Männel: "Musste öfter an mein Tor denken, als mir lieb war"
Martin Männel, Torhüter des FC Erzgebirge Aue, spricht im Interview mit liga3-online.de über seine Rolle als Mannschaftskapitän, erklärt, warum das Stichwort „Kumpelverein“ auch zur Mannschaft passt und blickt auf das entscheidende Spiel im Abstiegskampf der Vorsaison zurück.
[box type="info"]Der 27-Jährige gehört zu den wenigen Spielern, die dem FC Erzgebirge Aue nach dem Abstieg die Treue hielten. Zudem verlängerte er seinen Vertrag vorzeitig bis 2016. Insgesamt kann Männel auf 240 Pflichtspiele für die Veilchen zurückblicken. In dieser Saison stand er bisher in allen zwölf Partien über die volle Distanz auf dem Platz.[/box]
liga3-online.de: Herr Männel, aktuell steht der FC Erzgebirge Aue auf Tabellenrang fünf. Diese Platzierung würde die Teilnahme am DFB-Pokal bedeuten (Mainz II auf Platz vier wird nicht berücksichtigt). Wenn Sie dies zum jetzigen Zeitpunkt als Saison-Endresultat unterschreiben könnten – würden Sie das Angebot annehmen?
Martin Männel: Nein. Wir haben bis zum Ende der Saison noch viel Zeit. In den Spielen bis zum Winter wollen wir gut punkten und dann die Rückrunden-Vorbereitung mit dem Trainingslager dazu nutzen, uns als Mannschaft noch weiter zu festigen. Mit einer guten Ausgangsposition im Winter können wir in der Rückrunde vielleicht sogar auf noch bessere Plätze schielen. Allerdings befinden wir uns in einen Prozess der Entwicklung, der noch weiter anhalten wird.
Sie sind einer der wenigen Spieler, die dem FCE erhalten blieb und gehören mit nur 27 Jahren schon zu den ältesten Spielern im Kader. Wie fühlt es sich an, ein alter Hase zu sein?
Ich fühle mich nicht als alter Hase. Wenn alles gut geht, kann ich als Torwart noch zehn Jahre oder länger professionell auf dem Fußballplatz verbringen. Ich fühle mich immer noch jung. Dennoch ist es so, dass ein Großteil der Mannschaft aus Spielern besteht, die jetzt in dem Alter sind, in dem ich nach Aue kam. Insofern ist es eine Möglichkeit, mich weiter jung zu halten. Der Umgang mit den Jungs tut gut. Die gewisse Lockerheit, die bei mir und vielen anderen Spielern in der Vergangenheit stellenweise verloren gegangen war, ist wieder eingekehrt. Andersrum kann ich den jüngeren Spielern mit meiner Erfahrung auch ein Stück weit zur Seite stehen.
Seit Saisonbeginn sind Sie Mannschaftskapitän. Inwiefern können Sie während des Spiels als Torwart Einfluss auf das Spiel Ihres Teams nehmen?
Ich nehme 90 Minuten Einfluss. Ich versuche von hinten heraus zu dirigieren, gerade die Abwehrspieler in jeder Situation zu unterstützen und sage ihnen, von wo der Gegner kommt, wo sich jemand frei läuft. Dann nutze ich natürlich die Unterbrechungen im Spiel, um mir auch mal mit jemandem zu sprechen, der nicht in meiner unmittelbaren Nähe auf dem Spielfeld steht. Gerade auch vor dem Spiel, wenn wir den Kreis machen, spreche ich klare Worte zur Mannschaft. Auch in der Halbzeit nutze ich die Möglichkeit, die Stimmung in der Mannschaft anzuheizen oder uns auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen – je nachdem, wie es die Situation erfordert. Viele sehen es kritisch, einen Torhüter als Kapitän zu bestimmen. Aber ich denke, dass es Stürmer oder Mittelfeldspieler als Kapitän gibt, die weniger Einfluss haben, als es bei mir zurzeit der Fall ist.
Nach dem Abstieg aus der zweiten Liga nahm Tomislav Stipic seinen Hut, auch wenn er zuvor noch gegenteiliges angekündigt hatte. Wie hat die Mannschaft dieses Hin und Her miterlebt?
Schwer zu sagen, weil 90 Prozent der Spieler, die an dem Tag noch da waren, jetzt nicht mehr da sind. Am Ende haben bei ihm wohl persönliche Gründe eine Rolle gespielt, über die ich selbst gar nicht so im Bilde bin. Deshalb kann ich mir darüber auch keine Meinung erlauben.
Der Saisonbeginn nach dem Abstieg ist für Aue geglückt. Welcher Anteil des Erfolges ist auf die vielen neuen Spieler zurückzuführen und wie viel auf den neuen Trainer Pavel Dotchev?
Es ist eine absolute Symbiose. Die neuen Spieler bringen sehr viel Qualität mit, und der Trainer hatte mit Situationen dieser Art schon Erfahrung. Auch charakterlich passen wir als Truppe echt prima zusammen. Ich denke, es steckt noch jede Menge Potential in der Mannschaft.
Die Defensive Ihres Teams gehört zu den stärksten der Liga. Warum klappt gerade das Verteidigen in dieser Saison so gut?
Wir arbeiten sehr gut nach hinten, fangen schon im Sturm an den Gegner zu attackieren, lassen somit gar keinen richtigen Spielfluss aufkommen. Außerdem schmeißen wir uns auch vor dem Tor entschlossen in die Bälle, geben bis zum letzten Moment alles, um Gegentore zu verhindern. Dafür ist sich keiner zu schade – deshalb sage ich, charakterlich passen alle zu uns. Zudem spielen viele Jungs das erste Mal Dritte Liga, für sie ist alles neu. Dadurch haben sie einen gewissen Respekt vor der Liga und den Gegnern. Das soll auch so bleiben. Dieser Respekt sorgt dafür, dass man eher an das Leistungslimit heran geht.
Seit dieser Saison haben die Auer Spieler "Kumpelverein" auf der Brust stehen. Ist dieses Stichwort auch innerhalb des Mannschaftsgefüges spürbar?
Absolut. Ich habe schon einige Jahre in Aue und Cottbus gespielt und noch keine Mannschaft miterlebt, die derart ohne Grüppchenbildung klar kommt. Jeder versteht sich mit jedem, auch privat wird viel zusammen unternommen. Das ist eine ganz hervorragende Ausgangssituation, um als Mannschaft erfolgreich zu sein. Deshalb lief es auch von Anfang an besser, als wir uns das vor der Saison haben vorstellen können. Innerhalb der Mannschaft ist es schon so, dass wir alle irgendwo auch Kumpels sind.
Sie haben per Kopfball das letzte Tor der Auer in der vergangenen Zweitliga-Saison erzielt, konnten danach den Klassenerhalt aber nicht mehr schaffen. Wie oft haben Sie noch an diese Szene zurückgedacht?
Eigentlich öfter, als mir lieb sein konnte. Als Torwart träumt man oft davon, einmal per Kopfball kurz vor Schluss den Ausgleich zu machen. Es ist eine Dramatik, die nur der Fußball schreiben kann, dass du solch ein Tor erzielst und sich der Traum erfüllt. Am Ende war es aber bedeutungslos – das musste ich mir auch ganz klar so sagen. Ich habe oft mit meiner Familie darüber gesprochen. Die haben natürlich gesagt, dass ich in meiner Jugend oft solche Tore gemacht habe, es war irgendwie wie früher. Jetzt stehe ich in den Geschichtsbüchern. Dennoch hat das Erreichte mit dem Aufstieg 2010 ein Ende gefunden. Mittlerweile sehe ich es aber als Chance, auch wenn es mir natürlich lieber gewesen wäre, jemand anderes hätte das 2:2 und anschließend noch das 3:2-Siegtor erzielt. Trotz allem – ich habe mein erstes Tor im Profifußball erzielt und bin auch ein bisschen stolz darauf.
Wann wird man Sie wieder in der zweiten Bundesliga spielen sehen?
Hoffentlich schon nächste Saison.