Hinrundenfazit Würzburg: Hollerbach-Elf ist angekommen
"Geduld ist das Vertrauen, dass alles kommt, wenn die Zeit dafür reif ist“, zitierten die Würzburger Kickers auf ihren Weihnachtskarten den Philosophen Andreas Tenzer. Der anvisierte Aufstieg der Rothosen in Liga 3 rang dem Klub wenig Geduld und noch weniger Zeit ab. Bereits im ersten Jahr des ehrgeizigen „3×3 Projekts“ (Ziel war es, in drei Jahren in die 3. Liga aufzusteigen), wurde der Aufstieg in die Tat umgesetzt. Nach 37 Jahren kehrten die Unterfranken wieder zurück in den bezahlten Fußball und sind mittlerweile recht eindrucksvoll in der 3. Liga angekommen. liga3-online.de zieht Bilanz:
Das lief gut
Als Aufsteiger machten sich die Kickers alsbald durch ihre kompakte Defensive einen Namen. In 21 Partien kassierte die FWK-Abwehr gerade einmal 15 Gegentreffer, in keinem Spiel ließ man mehr als zwei gegnerische Torerfolge zu. Zu Null spielten die Rothosen gleich neun Mal, davon sechs Mal 0:0-Unentschieden. Auf die Würzburger Abwehrarbeit ist Verlass, allen voran die beiden Innenverteidiger Richard Weil, Clemens Schoppenhauer, sowie Torwart-Methusalem Robert Wulnikowski spielten eine bis dato konstante und fast fehlerfreie Runde. Neben der kompakten defensiven Grundordnung steht bei Bernd Hollerbach vor allem ein dominantes Auftreten im Vordergrund. Seine Elf spielt zu meist äußerst Ball- und Passsicher und entschlossen im Zweikampf. Insbesondere in der Fremde, wenn die Gegner etwas mehr Räume zulassen müssen, klappt es bei den Unterfranken besonders gut. Vier der bislang fünf Siege fuhren die Würzburger auswärts ein und sind somit sogar die zweitbeste Auswärtsmannschaft der Liga, hinter Ligaprimus Dynamo Dresden.
Das lief nicht gut
Vor der Winterpause vergab Trainer Bernd Hollerbach seiner Mannschaft die Schulnote „2+“ für die erste Halbserie in Liga 3. Im „Fach“ Heimspiele dürften die Kickers, rein ergebnistechnisch, aber kaum über ein „ausreichend“ hinauskommen. In elf Heimpartien konnte nur ein einziger Sieg gefeiert werden (1:0 gegen Erzgebirge Aue). Gegen kompakt und tiefstehende Mannschaften hat der Aufsteiger regelmäßig große Probleme. Das Offensivspiel genügt an schlechten Tagen kaum den Ligaansprüchen. Oft fehlt die entscheidende Durchschlagskraft, Geschwindigkeit und Kreativität im Spiel nach vorne. Auch bei Standards zeigen sich die Würzburger alles andere als effizient. Eckbälle und aussichtsreiche Freistoßsituationen werden mitunter kläglich ausgeführt. Zwei der bislang gerade einmal 18 Treffer konnten nach Standards erzielt werden. Das Offensivproblem nahmen die Kickers mit in die Winterpause, ein anderes hat man Anfang Herbst hinter sich gelassen. Im ersten Saisondrittel kassierte die Hollerbach-Truppe gleich eine Serie von Platzverweisen. Negativer Höhepunkt der drei Roten Karten und einer Gelb-Roten Karte in den ersten sieben Partien, war eine grobe Tätlichkeit von Mannschaftskapitän Amir Shapourzadeh, im Spiel gegen Rot-Weiß Erfurt, wofür der Deutsch-Iraner fünf Spiele gesperrt wurde. Seither mussten die Kickers kein Spiel mehr in Unterzahl bestreiten.
Bewertung der Neuzugänge
Der Aufstiegskader wurde vor der Saison mit zehn neuen Akteuren aufgestockt. Einzig Nachwuchshoffnung Daniele Bruno (Kreuzbandriss) und der dritte Torwart Kenan Mujezinovic spielten bei Hollerbach bislang keine Ligaminute. Voll eingeschlagen haben die beiden Drittliga-Routiniers Richard Weil und Royal-Dominique Fennell. Eine ordentliche Rolle in der breiten Rotation Hollerbachs spielten Paul Thomik, Dennis Russ und Peter Kurzweg. Großes Potential kam vor allem mit Rico Benatteli, Nejmeddin Daghfous und Dániel Nagy in den Kader des Aufsteigers. Über die grundsätzlichen Qualitäten der drei Neu-Würzburger dürfte es kaum zwei Meinungen geben. Dennoch fehlte es allen drei bislang noch an Konstanz, Form und teils Fitness.
Daghfous kam als Kreuzband-Rekonvaleszent zu den Kickers. Nach zwischenzeitlichen Gala-Auftritten, wirkte der begabte Offensivspieler gegen Ende des Jahres zunehmend erschöpft. Fit, aber nicht konstant genug waren die Auftritte Rico Benatellis. Hollerbachs Wunschspieler konnte bislang die hohen Erwartungen nicht erfüllen. Gleiches gilt für den Ungarn Dániel Nagy der sowohl Konstanz, als auch Fitness vermissen lässt. Nach einem hoffnungsvollen Saisonauftakt fehlte der Neuzugang vom ungarischen Meister Ferencvaros wochenlang aufgrund von Adduktorenproblemen.
Bester Spieler
Eine bis dato herausragende Saison spielte Royal-Dominique Fennell, der vor der Saison von den Stuttgarter Kickers an den Dallenberg wechselte. Der 26-jährige ist im Würzburger defensiven Mittelfeld die dominante Figur. Keiner räumt vor der Abwehr so kompromisslos und zuverlässig ab, wie der schwäbische Amerikaner. „Zweikampfmonster“ Fennell spielt auf einem konstant hohen Niveau, konnte sich kurz vor der Winterpause auch endlich mit einem Torerfolg (zum 1:1 gegen Magdeburg) belohnen und ist bei den Rothosen nicht mehr wegzudenken.
Schwächster Spieler
In einer kompakten Würzburger Mannschaft, wäre es ungerecht einzelne Spieler als Schwachpunkt darzustellen. Nicht schwach, aber zumindest weit hinter den Erwartungen liegen die beiden Neuzugänge Rico Benatelli und Dániel Nagy. Ersterer war Hollerbachs Wunschspieler, wirkt aber häufig noch zu phlegmatisch und passiv. Selten gelingt es dem 23-jährigen das Spiel in den entscheidenden Momenten an sich zu reißen. Nicht besser fällt das Fazit für Dániel Nagy aus. Der 24-jährige wurde als „Dreh- und Angelpunkt in der Offensive“ geholt, konnte die Erwartungen bisher – auch verletzungsbedingt – nicht erfüllen.
Fazit
Die Würzburger Kickers sind nach 37 Jahren zurück auf der Fußballlandkarte. In kürzester Zeit wurde unter Bernd Hollerbach als Cheftrainer, vieles am Dallenberg erreicht, wovon man vor wenigen Jahren dort nicht einmal zu träumen gewagt hätte. Der ohnehin schon starke Aufstiegskader, wurde nochmals nachhaltig verstärkt. Die Kickers wirkten auf dem Rasen von Beginn an nicht wie ein üblicher Aufsteiger. Auf Anhieb zeigte man sich mit den arrivierten Drittligagegnern auf Augenhöhe. Dennoch musste die komplette Vorrunde über auch einiges an Lehrgeld gezahlt werden. In Sachen Punkteausbeute und Platzierung befinden sich die Unterfranken als Liganeuling völlig im Soll. Trotzdem trauert man den vielen unnötig liegengelassenen Punkten, insbesondere bei den Heimpartien, hinterher. Dem Zuschauerinteresse tat dies aber keinen Abbruch. In der Domstadt scheint man die Sehnsucht nach hochklassigen Fußball nach Jahrzehnten der Abstinenz endlich stillen zu können. Im Schnitt besuchten über 5000 Zuschauer die Heimspiele in der Flyeralarm Arena.
Ausblick
Hollerbach und seine Kickers sind in der Liga angekommen, das steht außer Frage. Nun wird sich zeigen, wie die Mannschaft sich im Verlauf der Rückrunde entwickelt. Die akute Heimschwäche gilt es dringend abzustellen, ansonsten könnte der Aufsteiger doch noch in den Abstiegskampf verwickelt werden. An sich aber genügt das Potential der Mannschaft, auch in Puncto Spielanlage, um problemlos einen guten Mittelfeldplatz in der 3. Liga zu erreichen. Vieles wird auch davon abhängen, wie sich die Elf in Sachen Offensivspiel aufstellt. Mit Neuverpflichtungen für die vakanten Positionen im Angriffszentrum und im offensiven Mittelfeld hielt man sich bislang zurück. Falls ein passender Spieler auf dem Markt ist, der finanziell machbar ist, werden die Rothosen sicherlich zuschlagen. Aber auch ohne einen Hochkaräter für den Angriff, werden die Würzburger Kickers die Klasse vermutlich halten. Davon gehen auch alle im Verein aus, nicht ohne Grund wurde mit Ex-Handballprofi Daniel Sauer kurz vor der Winterpause erstmals ein hauptamtlicher Vorstandsvorsitzender für die ausgegliederte AG verpflichtet.