SSV Jahn Regensburg: Mit Passarelli an die Tabellenspitze
Jahn Regensburg ist mit drei Siegen in die neue Drittliga-Saison gestartet, was einem Aufsteiger noch nie gelungen ist. Das ist umso bemerkenswerter, weil die Oberpfälzer im Abwehrzentrum von enormen Verletzungspech geplagt sind, gegen Halle traten sie ohne einen einzigen gelernten Innenverteidiger an – und dennoch gelang ein überzeugender 2:0-Erfolg. liga3-online.de analysiert die Gründe für den Traumstart.
"Das ist schon extrem"
Für die meisten Jahn-Fans war vor der Saison fraglich, ob der Kader überhaupt die Qualität hat, um in der Dritten Liga bestehen zu können und nicht gleich wieder sang- und klanglos abzusteigen. Nach drei Spieltagen kann das bereits ausgeräumt werden: Die Jahnelf kann definitiv in der Liga bestehen. Hinzu kommt, dass Regensburg schon zu Saisonbeginn mit enormen Verletzungssorgen zu kämpfen hat: Alle fünf etatmäßigen Innenverteidiger sind verletzt! Vier Akteure, Ali Odabas, Sebastian Nachreiner, Thomas Paulus und Robin Urban, fielen schon in den ersten beiden Partien aus, neben Kapitän Markus Palionis musste Marvin Knoll im Abwehrzentrum aushelfen, eigentlich Mittelfeldspieler.
Vor dem Spiel gegen Halle dann die Hiobsbotschaft zu Palionis: Auch er wird der Jahnelf jetzt wegen einer Knieverletzung mehrere Wochen fehlen. Für Jahn-Trainer Heiko Herrlich nicht leicht zu begreifen: „Das ist schon extrem, so etwas habe ich noch nie erlebt. Markus wird uns nicht nur als Fußballer fehlen, er ist auch als Mensch enorm wichtig – er ist unser Kapitän!“ Für Palionis musste Sven Kopp auflaufen, defensiver Mittelfeldspieler, zuletzt lange wegen einer Verletzung ausgefallen und davor in zwei Jahren mit gerade mal 219 Pflichtspielminuten für die Profis vom SSV Jahn Regensburg. Keine leichte Aufgabe für die Ostbayern.
Pasquale-Passarelli-Mentalität
Aber Heiko Herrlich ist kein Freund des Jammerns, er fordert von seinem Team, sich für die anderen aufzuopfern, um solche Ausfälle kompensieren zu können. „Jeder ist jetzt gefordert, jeder ist gefragt“, so Herrlich, „die Spieler müssen die Mentalität an den Tag legen, alles für den Verein und die Mannschaft rauszuhauen.“ Als Vorbild nannte er Pasquale Passarelli, der bei den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles mit einer unmenschlichen Leistung Gold gewann. 85 Sekunden lang harrte der deutsche Ringer in der Brücke aus, um vom japanischen Gegner nicht geschultert zu werden – was körperlich nahezu unmöglich ist, noch dazu mit einem verletzten Ellbogen. Genau diese Mentalität fordert Herrlich von seiner Mannschaft in jedem Spiel ein, eine „Pasquale-Passarelli-Mentalität“. Und die Jahnelf nahm sich seine Worte zu Herzen, die Einstellung, die sie in den drei Spielen bisher zeigte, egalisierte den personellen Engpass.
Herrlich brachte vor acht Monaten eine neue Philosophie nach Regensburg. „Die Spieler leben heute nach der Frage ‚Was kann mir der Verein geben? ‘, aber es sollte eigentlich heißen ‚Was kann ich dem Verein geben?‘“, kritisiert er. Beim Jahn haben das seine Spieler bereits verinnerlicht – mit Erfolg! Die Mannschaft tritt als ein Team mit entsprechender Leidenschaft, Kampf und Aufopferungsbereitschaft auf, sodass am Ende nicht ins Gewicht fällt, dass sie ohne Innenverteidiger und Team-Leader Palionis auf dem Platz stehen. Das fiel auch HFC-Coach Rico Schmitt auf: „Geradlinigkeit und Zielstrebigkeit in den Aktionen, die Bereitschaft einen Schritt mehr zu machen. Das war der Unterschied zu uns“, analysierte er nach der Partie auf der Pressekonferenz.
Euphorie trägt den Jahn
Zudem wird der Sport- und Schwimmverein gerade von einer Euphorie getragen. Diese Mannschaft überstand eine schwere Regionalliga-Saison, in der sie von Anfang dem Druck ausgesetzt war, sofort wieder aufsteigen zu müssen. Und das haben sie geschafft, sogar als erster Verein überhaupt schaffte der Jahn den direkten Wiederaufstieg durch die Relegation; das hat zusammengeschweißt. Im Sommer wurden nun Fehler aus der Vergangenheit vermieden und das Team zusammengehalten, mit nur vier externen Neuzugängen gezielt verstärkt. Dass der Saisonstart gegen Rostock erfolgreich verlief und dann in Großaspach mit einer großartigen Moral der zweite Erfolg geholt wurde, spielt den Oberpfälzern in die Karten. Das berühmte Momentum ist auf ihrer Seite, die kniffligen Situationen gehen derzeit für Regensburg aus. Sei es, dass der Freistoß von HFC-Verteidiger Baumgärtel knapp neben das Tor geht, und eine Drangphase überstanden wird, oder dass Brügmann Georges Pass ins eigene Tor lenkt. Glück, das sich Regensburg erzwingt. Und das den Jahn trägt – anschließend beherrschte Regensburg das Spiel.
Marvin Knoll: „Unser Ziel bleibt der Klassenerhalt!“
Der SSV legt also einen Traumstart hin, thront nach drei Spieltagen an der Tabellenspitze. Regensburg wird aber sicher nicht durch die Liga marschieren, und das wissen sie auch. „Die Tabellenführung ist wirklich schön, ich freue mich sehr. Aber wenn wir jetzt zu träumen anfangen, ist die Fallhöhe sehr hoch. Unser Ziel ist und bleibt der Klassenerhalt – die Tabelle sagt jetzt eh noch gar nichts aus“, erklärte Not-Innenverteidiger Marvin Knoll anschließend im Interview mit dem Regensburger Fanradio Turmfunk. Auch sein Trainer tritt zurecht auf die Bremse und verweist darauf, dass nicht Gold ist, was glänzt. „Das war eine gute Leistung, aber keine sehr gute oder gar überragende Leistung.“ Der Bundesliga-Torschützenkönig von 1995 weiß: „Wenn in Großaspach der letzte Kopfball rein geht, dann geht das Spiel 4:4 aus.“
Die Aufstiegssaison sollte Warnung genug sein: Auch hier gewannen die Rothosen zu Beginn in Serie, sieben Siege waren es Anfang 2015/16, am Ende wurde es trotzdem eng. 45 Punkte bleiben also das Ziel für Jahn Regensburg, von denen man jetzt neun eingefahren hat. Darunter nun auch einige Zähler, die man nicht unbedingt auf dem Zettel hatte – und für die man sich im Verlauf der Saison eine Niederlage mehr leisten kann, ohne in Panik zu verfallen. Herrlichs Mannschaft muss Spiel für Spiel eine solche Leistung abrufen, um auch weiterhin die entsprechenden Punkte zu holen, was definitiv nicht immer der Fall sein wird. Wenn die Regensburger aber mit derselben Mentalität in die weitere Saison gehen, dann werden die noch fehlenden 36 Punkte auch im Laufe der Spielzeit eingefahren werden.