Kommentar SC Paderborn: Schon wieder ein neuer Tiefpunkt
Auch nach zwei Abstiegen in Folge geht der freie Fall beim SC Paderborn ungebremst weiter. Nach vier Liga-Spielen stehen schon wieder drei Niederlagen auf dem Konto, mit der 1:2-Pleite gegen Werder Bremen II ist schon wieder ein neuer Tiefpunkt erreicht. Wenn die Fehler der letzten Wochen nicht konsequent aufgearbeitet und behoben werden und wenn die Kaderplanung nicht umgehend korrigiert wird, dürfte die Talfahrt weiter andauern. Ein Kommentar.
Zwei Gegentore in der Nachspielzeit – Kruse mit Bärendienst
Wer als Fan des SC Paderborn nach dem direkten Durchmarsch von der Bundesliga in die 3. Liga und nunmehr 32 (!) Niederlagen aus den letzten 55 Spielen (in drei verschiedenen Ligen) geglaubt hat, schon alles gesehen zu haben, wurde am Samstagnachmittag eines besseren belehrt: Gegen Werder Bremen II gaben die Ostwestfalen vor heimischer Kulisse eine 1:0-Führung noch her – und zwar mit zwei Gegentoren in der Nachspielzeit! Schien es nach der verdienten Führung in Minute 60 zunächst so, als würde der SCP auch sein zweites Heimspiel der Saison gewinnen, lief spätestens ab der 75. Minute kaum noch etwas zusammen. Statt auf das 2:0 – und damit auf die Vorentscheidung zu gehen -, stellte sich der Zweitliga-Absteiger hinten rein und versuchte im eigenen Stadion eine knappe Führung gegen bis dato sieglose Bremer über die Zeit zu retten. So bettelte Paderborn um das Gegentor und erhielt es in der Nachspielzeit folgerichtig. Hinzu kam, dass ausgerechnet der erfahrene Lukas Kruse seine Nerven kurz vor Abpfiff nicht im Griff hatte und mit einer vollkommen überflüssigen Tätlichkeit, für die er Rot statt Gelb hätte sehen müssen, den zweiten Gegentreffer in Form eines Freistoßes verursachte. Ein Bärendienst!
Taktische Fehler
Auch wenn Cheftrainer René Müller auf der anschließenden Pressekonferenz "absolut kein Verständnis" für die Schlussphase hatte, war es gerade er, der seine Mannschaft in der Schlussphase taktisch falsch eingestellt hatte. Schon unmittelbar nach der Führung hätte er mit Dino Medjedovic oder Tim Mannek eine weitere Offensivkraft bringen müssen, um das 2:0 zu erzwingen. Stattdessen brachte Müller mit Pascal Itter einen nominellen Rechtsverteidiger für den offensivstarken Marc Vucinovic (70.). Anstatt also die Verunsicherung der jungen Bremer, die zu diesem Zeitpunkt vor der vierten Niederlage in Folge standen, auszunutzen, stärkte Müller das Defensivspiel. Medjedovic kam wenig später zwar, allerdings erst in der 82. Minute. Schon in der letzten Saison waren diverse Auswechslungen des 42-Jährigen fragwürdig und kosteten unter anderem gegen Heidenheim und 1880 München wichtige Punkte! Auf einen dritten Tausch verzichtete Müller am Samstag sogar gänzlich. Erneut ein taktischer Fehler, hätte er damit doch wertvolle Zeit von der Uhr nehmen können, da er augenscheinlich ohnehin das 1:0 über die Zeit retten wollte.
Fehlende Alternativen – Kader zu klein
Möglich ist aber auch, dass er den dritten Wechsel verstreichen ließ, da die Alternativen im – ausgerechnet von ihm selbst – zusammengestellten Kader fehlten. Mit Koen van der Biezen zählt nur ein (!) echter Stürmer zum Aufgebot der Ostwestfalen. Überhaupt ist der Kader mit nur 23 Spielern, davon sechs Jugendspielern, viel zu dünn. Nach den Verletzungen von Christian Bickel und Niko Dobros stehen dem SCP derzeit nur noch 15 Akteure mit Profi-Erfahrung zur Verfügung, wovon elf am Samstag in der Startelf standen. Immerhin: Mittlerweile hat Müller erkannt, dass der Kader zu klein ist. Auf der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Werder zog er auf Nachfrage in Betracht, möglicherweise noch einmal auf dem Transfermarkt aktiv zu werden. Dass dies spätestens seit Samstag unumgänglich ist, versteht sich von selbst. Zwei neue Stürmer, ein Zehner und auch ein Innenverteidiger würden dem Sportclub gut zu Gesicht stehen. Darüber hinaus braucht der SC endlich ein konkretes Spielsystem. Bisher entsteht vieles – so scheint es zumindest – eher zufällig.
Wann wird aus den Fehlern gelernt?
Im Nachgang der blamablen Pleite gegen Werder II bleibt festzuhalten: Der SC Paderborn hat es tatsächlich geschafft, Tiefpunkte wie das 0:6 gegen Sandhausen, das 0:4 in Bochum, das 0:4 gegen Union Berlin und den Abstieg aus der 2. Bundesliga nochmals zu unterbieten. Gerade aufgrund dieser Vorgeschichte kann das 1:2 vom Samstag auch nicht als reiner Betriebsunfall, der im Rahmen einer Saison immer mal vorkommen kann, abgetan werden. Vielmehr sollten nun die Alarmglocken schrillen, zumal die Geduld bei den Fans bereits jetzt schon wieder aufgebraucht ist. Nur wenn aus den bisherigen Fehlern (u.a. Taktik und Zusammenstellung des Kaders) gelernt wird – und das war bislang nicht der Fall -, kann der schier endlose Abwärtstrend gestoppt werden. Ansonsten droht schon bald ein neuer Tiefpunkt. Und dass der SCP wenigstens in dieser Disziplin beständig ist, hat er seit dem Bundesliga-Abstieg wahrlich eindrucksvoll unter Beweis gestellt.