Hinrunden-Fazit Osnabrück: Lehre aus Nichtaufstieg gezogen
Der VfL Osnabrück hat die Hinrunde der Saison 2016/2017 auf einem äußerst respektablen dritten Platz beendet. Damit gelten die Niedersachsen als einer der Favorit auf den Aufstieg in die 2. Bundesliga. liga3-online.de analysiert die Hinrunde der Lila-Weißen und wirft einen Blick auf Stärken sowie Schwächen.
Das lief gut
Vieles! Der VfL Osnabrück spielte im Großen und Ganzen eine Hinrunde über seinen eigenen Erwartungen. Sicherlich wurde der Kader an den richtigen Stellen verstärkt und eine Platzierung im vorderen Mittelfeld einkalkuliert. Aber eine komplette Serie im Aufstiegsrennen? Das übertrifft die Vorstellungen im lila-weißen Lager. Weil sich dazu auch noch der ersehnte erste Derbysieg über Preußen Münster seit fünf Jahren gesellte, ist die zweite Hälfte des Jahres 2016 als nahezu perfekt zu bezeichnen. Federführung für die Erfolge geriet die Transferpolitik von Joe Enochs, Lothar Gans und Co., punktuell in die Breite zu investieren und so auch verletzungsbedingte Ausfälle (Halil Savran, Christian Groß, Anthony Syhre) adäquat ersetzen zu können. Selbst der spontane Abgang von Abwehrsäule David Pisot wurde schnell verkraftet: Die Kaderplaner haben an der Bremer Brücke richtig gute Arbeit geleistet. Und: Neun Heimspiele, 20 Punkte – Osnabrück gehört in Sachen Heimstärke wieder einmal zu den Spitzenadressen der 3. Liga.
Das lief nicht gut
Die Auswärtsbilanz ist beim VfL Osnabrück verbesserungswürdig. Drei Siege, drei Remis, vier Niederlagen (darunter deutliche Pleiten in Chemnitz, Bremen oder Paderborn) – die Konstanz fehlt in der Fremde, in der der VfL zu viele Tore kassiert. Spielerisch überzeugend wird noch zu selten gewonnen, wenn etwa auf die Partie gegen den FSV Zwickau zurückgeblickt wird. Vorgemacht werden sollte sich nichts: Dass die Enochs-Elf auf dem dritten Rang steht, ist nicht nur ihr Verdienst, sondern auch auf die Schwäche einiger Verfolger zurückzuführen. 15 Punkte aus den letzten elf Begegnungen der Hinserie bedeuten allenfalls noch eine durchschnittliche Bilanz. Sollte sich herausstellen, dass Osnabrück auch nach der Winterpause nicht auf das Niveau vom Saisonstart zurückfinden sollte, dann wird es der Klub schwer haben, sich langfristig oben zu halten. Für gewohnt nimmt das Niveau der schlussendlichen Aufstiegsanwärter in der 3. Liga innerhalb der zweiten Saisonhälfte rasch zu – gerade der VfL kann nach dem letzten Jahr aus Erfahrung sprechen.
Die Bewertung der Neuzugänge
Der VfL Osnabrück rüstete in der Sommerpause in allen Mannschaftsteilen nach und konnte in jeder Reihe Stammspieler etablieren. Marius Gersbeck entpuppte sich zwischen den Pfosten als mindestens solider Nachfolger der zu Dynamo Dresden abgewanderten Hoffenheim-Leihgabe Marvin Schwäbe. Einzelne Unsicherheiten egalisierte der 21-Jährige mit zahlreichen spektakulären Paraden. In der Abwehr hat Marcel Appiah David Pisot mit ähnlicher Konstanz beerbt, aus dem defensiven Mittelfeld ist Bastian Schulz bis auf eine kurze Pause kaum wegzudenken. Der größte Umschwung aber geschah in der Offensive: Sowohl Jules Reimerink als auch Marc Heider sind auf den Flügeln gesetzt, dazu hat sich Kwasi Wriedt im Sturmzentrum neben Halil Savran festgespielt. Hintenanstellen müssen sich Bashkim Renneke und Robert Kristo sowie Ahmet Arslan, der seine Chancen bisher nicht nutzen konnte. Nazim Sangaré befindet sich dagegen wiederum im Aufwärtstrend und war zuletzt rechts hinten gesetzt.
Der stärkste Spieler: Christian Groß
Der mit Abstand konstanteste Spieler der Hinrunde war Interims-Kapitän Christian Groß, der in den ersten 16 Spielen jeweils über die volle Distanz auf dem Feld stand und neben seiner immensen Bedeutung als Abräumer vor der Viererkette auch mit einem Tor sowie drei Vorlagen in Erscheinung trat. Kaum jemand konnte die Rolle des Bindegliedes zwischen allen Mannschaftsteilen besser erfüllen als er, sein Ausfall aufgrund eines Kreuzband-Anrisses schmerzt Joe Enochs und Co. sehr.
Der größte Enttäuschung: Ahmet Arslan
Aus einer guten Mannschaft einen Schwachpunkt hervorzuheben, ist stets kein leichter Job. Von Ahmet Arslan, der mit der Empfehlung von rekordverdächtigen Regionalliga-Torquoten nach Osnabrück kam, hatten sich aber wohl alle im VfL-Umfeld mehr erhofft. Das Problem: Seine favorisierte Position im offensiven Mittelfeld gibt es im 4-4-2 mit Doppelsechs von Joe Enochs nicht. Im Sturm muss er sich Wriedt und Savran klar unterordnen – null Tore und null Vorlagen in neun Einsätzen sind nun einmal auch kein gutes Bewerbungsschreiben.
Das Fazit
Der VfL Osnabrück hat den Nichtaufstieg in der vergangenen Saison rasch überwunden und zudem seine Lehren daraus gezogen. Verletzungspech kann innerhalb einer ausgewogenen Mannschaft mittlerweile gut aufgefangen werden, eine langfristige Krise verzeichneten die Niedersachsen bisher nicht. Die letzten Wochen verliefen an der Illoshöhe jedoch nicht zufriedenstellend, die Punktebilanz gleicht lediglich einem Mittelfeldteam. Dennoch steht der VfL in der Tabelle weit oben, weil sich abseits des 1. FC Magdeburg bis zuletzt kein einziger Verfolger mit konstanten Ergebnissen anschickte, Osnabrück oder auch den MSV Duisburg oben anzugreifen. Festzuhalten bleibt: Einerseits ist dem VfL eine solide Hinrunde geglückt, die vielleicht zwei bis drei Plätze zu weit oben abgeschlossen wird. Andererseits wurden seit Oktober zahlreiche Möglichkeiten vergeben, sich ein Polster auf die Verfolger aufzubauen.
Die Prognose
Nach Ansicht der Hinrunde ist die Spannung in der 3. Liga greifbar. Niemand konnte sich im Aufstiegskampf bisher absetzen, und auch der VfL Osnabrück ist mitten im Geschäft. Wird sich der VfL im Winter verstärken? Auch das kann die Chancen im Rennen um die 2. Bundesliga erhöhen. Im Gespräch ist etwa Ex-Osnabrücker Konstantin Engel. Aber: Auch der momentane Kader wird sich weiterentwickeln. Gersbeck und Wriedt lernen hinzu, Talente wie Steffen Tigges und Kamer Krasniqi werden weiter an den Kader herangeführt. Ob das alles reicht, um am Ende tatsächlich um den Aufstieg mitzuspielen und nicht wenige Spieltage vorher abzustürzen? Das ist nicht prognostizierbar. Nach aktuellem Stand kann der VfL realistisch zwischen Platz 3 und 6 eintrudeln.