ein strafbares Handspiel vor. Es gibt korrekterweise einen Strafstoß – somit ist diese Entscheidung richtig. Dadurch, dass ein weiterer Verteidiger auf der Torlinie die Torerzielung verhindert hätte, liegt keine Vereitelung einer glasklaren Torchance, sondern lediglich eine Unsportlichkeit vor, sodass die Rote Karte eine Fehlentscheidung ist. Hier hätte lediglich die gelbe Karte ausgereicht.
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Szene 5: Matthias Henn (Rostock) bringt Evans Nyarko (Kiel) im Strafraum zu Fall, Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus zeigt nicht auf den Punkt. [TV-Bilder – ab Minute 1:45]
Babak Rafati: Beim Laufduell zwischen Henn und Nyarko im Strafraum macht der Verteidiger keine Anstalten den Angreifer foulen zu wollen. Anhand der vorliegenden Fernsehbilder kann ich keinen Kontakt ausmachen, auch nicht in der Zeitlupe. Selbst wenn ein Kontakt erfolgte, wäre es für mich für einen Strafstoß nicht ausreichend. Bei derartigen Szenen, bei denen Zweifel für den Schiedsrichter bestehen, ist es absolut richtig, weiterspielen zu lassen.
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Szene 6: Björn Kopplin (Münster) foult Julius Biada (Köln), Schiedsrichter Sven Waschitzki gibt Elfmeter für die Fortuna. [TV-Bilder – ab Minute 0:40]
Babak Rafati: Der Schiedsrichter ist in angemessener Spielnähe hervorragend positioniert, zudem ist er voll konzentriert auf der Szene, was man an seiner Körperspannung sieht. Daher kann er unter optimalen Voraussetzungen seine Entscheidung treffen. Kopplin tritt knapp innerhalb des eigenen Strafraumes seinen Gegenspieler Biada auf den Fuß, weil er etwas zu spät kommt. Vielleicht spielt er auch ein wenig den Ball. Der Kontakt reicht allerdings aus, um den Angreifer von Köln durch zu Fallbringen zu stoppen und am Weiterlaufen zu hindern. Die Strafstoßentscheidung ist daher eine absolut richtige Entscheidung. Kompliment für das Stellungsspiel und die unterstützend, überzeugende Körpersprache des Schiedsrichters, um die reklamierenden Spieler sehr zügig auf Distanz zu bringen. Vorbildlich und professionell!
Szene 7: Steht Marcel Reichwein (Münster) beim Solo von Heitmeier im aktiven Abseits und schneidet damit dem Abwehrspieler den Weg ab? [TV-Bilder – ab Minute 1:55]
Eine äußerst interessante Szene für die Regeltheoretiker und die Medien. In dieser Szene steht der Münsteraner Spieler Reichwein zunächst einmal abstrakt gesehen im Abseits. Sein Mitspieler Heitmeier legt sich den Ball in den Strafraum vor und läuft hinter diesem her. Die entscheidende Frage für diese Szene ist nunmehr, ob der Spieler Reichwein aktiv ins Spielgeschehen eingreift oder nicht. Dadurch, dass dieser Spieler den Ball nicht berührt, greift er nicht ins Spiel ein.
Dann geht es um die nächste Frage, ob er durch seine Position den Gegner beeinträchtigt und somit eine aktive Spieleinflussnahme erfolgt. Die Verteidiger werden nicht beeinträchtigt, z.B. durch Kreuzen der Wege usw. Ob der Torwart durch die Position des Abseits stehenden Angreifers beeinträchtigt wird, wage ich wegen der Distanz zu bezweifeln. Man muss aber auch immer berücksichtigen, dass diese komplexen Überlegungen immer unter die Rubrik "Nach Ansicht des Schiedsrichters" fallen. Letztendlich ist es für mich unter Zunahme aller Kriterien eine richtige Entscheidung, in dieser Situation weiterspielen zu lassen.