Strittige Szenen am 32. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Die nicht gegebenen Elfmeter für Osnabrück (2), Magdeburg, Erfurt und Großaspach, das 1:1 für Mainz sowie nicht nicht anerkannten Treffer für Zwickau und Halle. Am 32. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de acht strittige Szenen genauer angeschaut.

[box type="info"]Hintergrund: 25 Jahre lang war Babak Rafati Schiedsrichter, 2008 schaffte er es sogar auf die FIFA-Liste. Insgesamt leitete der heute 44-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit- und 13 Drittliga-Spiele. Seit Februar 2015 hat er eine neue Aufgabe: Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter jeden Spieltag die strittigen Entscheidungen des Wochenendes. Nach einer Vorauswahl durch die Redaktion sichtet Rafati das Video-Material und gibt eine kurze Einschätzung zu den jeweiligen Szenen ab. [/box]

Szene 1: Einen Schuss von Benjamin Pintol (Hallescher FC) kann Marcel Appiah (VfL Osnabrück) zunächst blocken, den Nachschuss muss Konstantin Engel (VfL Osnabrück) auf der Linie klären. Halle reklamiert jedoch, dass der Ball hinter der Linie war. Schiedsrichter Benjamin Cortus lässt weiterspielen. [TV-Bilder – ab Minute 6:20]

Babak Rafati: Der Assistent steht fast auf der Torlinie und hat dadurch eine gute Sicht auf den Vorgang. Der Ball wird von Engel, geklärt. Dabei stellt sich die entscheidende Frage, ob der Ball vollständig die Linie überquert hat, damit der Schiedsrichter auf Tor entscheiden kann. Eine Abhilfe kann man sich unter anderem damit verschaffen, indem man die Position des Verteidigers betrachtet. Da in dieser Einstellung nicht zweifelsfrei beurteilt werden kann, ob der Ball vollständig die Torlinie überquert hat, ist die Entscheidung des Schiedsrichters, weiterzuspielen, absolut richtig und sollte von allen Beteiligten akzeptiert werden. Man darf dabei auch nicht vergessen, dass in der 3. Liga, anders als in der Bundesliga, keine Torlinientechnologie vorhanden ist.

Szene 2: Nach einem langen Ball in den Strafraum wird Kwasi Wriedt (VfL Osnabrück) von Florian Brügmann (Hallescher FC) gelegt. Cortus pfeift aber nicht Elfmeter, sondern zeigt Heider (VfL Osnabrück) Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 7:10]

Babak Rafati: Nach einem langen Ball in den Strafraum von Halle kommt es zum Zweikampf zwischen Wriedt und Brügmann. Der Schiedsrichter lässt richtigerweise weiterlaufen, denn dieser Zweikampf ist regelgerecht und es liegt keinesfalls ein Foulspiel vor. Nach dieser Aktion, noch während des Spiels, läuft Heider auf den Schiedsrichter zu und protestiert womöglich ein bisschen zu heftig. Dafür zeigt ihm der Schiedsrichter die gelbe Karte, was durchaus angemessen ist. Der Schiedsrichter hat den Vorgang richtig eingestuft und alles richtig gemacht.

Der TV-Reporter kommentiert, dass das Spiel vorher unterbrochen sei, da Heider zuvor seinen Gegenspieler gehalten habe. Ich sehe kein Halten, ich sehe auch beim Zeigen der gelben Karte an der Gestik und Körpersprache des Schiedsrichters keine Anzeichen von Halten. Zudem läuft der Schiedsrichter nach dem vermeintlichen Halten weiter und folgt dem Spielgeschehen, wie man es am linken Bildrand gerade noch erkennen kann. Letztlich spielen die Spieler weiter und keiner stoppt vorher ab, da zuvor kein Pfiff wegen Foulspiels erfolgt ist. Die anschließende Spielfortsetzung räumt alle Spekulationen aus dem Weg. Der Schiedsrichter hat den Arm gehoben und signalisiert damit indirekten Freistoß – das zieht Meckern oder Protestieren eben nach sich. Hier lag Protestieren von Heider vor. Bei einem vermeintlichen Halten würde das Spiel mit einem direkten Freistoß fortgesetzt werden und der Arm des Schiedsrichters wäre somit unten geblieben.

Szene 3: Steffen Tigges (VfL Osnabrück) kommt im Strafraum an den Ball und wird von Max Barnofsky (Hallescher FC) zu Fall gebracht – wieder gibt es keinen Elfmeter für den VfL. [TV-Bilder – ab Minute 8:25]

Babak Rafati: Barnofsky von Halle spielt den Ball klar vor Tigges und spitzelt diesen zur Ecke. Der Schiedsrichter steht glänzend und schafft dafür die Grundlage für eine richtige Entscheidung. Er ist sich seiner Sache derartig sicher, dass er dabei sogar völlig ruhig bleibt. Das spüren die Spieler und das ist elementar für die Akzeptanz bei den Akteuren für den weiteren Spielverlauf sowie die weitere Spielleitung. Der Schiedsrichter entscheidet erneut richtig, keinen Strafstoß zu geben.

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Szene 4: Michel Niemeyer (1. FC Magdeburg) dringt in den Strafraum ein und wird von Sebastian Nachreiner (Jahn Regensburg) zu Fall gebracht. Schiedsrichter Thorben Siewer lässt weiterspielen. [TV-Bilder – ab Minute 2:25]

Babak Rafati: Bei diesem Laufduell zwischen dem Niemeyer und Nachreiner, liegt ein fußballtypischer Zweikampf vor. Niemeyer läuft in den Strafraum und kommt plötzlich zu Fall. Dabei kommt es natürlich im Oberkörperbereich zum Kontakt, jedoch ist kein regelwidriges Foulspiel von Nachreiner, der hinter Niemeyer herläuft, zu sehen. Eine richtige Entscheidung des Schiedsrichters, das Spiel aus einer guten Blickposition für ihn weiterlaufen zu lassen.

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Szene 5: Nach einem Kontakt von Tugrul Erat (MSV Duisburg) geht Timo Röttger (Sonnenhof Großaspach) im Strafraum zu Fall. Schiedsrichter Patrick Ittrich entscheidet auf Schwalbe und zeigt Röttger Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 6:10]

Babak Rafati: Der Schiedsrichter steht gut und hat freie Sicht. Im Strafraum von Duisburg kommt es im Laufduell zwischen Erat und Röttger zum Kontakt im Hüftbereich. Dieses Laufduell ist absolut in Ordnung, der Verteidiger lässt sich nichts zuschulden kommen. Daher ist es richtig, keinen Strafstoß zu pfeifen. Die Schiedsrichter sind dazu angehalten, Schwalben konsequent zu unterbinden. Dabei muss sich ein Angreifer nicht wundern, wenn er auch mal für eine Szene, die nicht eine klassische Schwalbe ist, die gelbe Karte bekommt. Eine vertretbare Entscheidung.

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Szene 6: Tugay Uzan (Rot-Weiß Erfurt) kommt im Strafraum an den Ball und wird von Wiesbaden-Keeper Markus Kolke zu Fall gebracht. Kein Elfmeter, sagt Schiedsrichterin Dr. Riem Hussein. [TV-Bilder – ab Minute 5:20]

Babak Rafati: Die Schiedsrichterin steht optimal am Strafraumeck und hat seitlichen Blick zum Geschehen. Kolke läuft aus seinem Tor heraus und spielt ganz klar den Ball vor dem Erfurter Angreifer – das sieht man auch sehr gut an der Richtungsänderung des Balles. Erst danach fällt der Angreifer über den am Boden liegenden Torwart, was aber im Bewegungsablauf völlig fußballtypisch ist. Auch wenn das Zufallkommen sehr spektakulär aussieht, ist es dennoch eine richtige Entscheidung der Schiedsrichterin, weiterspielen zu lassen.

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Szene 7: Nach einer Flanke geht Aaron Seydel (FSV Mainz 05 II) zum Ball und räumt dabei auch Rostock-Keeper Schuhen ab. Schiedsrichter Eric Müller lässt das Spiel weiterlaufen, danach trifft Mainz zum 1:1. [TV-Bilder – ab Minute 0:45]

Babak Rafati: Nach einer Flanke in den Strafraum von Rostock springen Seydel und Schuhen in der Luft zum Ball hoch und prallen dabei unglücklich zusammen. Viele glauben immer noch, dass der Torhüter einen Sonderschutz im Fünfmeterraum genießt. Diese Regel wurde aber mit der Saison 2012/2013 abgeschafft. Somit gibt es diesen Sonderstatus für einen Torhüter nicht mehr. Man muss eine Szene so beurteilen, als ob sie zwischen zwei Feldspielern im Mittelfeld stattfindet. Anders würde es sich in solchen Situationen verhalten, wenn der Torhüter den Ball mit beiden Händen kontrollieren würde. Dann würde er nicht angegangen werden dürfen. Eine richtige Entscheidung vom Schiedsrichter, das Spiel weiterlaufen zu lassen und somit das Tor anzuerkennen.

 

Szene 8: Aykut Öztürk trifft zum 3:1, Schiedsrichter Oliver Lossius gibt das Tor aufgrund eines Foulspiels an Sascha Traut (VfR Aalen) aber nicht. [TV-Bilder – ab Minute 7:10]

Babak Rafati: Generell ist es immer wichtig, dass die Zweikampfbeurteilung über die gesamte Spielzeit einheitlich ausgelegt wird. Öztürk greift seinem Gegenspieler auf die Schulter und drückt ihn im Laufduell herunter, sodass dieser zu Fall kommt und dem Angreifer nicht mehr folgen kann. Eine durchaus vertretbare Entscheidung, diesen Zweikampf zurückzupfeifen, einen Freistoß für Aalen zu verhängen und in der Folge das Tor zu annullieren.

   

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