Fortuna Köln: Die vier Baustellen des Uwe Koschinat

In der Kölner Südstadt sind die euphorischen Wochen des Saisonbeginns längst verflogen. Spätestens seit der 0:6-Blamage vor zwei Wochen gegen den FSV Frankfurt ist die Fortuna wieder auf dem harten Boden der Tatsachen gelandet. Die Nachwirkungen dieser historischen Niederlage beim FSV waren auch noch am vergangenen Wochenende spürbar. Gegen den VfR Aalen präsentierte sich die Mannschaft von Uwe Koschinat nicht nur verunsichert, sondern auch ideen-, aber vor allem mittellos! Erst jetzt wird deutlich, dass der punktreiche Saisonstart die eigentlichen Probleme kaschiert hat – ein Lagebericht.

Problem I – Der Angriff

Eins aus Drei – Die Rechnung hört sich relativ simpel an, dennoch bereitet sie Uwe Koschinat in dieser Saison von Woche zu Woche große Kopfzerbrechen. Johannes Rahn, Marc Brasnic oder Serhat Koruk – drei potentielle Kandidaten für eine Position ganz vorne im 4-2-3-1-System. Das Problem? Keiner der Drei konnte sich bislang nachhaltig für einen Stammplatz bewerben. Die statistischen Zahlen des Trios sind erschreckend. Nach zwölf Spieltagen ging bislang nur ein mickriges Törchen auf das Konto der drei Stürmer – absoluter Negativwert in der 3. Liga! Bezeichnend, dass der einzige Treffer durch Brasnic auch noch per Elfmeter erzielt wurde. Dabei waren die derzeitigen Probleme vorhersehbar und bekamen erst recht im Laufe der Sommertransferperiode ein erkennbares Profil, als kein adäquater Ersatz nach den Abgängen von Julius Biada und Marco Königs gefunden wurde. Dem offensiven Herzstück beraubt, begaben sich die Vereins-Verantwortlichen auf die Suche nach einem Nachfolger. "Ein erfahrener Spieler, der seine Qualitäten in dieser Liga bereits nachgewiesen hat und uns sofort weiterhelfen kann", formulierte Cheftrainer Koschinat das Anforderungsprofil für den angestrebten Sommer-Einkauf. Dass sich die Suche als schwerfällig herausstellen sollte, war den Verantwortlichen bereits im Vorfeld klar. Dass sie aber auch bis Ende August erfolglos bleiben sollte, hätten Sie vermutlich nicht gedacht. Die Spiele im ersten Viertel der Saison belegen, was der Fortuna in dieser Spielzeit bislang fehlt. Ein echter Neuner, der die gegnerische Abwehr beschäftigt. Ein Stürmer, der mit dem Rücken zum gegnerischen Tor die Bälle festmacht und auch mal mehrere Abwehrspieler auf sich zieht umso Räume für die nachrückenden Kollegen zu schaffen.

Problem II – Rahn in der Dauerkrise

Eigentlich besitzt die Fortuna einen Spieler, der die Anlagen dazu hat diese Rolle auszufüllen. Auch aufgrund des mangelnden Erfolgs auf dem Transfermarkt lagen deshalb die Hoffnungen von Uwe Koschinat auf Johannes Rahn – der Spieler im Kader, der aufgrund seiner Erfahrung und Qualität eigentlich das Selbstverständnis haben müsste unangefochtener Stammspieler zu sein und am Ende der Saison auf eine zweistellige Trefferquote kommen müsste. "Ich bin davon überzeugt, dass ein Johannes Rahn nicht noch einmal so eine schwache Saison spielen wird. Er war im vorletzten Jahr der Garant für den Nichtabstieg und ich glaube, Johannes brennt darauf, daran wieder anzuknüpfen“, stärkte der Cheftrainer noch vor der Saison seinem Stürmer den Rücken. Zurückzahlen konnte Rahn das Vertrauen bislang nicht, enttäuschte vielmehr. Der 30-Jährige schleppt sein Leistungstief aus der vergangenen Spielzeit immer noch mit sich herum. Die Gründe dafür geben Vielen bei der Fortuna Rätsel auf. Seit über einem Jahr wartet der Angreifer mittlerweile auf einen Treffer in der Liga. Der kläglich verschossene Elfmeter am letzten Wochenende war bezeichnend für Rahns derzeitige Situation.

Rückblick – Fortuna und seine Neuner

Was bleibt ist die akute Vakanz in der Sturmzentrale. Wie wichtig aber diese Neuner-Position im Spielsystem der Fortuna ist, zeigt ein Blick in die Vergangenheit. Die zahlreichen Erfolge der jüngeren Vereinshistorie basierten nämlich auch auf richtigen Personalentscheidungen im Angriffszentrum. Seitdem Uwe Koschinat im Sommer 2011 das Ruder in der Südstadt übernommen hat, legt der 45-Jährige auf diese Position besonderen Wert. Ob Steffen Moritz, Thomas Kraus, Ercan Aydogmus oder zuletzt Marco Königs. Alle diese Spieler vereint die Tatsache, dass sie dem „koschinatsen“ Prototyp eines Neuners entsprechen – groß, wuchtig sowie lauf- aber vor allem abschlussstark. Zwar fehlte jedem der Vier ein stückweit die feine, spielerische Note, aber in puncto Einsatzbereitschaft, Laufintensität und Hingabe waren sie vollumfänglich ausgestattet. Dazu waren sie allesamt Typen, mit denen sich die Fans im Südstadion identifizieren konnten. Seit nunmehr über fünf Jahren verfolgt Koschinat dieses erfolgreiche Muster. Die Zahlen der Vergangenheit belegen es. Moritz, Kraus und Aydogmus trafen in den Regionalliga-Jahren stets zweistellig, Königs bestätigte diesen Trend auch in der 3. Liga. In dieser Spielzeit glauben wohl nur noch die größten Optimisten daran, dass Rahn, Brasnic oder Koruk auf eine ähnliche Trefferquote kommen könnten.

Problem III – Kegel und Andersen bleiben unersetzlich

Zugegeben, am Anfang der Saison hat es die Mannschaft geschafft die Angriffs-Schwäche und vor allem die mangelnde Trefferquote zu kaschieren. Hervorzuheben ist dabei insbesondere das offensive Mittelfeld um Cauly Oliveira Souza (vier Treffer, zwei Vorlagen) und Hamdi Dahmani (vier Treffer, vier Vorlagen). Aber bereits im Herbst zeigt sich, dass dieses Konstrukt keine Dauerlösung sein kann. Die seit mehreren Wochen absteigende Formkurve begründet sich auch mit dem verletzungsbedingten Ausfall von Sommerneuzugang Mike Kegel. Der ehemalige Kieler gab der Mannschaft mit seiner Erfahrung in den ersten Saisonspielen genau die Stabilität, welche der Fortuna in der aktuellen Phase abgeht. Dabei war Kegel eigentlich als Back-up für den verletzungsanfälligen Andersen eingeplant. Dessen Bedeutung für die Fortuna ist hinlänglich bekannt. Aktuell fehlen Uwe Koschinat gleich beide Rhythmus-Spieler im Zentrum und von den mögliche Alternativen bietet sich derzeit niemand an.

Problem IV – Der Kopf

Die jüngste Niederlage gegen Aalen hat gezeigt, dass die Mannschaft sehr sensibel auf extreme Negativerlebnisse reagiert und sich dadurch sehr stark verunsichern lässt. So mühsam sich die Fortuna in den ersten Saisonspielen durch zahlreiche Erfolgserlebnisse eine Art Selbstverständnis aufgebaut hat, so plötzlich kann eine schwache Leistung das psychologische Gerüst zum Einsturz bringen. Das 0:6-Debakel in der Mainmetropole scheint bei der Fortuna länger nachzuwirken als gedacht. "Wir haben mit dem Frankfurt-Spiel etwas kaputt gemacht“, sagte Uwe Koschinat auch noch nach dem Aalen-Spiel ohne direkt auf die Thematik angesprochen zu werden. "Wenn du zu einem Auswärtsspiel fährst, kannst theoretisch Zweiter werden und verlierst dann 0:6 kann etwas nicht stimmen.“ Spricht der Trainer damit seiner Mannschaft die fehlende Gier ab? Gegen Aalen hat man gemerkt, dass bei dem ein oder anderen die Angst vor dem Verlieren deutlich größer war, als die Lust aufs Gewinnen. Wie schon in den letzten Jahren ist der Cheftrainer jetzt einmal mehr als Psychologe gefragt. Und ausgerechnet jetzt muss die Fortuna zu den Sportfreunden Lotte. Die Mannschaft der Stunde, die nach dem sensationellen Pokalerfolg gegen Champions League-Teilnehmer Bayer Leverkusen wohl – ganz anders als die Fortuna – das derzeit größte Selbstvertrauen in der Liga haben dürfte.

   

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