Koschinat im Interview: "Weiß zu schätzen, was ich hier habe"

Seit nunmehr 2.000 Tagen ist Uwe Koschinat Cheftrainer bei Fortuna Köln. Im ausführlichen Interview mit liga3-online.de spricht er über Kontinuität, ein Damen-Basketball-Team seiner Frau, die bisherige Saison und über Zukunfts-Fantasien.

[box type="info" size="large"]Der Spieler Koschinat und ein Damen-Basketball-Team[/box]

liga3-online.de: Herr Koschinat, mit dem heutigen Tag (20. Dezember) sind Sie exakt 2.000 Tage als Cheftrainer von Fortuna Köln im Amt. Inwiefern sind Sie stolz auf diese Bilanz?

Uwe Koschinat: Es ist auf jeden Fall eine sehr hohe Wertschätzung von Seiten des Vereins. Vor allem der langfristige Vertrag (Anm. d. Red.: bis 2018) hat mir gezeigt, dass die sportliche Entwicklung der ersten Jahre für alle Seiten im höchsten Maße zufriedenstellend war. Bislang bestand mein Leben sowieso aus vielen Konstanten. Sowohl im Beruf, als auch Privat. Ich bin keiner der permanent eine neue Herausforderung benötigt, um einen höheren inneren Antrieb zu haben. Ich hatte nur einen Arbeitgeber bevor ich voll auf die Karte „Fußball“ gesetzt habe und war darüber hinaus über 15 Jahre lang bei der TuS Koblenz in vielen verschiedenen Bereichen tätig. Das sind scheinbar Dinge, in denen ich mich wohlfühle.

Fünfeinhalb Jahre sind im Profifußball eine gefühlte Ewigkeit – Viele Vereine streben auf den entscheidenden Positionen ständig nach Kontinuität, schaffen es aber nur selten diese auch zu realisieren. Was lief bei Ihnen und der Fortuna in den letzten Jahren in dieser Hinsicht anders?

Ein Erfolgsgeheimnis ist sicherlich, dass hier nur wenige Köpfe Entscheidungen treffen und wir sehr verschwiegen arbeiten können. Das macht viele Dinge einfacher. Ich glaube, je mehr Menschen an einem Thema arbeiten desto höher ist die Durchlässigkeit nach Außen. Eine ganz entscheidende Rolle spielt die Emotionalität. Ich glaube, dass im Fußball-Geschäft eine relativ hohe Anzahl an Entscheidungen aus der Empfindung heraus getroffen werden. Ich in meiner emotionalen Rolle als Trainer habe hier bei der Fortuna mit Michael W. Schwetje (Geschäftsführer) einen Gegenpart, der diese Emotionalität ausklammert und viele Dinge unter rein sachlichen Faktoren betrachtet. Die Findungsprozesse im Verein, sei es auf sportlicher Ebene oder woanders, sind daher weniger emotional geprägt, sondern finden auf einer rein sachlichen Ebene statt. Diese Tatsache hilft in der Zusammenarbeit.

Die Fortuna ist Ihre erste Cheftrainerstation im Profifußball. Zuvor waren Sie in verschiedenen Positionen bei der TuS Koblenz tätig. Den Spieler Koschinat haben nur Wenige in Erinnerung (Anm. d. Red. stieg mit dem VfL Wolfsburg 1992 in die 2. Bundesliga auf). Wann haben Sie sich eigentlich dafür entschieden Trainer zu werden?

Das war ein wachsender Prozess während meiner Spielerkarriere. Ich habe sehr früh erkannt, dass der Profifußball für mich eine Stufe zu hoch war und habe auch deswegen nach dem Aufstieg mit Wolfsburg einen Rückschritt in eine tiefere Spielklasse gemacht. In Koblenz war ich dann als junger Spieler Kapitän und habe über mehrere Jahre die Mannschaft geführt. Dabei hatte ich immer das Gefühl, dass die Dinge die ich in dieser Zeit meinen Mitspielern mitgegeben habe die Gruppe gestärkt haben. Zusätzlich habe ich während meiner beruflichen Zeit bei der Sparkasse Lehrlinge ausbilden dürfen. Das war eine Art Training im Job. Dort habe ich gemerkt, dass ich einen guten Zugang zu den Menschen bekomme, gerade wenn es darum geht Leistung zu erbringen.

Stimmt es eigentlich, dass Sie früher das Damen-Basketball-Team Ihrer Frau trainiert haben?

Ja, so lustig es klingt. Die Mannschaft drohte auseinander zu brechen. Ich hatte zwar von dem Sport nicht so viel Ahnung, aber ich hatte eine klare Vorstellung wie man eine Mannschaft führt und wie man im athletischen Bereich arbeiten kann. Wir sind dann sehr schnell aufgestiegen und haben auch in der 3. Liga die Klasse gehalten. Das waren Erfolge, die mich in meiner Idee Trainer zu werden bestätigt haben.

[box type="info" size="large"]In puncto Mentalität ein Grenzgänger[/box]

2011 haben Sie die Ausbildung zum Fußball-Lehrer abgeschlossen. Mehmet Scholl prägte einst den Begriff des „Laptoptrainers“ – Würden Sie sich auch zu dieser Trainergattung zählen?

Ich halte diese Aussage für sehr despektierlich. Sie impliziert, dass gute Fußballer gleichzeitig auch bevorteilte Trainer sind. Allerdings sind Fußballspielen und eine Gruppe anleiten zwei komplett unterschiedliche Dinge. Im Trainer-Job macht die klassische Fußball-Materie vielleicht zehn Prozent des Erfolgs aus. Ich durfte lange als Co-Trainer mit Mario Basler zusammenarbeiten. Mario hatte beispielsweise überhaupt kein Empfinden dafür, dass man vor einem Fußballspiel auf allerhöchstem Niveau nervös sein kann, weil er persönlich immer eine hohe Selbstverständlichkeit hatte. Ich behaupte, in einer Gruppe von elf Spielern hat jeder vor einem Spiel ein ganz anderes Stressempfinden. Klar, in manchen Dingen haben ehemalige Profis Vorteile, aber diese beziehen sich mehr auf die Akzeptanz bei den Spielern. Von einem heutigen Trainer wird aber vor allem verlangt, dass er sehr strukturiert arbeiten kann. Es geht darum eine klare persönliche Idee zu entwickeln, zu formulieren und in einer überzeugenden Art und Weise auf die Gruppe zu übertragen, ohne dass man dabei selbst in sich gefangen ist. Deshalb ist auch eine permanente persönliche Weiterentwicklung extrem wichtig. Am Ende ist es unabdingbar, dass man als Trainer auch für eine gewisse Form von Menschlichkeit steht, die man logischerweise auch verkörpert. Wenn man beispielsweise ein Pünktlichkeitsfanatiker ist, muss man diese Werte auch vorleben, sonst wird es unglaubwürdig. Und ich bin der Meinung, in der Unglaubwürdigkeit liegt der erste Grund für Misserfolg.

Sie sind selber Familienvater, haben zwei Kinder – Inwiefern sind diese privaten Erfahrungen ein Vorteil bei der täglichen Arbeit mit den Spielern?

Ein intaktes Familienleben ist mit Sicherheit von Vorteil, da es für Jeden auch eine Art Orientierung darstellt. Wie in einer Familie gib es auch in einer Fußball-Mannschaft ganz unterschiedliche Interessen. Am Ende musst man aber einen gewichtigen Nenner finden mit dem sich alle identifizieren können, um das gemeinschaftliche sportliche Ziel zu erreichen. Dabei ist der Umgang miteinander besonders wichtig. In dieser Hinsicht kann man einiges vorleben, wenn man aus einem persönlich intakten Umfeld kommt.

An der Seitenlinie zeigen Sie sich häufig emotional. Waren Sie als aktiver Spieler auch schon so temperamentvoll?

Ja! Diese Emotionalität hatte ich schon als Spieler. Vielleicht kann man auch sagen die Verbissenheit im Zusammenhang mit der Erfüllung von Zielen. In meiner aktiven Karriere habe ich tendenziell immer ein bisschen höher gespielt, als es meinen Fähigkeiten entsprochen hat. In puncto Mentalität musste ich dementsprechend ein Grenzgänger sein. Das kam bei meinen Mitspielern nicht immer gut an, weil ich auch von anderen stets das Maximum verlangt habe. Ich kann aber behaupten, dass ich es selber auch immer vorgelebt habe. Ich war sehr trainingsverrückt und hatte ein sehr hohes Anforderungsprofil an mich selbst. Das habe ich dann logischerweise versucht auch auf andere zu übertragen.

In der 3. Liga stehen die Trainer an der Seitenlinie noch nicht so stark unter Beobachtung wie in der Bundesliga. Inwiefern sind Sie froh, dass es in der 3. Liga (noch) keinen vierten Offiziellen gibt?

Ich fände es nicht schlecht, wenn es auch in der 3. Liga einen vierten Offiziellen gäbe. Ich habe in meiner Zeit als Co-Trainer in Koblenz in der 2. Bundesliga mehrheitlich gute Erfahrungen gemacht. Wenn der vierte Offizielle sich nicht zu wichtig nimmt, kann er viele Emotionen an der Linie abfedern. Für die Schiedsrichter ist es ja auch ein Wettbewerb. Auch sie wollen den maximalen sportlichen Erfolg, bestenfalls aufsteigen in die nächsthöhere Liga. Dieses Verständnis muss man entwickeln. Dadurch stehen die Schiedsrichter mindestens unter demselben Druck wie wir als Trainer, wahrscheinlich sogar unter einem deutlich Größeren. An der Seitenlinie prallen dann schon mal verschiedene emotionale Faktoren aufeinander. In diesem Zusammenhang kann ein vierter Offizieller beschwichtigend einwirken.

[box type="info" size="large"]Fazit zur Winterpause und wo Steigerungsbedarf besteht[/box]

Medial liegt die Fortuna weitestgehend unter dem Radar. Für die tägliche Trainingsarbeit sind diese Verhältnisse sicherlich optimal. Wie bewerten Sie diese Bedingungen im Hinblick auf Ihre persönliche Situation? 

Es ist nicht so, dass ich den ganzen Tag darüber nachdenke, wie meine persönliche Karriere aussehen kann. Ich beschäftige mich ausschließlich mit der Entwicklung des Vereins. Ich schätze sehr, was ich hier an Köln und der Fortuna habe. Da geht es nicht nur um den Sport, sondern auch um meine Familie. Natürlich ist es ein ganz großer Reiz auch einmal höherklassig zu arbeiten, aber ich bin nicht der Typ der jeden Morgen aufsteht und sofort sämtliche Nachrichtendienste durchforstet nach dem Motto: Wo könnte sich etwas tun.

Mit 28 Punkten spielte die Fortuna jüngst ihre historisch beste Hinrunde in der 3. Liga. Wie fällt Ihr Fazit zur Winterpause aus?

Insgesamt bin ich mit der Hinrunde zufrieden. Im Vergleich zu den letzten Jahren haben wir uns in Bezug auf den Punktestand weiter verbessert – zudem überwintern wir im Pokal. Positiv ist, dass wir ein sehr ausgewogenes Verhältnis bei der Heim- und Auswärtsbilanz haben. Das gibt eine gewisse Sicherheit. Zudem gehören wir mittlerweile zu den besten Umschaltmannschaften der Liga. Bei seitlichen Einwürfen sehe ich uns sogar als einer der Topvereine in ganz Deutschland. Die größte Zufriedenheit spüre ich aber in der Zusammenarbeit mit meinem Funktionsteam. Das Team hinter mir steht für eine ganz hohe fachliche Kompetenz. Wir haben es dieses Jahr beispielsweise geschafft durch eine bessere und individualisierte Trainingssteuerung die Verletzungshäufigkeit deutlich zu reduzieren.

In welchen Bereichen muss sich die Mannschaft weiter verbessern? 

Bis zur Versetzung von Hamdi Dahmani ins Angriffszentrum haben wir es nicht geschafft ein Stürmertor aus dem Spiel heraus zu erzielen. Zudem haben wir wieder ein extrem negatives Torverhältnis, was in dieser engen Liga noch ein negativer Faktor werden kann. Auch nach Ecken und Freistößen haben wir deutlich zu wenig Tore gemacht. Hier gilt es einen Trainingsschwerpunkt für die Rückrunde zu legen.

[box type="info" size="large"]"Ich weiß zu schätzen, was ich hier habe"[/box]

Die meistdiskutierte Position in der Hinrunde war das Sturmzentrum. Im Grunde spielte die Fortuna die gesamte Hinrunde ohne echten Neuner. Wie wird der Verein auf diese Situation im Winter reagieren?

Ich sehe diese Problematik unter drei Faktoren. Zum einen muss man sagen, dass Hamdi Dahmani die für ihn ungewohnte Position im Sturmzentrum zuletzt als die Rolle eines klassischen Neuners interpretiert hat. Er hat das hervorragend gemacht, nicht nur aufgrund seiner guten Trefferquote. Der zweite Faktor ist, dass wir mit Rahn, Brasnic und Koruk eigentlich drei gelernte zentrale Mittelstürmer im Kader haben. Für mich gilt es, noch intensiver mit diesen Spielern zu arbeiten. Ich erwarte, dass alle Drei das Training im Januar auf einem ganz hohen Niveau wieder aufnehmen. Für alle gilt die kurze Vorbereitungsphase zu nutzen, um auf sich Aufmerksam zu machen. Ich muss dann ganz genau hinschauen, wer einen Entwicklungssprung gemacht hat und wer eventuell wieder eine Alternative sein kann. Schlussendlich gilt es natürlich auch den Markt zu beobachten. Wer würde uns sportlich weiterhelfen und was würde ein Transfer für die Balance des Teams bedeuten. Da müssen wir sehr genau abwägen.

Ihr Vertag läuft bis 2018. Welche Voraussetzungen müsste der Verein schaffen, dass Sie ein weiteres Mal verlängern?

Es ist nicht so, dass ich gedanklich permanent auf dem Sprung bin. Ich weiß zu schätzen, was ich hier habe. Für die Zukunft wird es natürlich wichtig sein die Rahmenbedingungen zu verbessern. Für mich ist auch entscheidend, dass auf der personellen Ebene weitere Kontinuität herrscht. Das gilt insbesondere in der Zusammenarbeit mit Michael W. Schwetje und meinem Trainerteam. Am Ende sind auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen entscheidend. Es muss eine Fantasie gegeben sein, dass ich mit Fortuna Köln noch einen nächsten Schritt gehen kann.

Der wäre?

Ein Aufstieg in die 2. Bundesliga.

 

   

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