Strittige Szenen am 25. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Die nicht gegebenen Elfmeter für Rostock (2) und Erfurt, das Foul von Morys an Bischoff, der nicht anerkannte Treffe für Münster, die Platzverweise von Schwarz, Schwede und Syhre und das 1:1 für Kiel. Am 25. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de neun strittige Szenen genauer angeschaut.

[box type="info"]Hintergrund: 25 Jahre lang war Babak Rafati Schiedsrichter, 2008 schaffte er es sogar auf die FIFA-Liste. Insgesamt leitete der heute 44-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit- und 13 Drittliga-Spiele. Seit Februar 2015 hat er eine neue Aufgabe: Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter jeden Spieltag die strittigen Entscheidungen des Wochenendes. Nach einer Vorauswahl durch die Redaktion sichtet Rafati das Video-Material und gibt eine kurze Einschätzung zu den jeweiligen Szenen ab. [/box]

Szene 1: Nach einem Freistoß für den F.C. Hansa Rostock springt Robert Müller (VfR Aalen) der Ball im Strafraum an die Hand, Schiedsrichter Frank Willenborg lässt die Partie weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 23:10]

Babak Rafati: Der Schiedsrichter ist sehr gut postiert und hat freie Sicht auf die Szene. Der Ball wird von einem Mitspieler Müllers mit dem Fuß abgefälscht und springt von da aus kurzer Distanz an die Hand von Müller. Somit liegt keine Absicht vor. Eine richtige Entscheidung des Schiedsrichters, hier weiterlaufen zu lassen.

Szene 2: Stephan Andrist (Hansa Rostock) dringt in den Strafraum ein und wird vom Aalener Keeper Daniel Bernhardt gelegt. Einen Elfmeter gibt Willenborg nicht. [TV-Bilder – ab Minute 3:05]

Babak Rafati: Bernhardt spielt zuerst den Ball vor dem heranlaufenden Stürmer, indem er mit der Hand den Ball wegspitzelt. Erst danach kommt es zum Kontakt zwischen den beiden Spielern, wobei der Torwart keine aktive Bewegung zum Angreifer ausführt. Vielmehr läuft der Angreifer gegen den Arm des Torhüters und kommt dadurch zu Fall. Also gilt die Aktion des Torhüters nur gegen den Ball. Eine richtige Entscheidung des Schiedsrichters, hier weiterspielen zu lassen.

Szene 3: Matthias Morys (VfR Aalen) trifft Amaury Bischoff (Hansa Rostock) am Knöchel, sieht dafür aber keine Karte. [TV-Bilder – ab Minute 32:20]

Babak Rafati: Aus Erfahrung passieren im Mittelfeld keine besonders entscheidenden Aktionen, daher steht der Schiedsrichter etwas weiter entfernt vom Geschehen. Morys tritt seinem Gegenspieler Bischoff unglücklich auf den Knöchel und will dabei aber sicherlich den Ball spielen. Trotzdem hätte es für diese unglückliche Aktion die gelbe Karte geben müssen. Der Assistent steht etwas näher zum Geschehen und hätte helfen können. Somit liegt eine Fehlentscheidung vor.

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Szene 4: Nach einem Freistoß trifft Tobias Warschewski zum 1:0 für Preußen Münster, Schiedsrichter Tobias Stieler gibt den Treffer aufgrund einer vermeintlichen Abseitsposition jedoch nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:10]

Babak Rafati: Ein Fall für kontroverse Diskussionen. Eine wirklich sehr schwierige Situation für den Assistenten, die eine erhöhte Aufmerksamkeit nicht nur für ihn, sondern im gesamten Schiedsrichterteam erfordert. Zudem braucht man zugegebenermaßen einige Wiederholungen, um die Szene nach der Regelauslegung in Gänze beurteilen zu können. Nach der Hereingabe durch einen Münsteraner Spieler in den Strafraum von Halle köpft ein Mitspieler den Ball zu Warschewski, der ins Tor trifft. Bei diesem Kopfball steht der Torschütze selbst nicht im Abseits, sondern zwei andere Spieler, die in unmittelbarer Nähe des Torhüters postiert sind. Hier ist die entscheidende Frage, ob einer von diesen beiden Spielern zum Zeitpunkt nach dem Kopfball aktiv ins Spiel eingreift oder nicht.

Der Fokus bzw. die imaginäre Lupe ist somit nur auf den Moment nach (!) dem Kopfball zu richten und nicht auf die wenigen Augenblicke zuvor, denn zu diesem Zeitpunkt steht kein Münsteraner im Abseits. Der Stürmer von Münster mit der Nummer 39 (Grimaldi) irritiert sicherlich vor dem Kopfball den Torwart, dieser Zeitpunkt ist aber wie bereits erwähnt nicht maßgeblich, da er nicht im strafbaren Abseits steht. Unmittelbar nach dem Kopfball hat der Torhüter keine Chance mehr den Ball zu spielen und hat bereits die "Bekanntschaft" mit der Nummer 39 hinter sich gelassen und wird dadurch nicht mehr irritiert oder behindert. Somit ist nach der Regelauslegung nur dieser Moment nach dem Kopfball entscheidend. Folglich eine Fehlentscheidung, das Tor nicht anzuerkennen, wobei wenige hundertstel von Sekunden auch zu einem anderen Gesamtergebnis führen können.

Szene 5: Benjamin Schwarz (Preußen Münster) foult Sascha Pfeffer (Hallescher FC) und sieht dafür glatt Rot. [TV-Bilder – ab Minute 3:00]

Babak Rafati: Schwarz springt völlig übermotiviert, mit voller Dynamik, mit den Stollen voraus und aus vollem Lauf in die Beine von Pfeffer und holt ihn in heftiger Weise von den Beinen. Er trifft ein wenig den Ball aber sehr viel und intensiv die Beine (im Knöchelbereich) seines Gegenspielers. Hierbei wird die Gefährdung der Gesundheit des Gegenspielers in Kauf genommen. Der Schiedsrichter zeigt zurecht die rote Karte.

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Szene 6: Tobias Schwede (1. FC Magdeburg) will einen Einwurf ausführen, wird aber von Schiedsrichter Sven Waschitzki zurückgepfiffen und wirft daraufhin den Ball auf den Boden. Die Folge: Gelb-Rot. [TV-Bilder – ab Minute 7:50]

Babak Rafati: Der Ball geht an der Mittellinie ins Seitenaus. Schwede läuft etwas vor, um den Einwurf circa vier Meter vom eigentlichen Einwurf-Ort auszuführen. Es gibt einen Toleranzbereich (im Mittelfeld etwa zwei bis drei Meter), aber der Schiedsrichter wird vermutlich durch Zurückpfeifen signalisiert haben, dass dieser ausgereizt ist. Daraufhin wirft der Spieler unsportlich und verärgert den Ball auf den Boden. Hier hat der Schiedsrichter keinen Ermessensspielraum und muss den fehlbaren Spieler verwarnen, was in der Folge Gelb-Rot nach sich zieht. Eine richtige Entscheidung. 

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Szene 7: Toni Wachsmuth (FSV Zwickau) blockt Carsten Kammlott (Rot-Weiß Erfurt), dieser geht daraufhin zu Boden. Einen Elfmeter gibt Schiedsrichter Markus Schmidt in dieser Szene nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:28:00]

Babak Rafati: Wachsmuth spielt den Ball und klärt zur Ecke, auch wenn er dabei gleichzeitig den Körper gegen Kammlott einsetzt. Spielobjekt ist hier aber eindeutig der Ball, sodass ein sauberer Zweikampf vorliegt und der Schiedsrichter richtigerweise auf Eckstoß entscheidet.

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Szene 8: Als letzter Mann bringt Anthony Syhre (VfL Osnabrück) Gegenspieler Jules Schwadorf (Wehen Wiesbaden) zu Fall, spielt dabei aber den Ball. Dennoch sieht der Osnabrücker für diese Aktion von Schiedsrichter Wolfgang Stark die rote Karte. [TV-Bilder – ab Minute 0:20]

Babak Rafati: Eine sehr komplexe Szene. Syhre spielt mit dem rechten Fuß minimal den Ball, aber mit dem linken Nachziehbein tritt er Schwadorf eindeutig von hinten in die Beine und hindert ihn am Weiterlaufen, sodass dieser zu Fall kommt. Der Stürmer wäre mit dem Ball auf das Tor zugelaufen und hätte eine klare Torchance gehabt. Somit liegt ein Foulspiel mit Torverhinderung vor und dafür gibt es zurecht die rote Karte (nicht zu verwechseln mit der Regeländerung ab der laufenden Saison bei Vergehen im Strafraum – Stichwort Dreifachbestrafung).

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Szene 9: Nach einem Zweikampf bleibt Christian Strohdiek (SC Paderborn) am Boden liegen, Kiel spielt weiter und erzielt aus abseitsverdächtiger Position (Standbild) das 1:1. Schiedsrichter Tobias Reichel gibt den Treffer. [TV-Bilder – ab Minute 14:45]

Babak Rafati: Bei der Verletzung des Paderborner Spielers muss der Schiedsrichter nach seinem Ermessen entscheiden, ob der Spieler nur leicht verletzt ist, oder er das Spiel bis zur nächsten Spielunterbrechung weiterlaufen lässt. Ist er der Meinung, dass der Spieler ernsthaft verletzt ist, unterbricht er das Spiel, um diesen sofort behandeln zu lassen. Er entscheidet sich für Weiterspielen, was in diesem Fall vertretbar und regelkonform ist.

Beim Abspiel auf den anschließenden Torschützen ist nicht genau zu erkennen, ob eine Abseitsposition vorliegt oder nicht. Auch das Standbild liefert keinen exakten Beweis, da der Angreifer das rechte Bein nicht am Boden hat und somit die Strafraumlinienmarkierung nicht bezüglich der räumlichen Entfernung wirklich helfen kann, einzuschätzen, welcher Spieler (Angreifer oder Verteidiger) näher zur Torlinie ist. Eine vertretbare Entscheidung, den Treffer anzuerkennen.

 

   

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