Strittige Szenen am 28. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati
Das Foul von Menz an Schnellhardt, die Elfmeter für Duisburg und Erfurt, das 2:0 für Osnabrück, die Platzverweise gegen Cincotta und Kleineheismann sowie die nicht gegebenen Elfmeter für Magdeburg und Aalen (jeweils zwei). Am 28. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de zehn strittige Szenen genauer angeschaut.
[box type="info"]Hintergrund: 25 Jahre lang war Babak Rafati Schiedsrichter, 2008 schaffte er es sogar auf die FIFA-Liste. Insgesamt leitete der heute 44-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit- und 13 Drittliga-Spiele. Seit Februar 2015 hat er eine neue Aufgabe: Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter jeden Spieltag die strittigen Entscheidungen des Wochenendes. Nach einer Vorauswahl durch die Redaktion sichtet Rafati das Video-Material und gibt eine kurze Einschätzung zu den jeweiligen Szenen ab. [/box]
Szene 1: Christoph Menz (Rot-Weiß Erfurt) bringt Fabian Schnellhardt (MSV Duisburg) nach einem Konter der Zebras zu Fall, sieht dafür von Schiedsrichter Patrick Schult aber nur Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 1:40]
Babak Rafati: Das ist eine sehr interessante Szene, die natürlich für viel Diskussionsstoff sorgt – völlig losgelöst davon, wie der Schiedsrichter entscheidet. Die erste Frage stellt sich nach einer Notbremse, sprich ob eine glasklare Torchance vereitelt wird. Da ein weiterer Erfurter Spieler ganz in der Nähe, parallel zum Geschehen mitläuft, kann man das verneinen. Die zweite Frage ist die nach der Intensität des Foulspiels. Schnellhardt setzt sich sehr gut gegen einige Erfurter Spieler durch. Als Menz erkennt, dass auch er keine Chance mehr hat den Ball spielen zu können, nimmt er nur den Gegner ins Visier und springt übermäßig hart und unkontrolliert mit dem rechten Bein von hinten in die Beine des Gegners und trifft ihn deutlich.
Dabei gefährdet er die Gesundheit des Gegenspielers, denn er hat sein Bein noch nicht einmal am Boden, sondern zieht es hoch und nimmt billigend in Kauf, Schnellhardt schwer im Knöchel oder Bänderbereich zu treffen. Diese Art von Tackling oder Angriff ist ein grobes Foulspiel und da hat der Schiedsrichter keine andere Wahl als die rote Karte zu zeigen. Er steht sogar glänzend zu diesem Zweikampf, entscheidet jedoch falsch auf Gelb. Eine Fehlentscheidung.
Szene 2: Nach einem Freistoß für den MSV Duisburg geht Erfurt-Keeper Philipp Klewin zum Ball, trifft dabei aber auch MSV-Stürmer Stanislav Iljutcenko. Schult gibt Elfmeter für Duisburg. [TV-Bilder – ab Minute 2:30]
Babak Rafati: Klewin, und Iljutcenko springen beide nach einer Freistoßausführung zum Ball. Dabei ist der Blick von beiden Spielern nur zum Spielgerät gerichtet. Der Torwart läuft vorwärts und der Angreifer seitlich zum Ball. Der Torwart ist früher am Ball und faustet eindeutig den Ball vor dem Angreifer weg. Der Angreifer wird nach der Faustabwehr vom Torhüter in typischer Weise, wie es im Fußball sehr oft vorkommt, eben im Bewegungsablauf zum Ball, getroffen. Dieser Zweikampf ist absolut sauber, ja schon vorbildlich, denn keiner macht auch nur im Geringsten Anstalten den Gegner attackieren zu wollen. Hier wäre natürlich Weiterspielen die richtige Entscheidung gewesen – somit liegt eine Fehlentscheidung vor. Das womöglich kurze Zupfen eines Verteidigers gegen Iljutcenko ist überhaupt nicht maßgeblich, denn der Angreifer wird dadurch überhaupt nicht beeinträchtigt zum Ball zu gehen.
Szene 3: Theodor Bergmann (Rot-Weiß Erfurt) wird im Strafraum angespielt und dann von Fabian Schnellhardt (MSV Duisburg) gelegt – es gibt Elfmeter für Erfurt. [TV-Bilder – ab Minute 3:05]
Babak Rafati: Bergmann wird im Strafraum von Duisburg angespielt. Schnellhardt läuft hinter diesem her und trifft ihn mit seinem rechten Fuß hinten in die Beine und bringt ihn dadurch zu Fall. Ein klares und zweifelsfreies Foulspiel und somit ist die Strafstoßentscheidung richtig.
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Szene 4: Marc Heider (VfL Osnabrück) kommt im Strafraum an den Ball, setzt sich dabei allerdings mit viel Körpereinsatz gegen Kevin Conrad (Chemnitzer FC) durch. Dieser geht zu Fall, das anschließende Tor kennt Schiedsrichter Markus Schmidt aber dennoch an. [TV-Bilder – ab Minute 2:05]
Babak Rafati: Der Schiedsrichter hat freie Sicht zum Zweikampf. Heider will bestimmt den Ball spielen, jedoch tritt er eindeutig mit seinem linken Fuß gegen den rechten Fuß von Conrad, sodass dieser vollkommen aus dem Tritt und folglich zu Fall kommt. Dadurch kann Heider den Ball ohne Mühe ins gegnerische Tor schießen. Hier liegt ein klares Foulspiel vor und das Tor hätte nicht zählen dürfen. Eine Fehlentscheidung.
Szene 5: Nach einem Zweikampf mit Marc Heider (VfL Osnabrück) sieht Stefano Cincotta (Chemnitzer FC) Gelb-Rot. Aus dem anschließenden Freistoß fällt das 3:0 für Osnabrück. [TV-Bilder – ab Minute 2:30]
Babak Rafati: Heider legt sich auf der rechten Außenbahn den Ball rechts an Cincotta vorbei und will links an ihm vorbeilaufen. Cincotta bemerkt, dass Heider an ihm vorbeizieht und stellt sich ihm taktisch in den Weg. Dabei prallt Heider mit seinem Knie gegen Cincotta und wird dadurch am Weiterlaufen gehindert. Das ist in der Folge ein taktisches Foulspiel, denn der Osnabrücker wäre in eine aussichtsreiche Position gekommen. Somit ist die gelb-rote Karte absolut berechtigt.
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Szene 6: Marius Sowislo (1. FC Magdeburg) wird von Manuel Schäffler (Wehen Wiesbaden) im Strafraum geblockt, Schiedsrichter Florian Kornblum lässt das Spiel weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 5:50]
Babak Rafati: Schäffler blockt im eigenen Strafraum nur den Ball. Kurz danach, noch im Bewegungsablauf, fällt Sowislo über den Oberschenkel von Schäffler, was absolut sauber und einwandfrei ist. Somit liegt kein Foulspiel vor und der Schiedsrichter lässt zurecht weiterlaufen.
Szene 7: Nach einem Schuss von Michel Niemeyer (1. FC Magdeburg) bekommt Kevin Pezzoni (Wehen Wiesbaden) den Ball an die Hand, Magdeburg fort einen Elfmeter. Der Schiedsrichter winkt aber ab. [TV-Bilder – ab Minute 1:51:20]
Babak Rafati: Der Schiedsrichter kann aus einer guten Position seine Entscheidung treffen. Pezzoni bekommt beim Abwehrversuch, durch Wegdrehen vom Ball, diesen aus kurzer Distanz an den Arm geschossen. Dabei gibt es keine aktive Bewegung des Arms zum Ball und die Körperhaltung ist auch im Bereich des Erlaubten, da der Arm nicht für eine Vergrößerung der Körperfläche eingesetzt wird. Eine richtige Entscheidung, vom Schiedsrichter weiterspielen zu lassen, denn es liegt keine Absicht vor.
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Szene 8: Stefan Kleineheismann (Hallescher FC) bringt Jaroslaw Lindner (Sportfreunde Lotte) zu Fall und sieht dafür von Schiedsrichter Günter Perl glatt Rot. [TV-Bilder – ab Minute 1:50]
Babak Rafati: Kleineheismann nimmt beim Abwehrversuch das Bein heraus und will auf der linken Seite nur den Ball spielen – sein Blick ist auch nur zum Ball gerichtet. Dabei kommt er jedoch einen Moment zu spät und trifft seinen Gegner unglücklich in die Beine. Das ist ein Foulspiel, wie er immer wieder passiert. Lediglich, weil der Angreifer in aussichtsreicher Position auf der linken Seite gestoppt wird, wäre hier eine gelbe Karte wegen taktischen Foulspiels angemessen. Auch wenn Lindner unglücklich getroffen wird und sich dabei offensichtlich wehtut, verhält es sich in dieser Szene ganz anders als in Szene 1, bei der beim Foulspiel die Gesundheit des Gegenspielers billigend in Kauf genommen wurde und die Zielscheibe eben nur der Gegner war. Die rote Karte ist in dieser Szene eine Fehlentscheidung.
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Szene 9: Matthias Morys (VfR Aalen) geht nach einem Kontakt mit Sören Pirson (FSV Frankfurt) zu Fall, Schiedsrichter Robert Hartmann lässt das Spiel weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 1:20]
Babak Rafati: Der Schiedsrichter läuft zunächst einmal gut in Position und "erarbeitet" sich eine freie Sicht zum nicht einfach zu bewertenden Zweikampf. Morys lässt sich etwas nach links abdrängen, da der Torhüter von Frankfurt taktisch klug die Innenseite zumacht. Als Morys am Torhüter vorbeiziehen will, läuft er selbst mit dem rechten Fuß gegen den rechten Fuß des Torhüters – der nur steht, keine aktive Bewegung macht und nur den Gegner stellt – und fädelt somit ein. Eine Absicht möchte ich Morys dabei nicht unterstellen. Interessant dabei ist, dass sich der Torhüter selbst erst über den Kontakt erschreckt und sofort seinen Fuß zurückzieht, da er wahrscheinlich befürchtet, dass der Schiedsrichter die Situation falsch beurteilen und ihn als Schuldigen ausmachen könnte. Der Schiedsrichter macht aber alles richtig und lässt korrekterweise weiterspielen.
Szene 10: Steffen Schäfer (FSV Frankfurt) foult Matthias Morys (VfR Aalen), einen Elfmeter gibt es erneut nicht. [TV-Bilder – ab Minute 3:05]
Babak Rafati: Wieder steht der Schiedsrichter gut zum Zweikampf. Morys setzt sich im Strafraum gegen zwei Verteidiger durch und legt sich den Ball vor. Schäfer kommt etwas zu spät und trifft Morys kurz und ansatzlos unten gegen den rechten Fuß, ohne dabei auch nur geringfügig den Ball getroffen haben zu können. Das kann man sehr gut daran erkennen, dass der Ball keine Richtungsänderung bekommt. Das wäre nämlich ein Indiz dafür, dass Schäfer (auch) den Ball getroffen haben könnte. Morys kommt anschließend zwar spektakulär zu Fall, nimmt den Kontakt auch gerne an. Das ist trotzdem ein klares Foulspiel und somit hätte es Strafstoß für Aalen geben müssen. Eine Fehlentscheidung des Schiedsrichters.