Mario Erb: "Das Publikum hat mal wieder drei Punkte verdient"
Mario Erb, Kapitän des FC Rot-Weiß Erfurt, spricht im Interview mit liga3-online.de über den Kapitänswechsel, die Gründe für den aktuellen Negativtrend und verrät, wie die Mannschaft mit der ungewohnt großen Kulisse beim anstehenden Spiel gegen Magdeburg umgeht.
[box type="info"]Hintergrund: Mario Erb ist bei Rot-Weiß Erfurt eine Bank: Erst eine Ligapartie verpasste der 26-jährige Innenverteidiger seit seinem Wechsel von der SpVgg Unterhaching im Sommer 2015 – und das auch nur aufgrund einer Gelbsperre. Nun hat er das RWE-Kapitänsamt übernommen, muss allerdings erstmalig aufgrund einer Verletzung passen.[/box]
liga3-online.de: Hallo Herr Erb! Da haben Sie urplötzlich das Kapitänsamt übernommen und fallen nach nur einem Spiel als Anführer sogleich rund einen Monat aus. Muskelfaserriss, so lautet die Diagnose. Eine bittere Nummer, oder?
Mario Erb: Für einen Spieler ist es nie eine schöne Sache, auszufallen. Ehrlich gesagt spielt es dabei keine wirklich große Rolle, dass ich nun auch das Kapitänsamt ausüben darf. Es freut mich natürlich, dass ich für diese Aufgabe bestimmt wurde. Allgemein aber entwickeln sich im Fußball innerhalb einer Mannschaft flachere Hierarchien, die Rolle des Anführers ist heutzutage nicht mehr so groß wie vielleicht noch früher.
Es sind nach unserer Recherche Ihre ersten Spiele, die Sie verletzungsbedingt bei RW Erfurt verpassen werden. Sie hatten sich unmittelbar nach ihrem Transfer in der vorletzten Sommerpause als Erfurter Dauerbrenner etabliert. Macht Sie das auch ein Stück weit stolz?
In der Tat. Ich habe mich bei meiner dritten Station in der 3. Liga etablieren können, die letzte Spielzeit lief für mich persönlich super. Auch, weil wir in der Rückrunde ergebnistechnisch noch die Kurve bekommen haben und daher eine zufriedenstellende Saison absolviert haben. Da gab es nur eine Gelbsperre, sonst hätte ich die 38 Spiele vollgemacht. Darauf muss ich nun wohl mindestens bis zum nächsten Jahr warten…
Nun ist die Not ziemlich groß im Abwehrverbund: Jens Möckel und auch André Laurito fallen auf unbestimmte Zeit aus, Sie müssen ebenso drei Spiele pausieren. Wen würden Sie als Trainer denn jetzt für die Startelf nominieren?
Mit Jannis Nikolaou, der zuletzt eigentlich immer auf der Innenverteidigerposition spielte, sowie einem vielseitig einsetzbaren Christoph Menz sollten wir noch zwei gute Spieler im Köcher haben. Wenn unser Trainer nicht noch spontan eine neue Idee hat, dürften die beiden wohl spielen – sie haben es im Pokal gegen Schott Jena ja bereits gut gemacht.
Es geht allen voran darum, die einfachen Gegentore abzustellen. Nehmen wir das Beispiel auswärts bei Mainz 05 II – da haben Sie sich im Defensivverbund ein echtes Ei eingefangen.
Die letzten Wochen haben wir uns immer wieder unnötige Gegentore vorwerfen lassen müssen. Sei es in Osnabrück, gegen Duisburg oder nun in Mainz. Allen voran nach Standardsituationen können wir uns noch verbessern, müssen souveräner agieren. In dieser Liga nehmen ruhende Bälle einen unglaublich hohen Stellenwert ein, sowohl in der Defensive als auch in der Offensive.
Sprechen wir noch einmal über eine andere Thematik: Die Übergabe des Kapitänsamtes von Sebastian Tyrala an Sie mitten in der Saison – ein ungewöhnlicher Schritt, so können wir es wohl formulieren. Ist Tyrala bereits vorher auf Sie zugegangen und hat Ihnen den Wunsch mitgeteilt?
Das geschah in der Woche vor dem Spiel in Mainz, kurz vor seiner Verkündung über die sozialen Netzwerke. Für uns kam das sicherlich etwas unerwartet, aber ich habe daraus keine große Sache gemacht. Der Aufgabe nehme ich mich gerne an, in der Mannschaft war das kein sonderlich großes Thema.
Tyrala erklärte die Beweggründe in den sozialen Medien, sprach unter anderem von Beleidigungen und Bedrohungen. Schon in der letzten Saison galt er unter anderem durch verschossene Elfmeter immer wieder als Sündenbock in der Fanszene. War die Reaktion der Anhängerschaft, was seine Person betrifft, zeitweise zu extrem ausgefallen?
Ich kann hier nur für mich sprechen und behaupte, dass ich in Erfurt bisher keine persönlichen Anfeindungen erlebt habe. Gewiss haben wir bei RWE ein eher kritisches Publikum, auch weil die letzten Jahre nicht immer erfolgreich verliefen. Die Zuschauer zahlen Eintritt, also dürfen sie auch pfeifen, wenn ihnen unsere Leistung nicht gefällt. Wer aber persönlich ausfallend wird und Bedrohungen jeglicher Art ausspricht, der sollte sich hinterfragen, ob er im Stadion wirklich richtig ist.
Sie haben zuletzt für Unterhaching und Alemannia Aachen gespielt. Wie stellte sich die Situation dort dar?
In Unterhaching verlief unsere Saison 2014/2015, die bekanntermaßen mit dem Abstieg endete, logischerweise wenig erfolgreich. Medial war die Unruhe im Dunstkreis von dem FC Bayern und 1860 München gering. Auf der Tribüne hörte man hin und wieder schon einmal einen Zuschauer fluchen, aber das war es dann auch. Ganz anders verhielt sich das in Aachen während der Chaos-Saison 2012/2013. Da wurden teilweise die Zufahrten der Spieler versperrt und es hatten sich andere unschöne Dinge zugetragen. Der Gegenwind war ziemlich groß, weil dort ein namhafter Traditionsverein abstürzte.
Schauen wir einmal auf den Verein RW Erfurt und die aktuelle Lage. Nach einem akzeptablen bis erfreulichen Start ging es im September plötzlich steil bergab, RWE trudelte bis ins untere Tabellendrittel. Wie erklären Sie die zuletzt unbefriedigenden Ergebnisse?
Es ist eine unglaublich enge Liga. Vor vier Wochen standen wir noch im oberen Tabellendrittel! Wenige Ergebnisse können eine Mannschaft sehr schnell in der Tabelle hinabspülen. Die Gefahr daran ist, nun in einen Negativstrudel zu geraten, aus dem man nicht wieder hinausfindet. Das gab es in den letzten Jahren etwa in Saarbrücken oder Regensburg, in der vergangenen Saison bei Energie Cottbus oder den Stuttgarter Kickers. Die waren ein Jahr zuvor noch das spielerisch beste Team der Liga und stiegen im Frühjahr trotzdem ab. Wir müssen nun punkten, punkten, punkten – und dürfen keine nachhaltigen Zweifel aufkommen lassen.
Trainer Stefan Krämer sprach zuletzt immer wieder von einer „durchschnittlichen Drittligamannschaft“, wenn es um Rot-Weiß Erfurt ging. Trifft er damit den Kern der Sache oder ist man eher wenig erfreut, dies zu hören? Jeder würde schließlich gerne oben mitspielen.
Ich möchte es so formulieren: Bis auf den MSV Duisburg sehe ich in der 3. Liga nur durchschnittliche Mannschaften. Einige verfügen möglicherweise nochmals über bessere finanzielle Mittel, spielerisch aber nehmen sich die Klubs nicht viel.
Schauen wir auf das nächste Spiel: Gegen den 1. FC Magdeburg sind Sie – das nehmen wir zumindest an – einer von knapp 10.000 Zuschauern im Steigerwaldstadion, die sich diesen Ostklassiker nicht entgehen lassen wollen. Oder?
Also ich werde da sein! Auch als Zuschauer ist diese Begegnung natürlich richtig attraktiv, so voll war das neue Stadion bisher noch nie. Jeder Profi würde grundsätzlich gerne immer vor einem ausverkauften Haus spielen. Aber ganz klar: Ob 5.000 oder 10.000 Besucher da sind, macht einen großen Unterschied.
Wie geht die Mannschaft damit um? Herrscht Vorfreude oder eher Druck? Auch aufgrund des neuen, vollüberdachten Stadions dürfte die Atmosphäre so laut werden wie in Erfurt selten zuvor.
Die Jungs brennen alle auf das Spiel, da können Sie sicher sein. Das Publikum hat mal wieder drei Punkte verdient. Auch wenn mit dem 1. FC Magdeburg ein aktuell wirklich starkes Team kommt. Vor einigen Wochen hatten wir sogar noch einen großen Vorsprung auf den FCM, der sich aber zuletzt mächtig vorgearbeitet hat.
Abschließend noch eine ganz andere Sache, die RWE am kommenden Wochenende ein Stück weit betreffen wird: Die FCM-Anhänger werden zum großen Teil schweigen, denn Magdeburg-Fan Hannes ist seinen schweren Verletzungen erlegen. Haben Sie von dieser Thematik mitbekommen?
Das geht an niemandem vorbei, auch nicht an mir. Es ist unglaublich traurig, dass so etwas passieren konnte. Sich auf den Sport zu konzentrieren, muss für den 1. FC Magdeburg in diesen Tagen unglaublich schwer sein und ich kann mir vorstellen, dass Fans als auch Spielern keine leichten Stunden bevorstehen. In den 90 Minuten auf dem Rasen gilt es, in seinen persönlichen Tunnel zu finden und alles zu geben. Ein stimmungsvolles und faires Duell – das hätte sich sicherlich auch Hannes gewünscht.