Krämer: "TV-Gelder in keinem Verhältnis zum Interesse"

Im zweiten Jahr bei Rot-Weiß Erfurt kämpft Trainer Stefan Krämer wieder einmal um den Klassenerhalt. liga3-online sprach mit dem 50-Jährigen über den Reiz, unter schwersten Bedingungen zu arbeiten, die niedrigen Zuschauerzahlen und die trügerische Situation im Abstiegskampf.

[box type="info" size="large"]"Bin niemand, der eine ruhige Saison unbedingt braucht"[/box]

Hallo Herr Krämer. Rot-Weiß Erfurt gastiert am Samstag beim Chemnitzer FC – das ist doch irgendwie ein komisches Duell. Zwei Vereine, deren Sorgenfalten im wirtschaftlichen Bereich fast größer sind als im sportlichen…

Ja, wirtschaftlich sind beide Klubs etwas angeschlagen – wobei dies in der 3. Liga nicht auf die beiden Vereine beschränkt werden kann. Die Kosten steigen in die Höhe, die Fernsehgelder halten dort nicht mit. So wird es schwer, eine konkurrenzfähige Profimannschaft zu unterhalten. Gibt es dort mittelfristig keine Lösung, dann wird es in der Zukunft noch weitere Vereine treffen.

Glauben Sie, dass sich die 3. Liga zu günstig verkauft hat? Bald werden sämtliche Spiele live übertragen, die Gelder steigen jedoch vorerst nicht an.

Wenn ich beispielsweise hier im Osten sehe, wie viele Leute bei den Übertragungen einschalten, dann kann man durchaus der Meinung sein. Bei interessanten Spielen sind ja mehrere Hunderttausend Zuschauer an den Bildschirmen! Das steht nicht im Verhältnis zu dem, was die Vereine schlussendlich dafür bekommen. Für Klubs, die aus der 2. Bundesliga absteigen, ist das ein Schock, der kaum zu stemmen ist. Wer dann noch hohe Stadionmieten zahlen muss, der lebt in gewisser Gefahr…

RWE konnte die Stadionmiete ja immerhin auf ein noch erträgliches Maß reduzieren.

Dafür bin ich kein Fachmann, aber offenbar kann RWE so noch etwas Luft zum Atmen erhalten. Alles Weitere müssen wir zunächst sportlich regeln. Parallel dazu muss aber die Lizenz her. Unser Präsident Rolf Rombach spricht vom schwersten Kampf, seit er hier Präsident ist. Nichtsdestotrotz vertraue ich ihm und glaube, dass er es schafft.

Wünschen Sie sich nach nun sechs Jahren Trainerjob im Profibereich eigentlich mal eine ruhige Spielzeit?

Sagen wir es so: Ich bin niemand, der eine ruhige Spielzeit unbedingt braucht. Natürlich spielt jeder lieber um die Spitze als gegen den Abstieg. Aber speziell in der 3. Liga ist mittlerweile ohne Mittelfeld kaum eine "ruhige" Saison möglich. Die halbe Liga spielt oben mit und die andere Hälfte sieht sich mindestens einmal im Jahr im Abstiegskampf.

[box type="info" size="large"]"Da haben wir Körner gelassen"[/box]

Schauen wir auf Ihr Team. Dürfen wir das Wort "Torflaute" überhaupt noch verwenden? Es wurde schließlich bereits rauf- und runterdiskutiert, wieso Erfurt so wenige Tore erzielt.

Natürlich dürfen Sie das, das ist unser Problem. Wir hatten in dieser Saison zwei bis drei Schlüsselspiele, mit denen vieles einfacher funktioniert hätte. Leistungsmäßig ist mein Team nicht weit weg von den Mannschaften, die jetzt schon in sicheren Gefilden sind. Laut Statistiken befinden wir uns von den klaren Torchancen her im Mittelfeld der Liga, aber die Effizienz ist uns abhandengekommen. Das sieht man dann auch am Torverhältnis.

Im letzten Jahr haben Sie fast mit dem gleichen Kader 47 Treffer erzielt, aktuell stehen vier Spieltage vor dem Ende nur 26 Tore zu Buche.

Ich glaube schon, dass wir in der letzten Rückrunde geschafft haben, in der entscheidenden Phase gleich sieben bis acht Spiele am Limit absolviert haben. Mir war schnell klar, dass es schwer sein würde, auf diesem Niveau weiterzukicken. Kurz war die Hoffnung da, dass wir uns schnell von den unteren Plätzen distanzieren können. Dann aber fielen mit Jens Möckel und Andre Laurito gleich zwei Schlüsselspieler lange aus, wir mussten improvisieren. Wirtschaftlich waren wir gleichzeitig nicht in der Lage, dies durch neue Leute zu kompensieren. Da haben wir Körner gelassen.

Gucken Sie manches Mal neidisch auf jene Vereine, die im Winter drei bis vier neue Kracher verpflichtet haben?

Gegen ein, zwei Offensivspieler hätte ich im Winter ganz bestimmt nichts gesagt (lacht). Aber intern war von Beginn an klar kommuniziert, dass dieses Jahr schwer wird und wir mit dem zweitniedrigsten Etat der Liga arbeiten werden. Damit lässt sich keine individuelle Klasse verpflichten, die uns guttun würde. Im nächsten Jahr brauchen wir jene Leute, die vom Budget und Talent her passen und sofort weiterhelfen – ansonsten verpassen wir den nächsten Schritt, und dann wird es noch schwerer.

Wie kann Rot-Weiß Erfurt neue Leute für einen Vertrag begeistern, wenn nicht mit einem üppigen Gehalt?

Generell ist die 3. Liga als gute Plattform für Talente zu bezeichnen, die sich entwickeln wollen. Auch die Bundesligisten beobachten diese Spielklasse, und für jeden jungen Spieler ist es ein Stahlbad, Ostderbys zu spielen oder vor 20.000 Zuschauern in Magdeburg zu kicken. Das ist ein Umfeld, das sich in verschiedenen Aspekten kaum von der 2. Bundesliga unterscheidet. Der Hauptfokus der Spieler darf nur nicht auf dem Verdienst liegen – dann wird es für uns schwer.

Ähnliches gilt für die bisherigen Leistungsträger. Philipp Klewin, Jannis Nikolaou, Kapitän Mario Erb oder Okan Aydin wären nach aktuellem Stand am Saisonende ablösefrei zu verpflichten.

Wir haben bestimmt zwei bis drei Spieler, die sich durch stabil gute Leistungen interessant gemacht haben. Aber dafür bin ich lange genug dabei, um zu sagen: Wenn sich die Jungs nach oben entwickeln wollen und wir als Verein bis an unsere Grenzen gegangen sind, dann müssen wir auch einen Abgang akzeptieren und diesen adäquat ersetzen. Das ist im Fußball ein ganz normaler Vorgang.

[box type="info" size="large"]"Bin ich um jeden Besucher froh, der noch kommt"[/box]

Bei Ihrer Vertragsverlängerung im Mai 2016 haben Sie etwa eine Verbesserung der Trainingsbedingungen gefordert. Inwieweit sind diese eingetreten?

Damit bin ich sehr zufrieden. Alles, was nicht zwangsläufig mit Geld gelöst werden muss – sei es Organisation, Neuordnung, Fleiß oder der Arbeitseinstellung – hat sich deutlich verbessert. Jeder Trainingsplatz ist in einem guten Zustand, die physiotherapeutische Betreuung hat sich auch verbessert. Das macht die gesamte Arbeit leichter.

Auch das Stadion wurde deutlich aufgewertet. Das Problem: Es kommen abgesehen von den Ostduellen nicht signifikant mehr Zuschauer. Sind Sie ein Stück weit enttäuscht oder nehmen Sie dies aufgrund unattraktiver Spiele auf die eigene Kappe?

Zunächst einmal bin ich um jeden Besucher froh, der noch kommt und uns weiter unterstützt. Wir wissen, dass wir nicht immer alles richtigmachen – trotzdem kommen im Schnitt etwa 5.000 Zuschauer. Am Ende hängt aber der Zuschauerschnitt auch mit den erzielten Punkten und mit der Attraktivität der Spiele zusammen, beides kostet wiederum Geld und da beißt sich die Katze in den eigenen Schwanz. Man darf auch nicht vergessen: Rot-Weiß Erfurt war bisher immer in der 3. Liga dabei, bald vielleicht im zehnten Jahr. Da fehlt den Zuschauern vielleicht auch irgendwann der Anreiz, das kann ich verstehen. Da fehlen Antrieb und Spannung irgendwann, obgleich das Halten der Spielklasse unter diesen Umständen gewiss keine schlechte Leistung ist.

Noch einmal zurück zur aktuellen Situation: Erfurt bewegt sich schleichend auf die Abstiegsränge zu, den großen Knall gab es bisher nicht. Ist das gewissermaßen eine trügerische Situation, für die Fußballer sensibilisiert werden müssen?

Meine Mannschaft ist hellwach, davon bin ich überzeugt. Die Tabelle lesen kann jeder, aber wir haben noch immer einen Vorsprung zu verteidigen und müssen nichts aufholen. Das ist eine komfortable Situation. Ich gehe davon aus, dass wir noch vier bis fünf Punkte benötigen – und die werden wir auch holen, denn unsere Leistung war in den letzten Wochen stets stabil. Wir waren nie weit weg vom Sieg, immer auf Augenhöhe. Nun müssen wir das Ding einmal ziehen, so schnell wie möglich den nächsten Erfolg einfahren und damit für Ruhe sorgen.

Wie bewerten Sie das Restprogramm in den letzten Wochen?

Darüber wird zu viel gesprochen. Für manche Teams geht es offensichtlich um nichts mehr, andere wiederum nennen sich nun Aufstiegsfavoriten. Ich behaupte: Schaffst du es, an einem Tag deine Leistung abzurufen – nicht 80 und nicht 90 Prozent, sondern volle 100 – dann kannst du auch gegen jeden Kontrahenten gewinnen. Unsere letzten Ergebnisse haben mir gezeigt, dass wir gegen alle konkurrenzfähig sind. Das Restprogramm ist dann nebensächlich. Mich interessieren auch die kommenden Gegner von Bremen II und dem SC Paderborn nicht. Wir sind gut genug, um aus eigener Kraft die Klasse zu halten, und dann müssen wir auf diese Vereine gar nicht mehr schauen.

   

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