Fünf Gründe, warum René Müller in Paderborn gescheitert ist
Was aus Sicht vieler Fans schon seit Wochen überfällig war, ist seit Sonntagmittag beschlossene Sache: René Müller ist nicht länger Trainer des SC Paderborn. Nach genau 262 Tagen wurde der 42-Jährige mit sofortiger Wirkung freigestellt. Doch warum ist Müller, der schon als Spieler für die Ostwestfalen aktiv war, gescheitert? liga3-online.de nennt fünf Gründe.
Grund 1: Taktische Fehler
Gleich vorweg: Rein menschlich kann man René Müller nicht viel vorwerfen. Der 42-Jährige sprach die Sprache der Spieler, wählte seine Worte stets mit Bedacht und überzeugte jahrelang mit ruhiger und bodenständiger Arbeit als Leiter des Nachwuchsleistungszentrums. Doch insbesondere im taktischen Bereich erlaubte sich Müller als Trainer zu viele Fehler. Schon in der vergangenen Zweitliga-Saison ließ er in entscheidenden Spielen gegen Frankfurt, Heidenheim, Freiburg und 1860 München zunächst ohne Stürmer spielen. Gegen den FSV ging diese Taktik zwar auf, gegen Heidenheim und 1860 wechselte er jedoch viel zu spät einen Angreifer ein (90. und 75.) und ließ somit wichtige Punkte liegen. Auch in der neuen Saison setzten sich die taktischen Fehler fort. So etwa gegen Bremen II, als Müller in der Schlussphase auf eine Defensivtaktik umstellte und den dritten Wechsel verstreichen ließ. Die Konsequenz: Zwei Gegentore in der Nachspielzeit und eine peinliche 1:2-Heimniederlage. Immerhin: Müller lernte aus seinen Fehlern und wechselte in den Wochen danach teilweise sogar schon zur Pause doppelt. Wichtige Punkte, auch in der Zweitliga-Saison, waren zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits verschenkt.
Grund 2: Fragwürdige Aufstellungen
Hinzu kommt, dass der 42-Jährige des Öfteren auf die falschen Spieler setzte. In der letzten Saison war dies beispielsweise Innenverteidiger Niklas Hoheneder, den Vorgänger Stefan Effenberg mehrere Wochen gar nicht mehr berücksichtigte. Bei Müller schaffte es der unsichere Österreicher zunächst wieder auf die Bank und zwischen dem 28. und 32. Spieltag sogar in die Startelf – ein Dorn im Auge vieler Fans. Zwar fiel mit Tim Sebastian zu diesem Zeitpunkt ein weiterer Innenverteidiger aus, eine Alternative, etwa einen defensiven Mittelfeldspieler nach hinten zu ziehen, hätte es aber durchaus gegeben. Auch in der laufenden Saison war die Kader-Auswahl des Ur-Paderborners nicht immer glücklich, saßen gegen Bremen II, Regensburg, Rostock und Lotte doch fast ausschließlich Defensivspieler auf der Bank. Dino Medjedovic, in der letzten Saison immerhin Torschützenkönig der Regionalliga Nord, fand unterdessen nur selten Berücksichtigung.
Grund 3: Kader-Zusammenstellung
Begünstigt wurden die taktischen Fehler und teils fragwürdigen Aufstellungen in dieser Saison teilweise aber auch durch die Kader-Zusammenstellung von René Müller, der zeitgleich auch Sportdirektor war. Zwar stellte der 42-Jährige in der Sommerpause mit Neuzugängen wie Sven Michel und Marc Kruska einen durchaus namhaften Kader zusammen, vertraute aber auf ein zu kleines Aufgebot. Dieses umfasste bis zum letzten Transfertag lediglich 23 Spieler, darunter sechs Akteure aus der eigenen Jugend. Mit Koen van der Biezen zählte zudem zunächst nur ein (!) Angreifer mit Profierfahrung zum Kader. Diese Tatsache ist vor allem deswegen erstaunlich, weil Müller, früher selbst Stürmer, schon in der vergangenen Saison offenbar zu wenige Angreifer zur Verfügung hatte. Die fehlende Breite machte sich insbesonderen in knappen Spielen bemerkbar und kostete – wie erwähnt – vor allem gegen Bremen II alle drei Punkte. Doch auch hier muss erwähnt werden: Müller erkannte diese Schwachstelle und lotste am 31. August mit Zlatko Dedic und Marcus Piossek – zumindest auf dem Papier – zwei Topspieler nach Paderborn. Zu diesem Zeitpunkt waren allerdings bereits fünf Liga-Spiele und ein Pokalspiel absolviert, eine gewisse Unruhe war somit schon vorhanden.
Grund 4: Spielerisches Potential nicht ausgeschöpft
Dass die Mannschaft mit Spielern wie Tim Sebastian, Marc Kruska, Marcus Piossek, Christian Bickel, Sven Michel und Zlatko Dedic auf dem Papier eigentlich gar nicht mal schlecht besetzt ist, ist unbestritten. Dennoch bleibt fraglich, warum es Müller nicht gelungen ist, dieses spielerische Potential konstant auszuschöpfen. Lag es am Training? An den Ansprachen des 42-Jährigen? Oder sogar an den Spielern selbst? Diese Fragen wird wohl niemand objektiv beantworten können. Fakt ist aber: Ein Trainer muss die Spieler erreichen, sie formen und verbessern. André Breitenreiter ist dies in der Saison 2013/14 perfekt gelungen, Müller nicht.
Grund 5: Einstellung der Spieler
Abschließend ist Müller aber nicht nur an seiner eigenen Unerfahrenheit was Taktik, Aufstellung, Kader-Zusammenstellung und Motivationskünste angeht gescheitert, sondern auch an der Einstellung der Spieler. Diese ließen in Partien wie gegen Regensburg, Frankfurt und insbesondere gegen Lotte jede Art von Leidenschaft und Einsatz vermissen, sodass selbst Pep Guardiola an der Seitenlinie verrückt geworden wäre. Natürlich liegt es maßgeblich am Trainer, die Mannschaft auf die Spiele einzustellen, dennoch sollte man von einem Fußball-Profi zumindest ein bisschen Eigenmotivation erwarten können. Dass man sich gegen Lotte jedoch schon früh seinem Schicksal ergab und eine unterirdische Leistung ablieferte, ist inakzeptabel. Erstaunlich ist zudem auch, dass selbst nach einem 0:6 betont wird, wie intensiv die Trainingswoche war. Dass auf dem Platz davon nichts zu sehen war, geht zu großen Anteilen auf das Konto der Spieler. Klar ist jetzt: Ein Alibi hat die Mannschaft nun nicht mehr, sodass sie bei weiteren Leistungsausfällen ebenfalls vermehrt in die Kritik der Öffentlichkeit geraten wird.
Fazit
Auch wenn Müller also ein Stück weit an seinen eigenen Spielern gescheitert ist, war die Entlassung insgesamt unausweichlich. Denn letztlich – und das wiegt am schwersten – hat es der 42-Jährige nicht geschafft, das durchaus vorhandene spielerische Potential der Mannschaft abzurufen. Hinzu kommen taktische Fehler, fragwürdige Aufstellungen und der zunächst nicht vollständige Kader. All diese Faktoren lösten eine Kettenreaktion aus, die in einem peinlichen 0:6 in Lotte mündete – ein absoluter Tiefpunkt der letzten Jahre. Nun steht der SCP vor einem Scherbenhaufen – und ganz schweren Wochen.