Saisonfazit VfL: Hoffnungen geschürt, Sehnsüchte nicht erfüllt

Der VfL Osnabrück hat seine Saison auf dem sechsten Tabellenplatz abgeschlossen – ein Endresultat, das vor der Spielzeit viele Fans so gerne unterschrieben hätten. Weil die Niedersachsen zwischenzeitlich aber an der Spitze mitmischten, ist das Ergebnis letztendlich eine kleine Enttäuschung. liga3-online.de blickt im Saisonfazit auf Stärken und Schwächen der Lila-Weißen und gibt eine kleine Prognose im Hinblick auf das kommende Drittliga-Jahr.

Das lief gut

Was lief gut beim VfL? Klar: Die Hinrunde, in der die neuerliche Aufstiegseuphorie langsam, aber sicher über die Bremer Brücke schwappte – auch wenn Trainer Joe Enochs stets mit beiden Füßen fest auf dem Boden blieb. Viele ahnten: In dieser Spielzeit ist etwas möglich! Schließlich befand sich Osnabrück nach 18 Spieltagen noch auf dem zweiten Tabellenplatz.
Überraschend viele wichtige Zähler ergatterte sich der VfL außerdem in den Derbys gegen Preußen Münster. Nachdem sich in den letzten Jahren gleich neun sieglose Duelle mit dem Erzrivalen aneinandergereiht hatten, platzte der Knoten in der Saison 2016/17 mit Wucht: Schon am ersten Spieltag krallte sich der VfL einen 1:0-Auswärtssieg, im Rückspiel wurde der Adler gar mit 3:0 in die Knie gezwungen – ein riesiger Jubel war die Folge! Dass es unmittelbar danach steil bergabgehen würde, hatte kaum jemand geahnt.
Wie gewohnt präsentierte sich die Enochs-Elf in den Heimspielen stark, holte allein dort zwei Drittel seiner Gesamtpunkte. Und doch wurden die hohen Ansprüche des eigenen Publikums verfehlt, der "Brücken-Mythos" stellte sich angesichts von vielen uninspirierten Auftritten längst nicht immer ein.

Das lief schlecht

Das größte Manko ist – das ergibt sich aus dem vorherigen Absatz – die Rückrunde gewesen. Nach dem Auftaktsieg über Preußen Münster folgten nur noch drei Erfolge, kurioserweise allein zwei davon über die späteren Aufsteiger Holstein Kiel und Jahn Regensburg. Demgegenüber standen letztendlich sechs Remis und satte neun Pleiten, eine solche Dürreperiode hatte es bei den Niedersachsen lange nicht gegeben. Sinnbildlich für diese so merkwürdige Saison, deren Einschätzung schwerfällt, steht die Statistik gegen die Kellerkinder: Gegen die letzten fünf Mannschaften der Abschlusstabelle konnte der VfL seine Favoritenrolle nicht ein einziges Mal in einen Sieg ummünzen! Zwei bittere Niederlagen gegen Werder Bremen II schmerzten ebenso wie die Heimpleiten gegen Fortuna Köln oder den Mainzer Nachwuchs. Es ist eine Bilanz, die das Verspielen des Zweitliga-Aufstiegs eindrucksvoll rechtfertigt – reif für das Bundesliga-Unterhaus war Osnabrück noch nicht. Genannt werden muss außerdem ein weiterer Aspekt: Der Manipulationsskandal um Addy-Waku Menga, Marc Heider und den vermeintlichen Drahtzieher Tobias Willers. Wieder ist der Verein mit Negativschlagzeilen behaftet, die Akteure haben dem Klub allein durch den bloßen Versuch einen Bärendienst erwiesen.

Die Bewertung der Neuzugänge

Nicht vergessen werden darf, dass auch der VfL Osnabrück sparen musste – teure Zweitliga-Transfers waren vor der Spielzeit nicht möglich gewesen. Stattdessen griff VfL-Ikone und Sportvorstand Lothar Gans vermehrt in den Regionalliga-Staffeln zu und angelte sich einige vielversprechende Talente: Kwasi Okyere Wriedt erwischte in der Offensive seinen Durchbruch, er könnte Osnabrück im Sommer einen mittleren sechsstelligen Betrag einbringen. Nazim Sangaré überzeugte als rechter Verteidiger wie auch im Mittelfeld. Routinier Bastian Schulz stabilisierte das defensive Mittelfeld, wurde zum Eckpfeiler. Jules Reimerink setzte sich auf links ähnlich wie Marc Heider auf rechts durch, beide fielen allerdings in manchen Partien ab. Voll auf ging die Leihe von Marius Gersbeck (Hertha BSC), der sich zu einem starken Drittliga-Torhüter mauserte und gehalten werden soll. Nachverpflichtung Marcel Appiah übernahm die Rolle von David Pisot in ähnlicher Souveränität, leistete sich kaum Fehler.

Einige Transfers weisen hingegen noch Verbesserungspotenzial auf. Konstantin Engel, immerhin mit einem 4,5-Jahresvertrag ausgestattet, nahm die erhoffte Führungsrolle in der Rückrunde noch nicht ein. Ahmet Arslan steigerte sich zum Saisonende hin, blieb aber hinter seinen Erwartungen zurück. Kemal Rüzgar und Robert Kristo können in der Offensive trotz des Ausfalls von Halil Savran kaum bewertet werden, eine Zukunft dürften sie nicht haben. Mohamed El-Bouazzati spielte sein Talent nicht aus und wurde schließlich sogar suspendiert. Bashkim Renneke war meist Joker, seine Leistungen schwankten.

Der beste Spieler: Marius Gersbeck

Zwölf Tore, sieben Vorlagen – Kwasi Wriedt lieferte viele Gründe, um Spieler des Jahres zu werden. Den sprichwörtlichen Hintern rettete dem VfL Osnabrück noch öfter aber Torhüter Marius Gersbeck, der nach einem wackligen Start konstante Topleistungen abrief. 43 Gegentreffer sind zum Großteil sein Verdienst, und das ist absolut positiv konnotiert – es hätten mit einem durchschnittlichen Keeper auch 50 oder mehr Gegentore werden können. Man denke allein an das Heim- wie Auswärtsspiel in Zwickau, die Partie in Lotte oder in Wiesbaden. Kaum ein Spieler dieser 3. Liga hat eine größere Entwicklung vollzogen.

Die Enttäuschung: Tobias Willers

Zur absoluten Enttäuschung wurde Tobias Willers – und das nicht einmal sportlich, auch wenn er dort hin und wieder einen Fehler einstreute. Viel mehr ist sein Charakter in Frage zu stellen, nachdem er offensichtlich vor dem letzten Spieltag Geld für eine gute eigene Leistung gegen den SC Paderborn verlangen wollte. Wusste er nicht, dass der VfL Osnabrück schon einmal wegen ähnlicher Gründe in den Schlagzeilen gestanden hatte? Seine Zukunft als Profispieler ist offen, zumindest moralisch hat er entscheidend versagt.

Fazit

Eigentlich lässt sich mit dem sechsten Platz anfreunden, sobald die Emotionen im VfL-Lager etwas abgekühlt sind. Holstein Kiel, Regensburg und Duisburg waren schlichtweg stärker, sie waren entweder individueller besser besetzt oder hatten noch mehr Team auf dem Rasen als Osnabrück. Nichtsdestotrotz ist das Publikum ehrgeizig, will Fortschritt sehen – auch deshalb stand Coach Enochs immer wieder im Kreuzfeuer der Kritik. Er wird auch in der kommenden Spielzeit keinen leichten Job besitzen, zumal finanziell keine großen Sprünge möglich sind. Die Zulassungserteilung wurde auch im Jahr 2017 zu einer mächtigen Aufgabe, die die Niedersachsen offensichtlich erfolgreich bewältigt haben.

Prognose

Der VfL Osnabrück fühlt sich seit dem Abstieg im Jahr 2011 als Zweitligist mit einem Betriebsunfall. Das Problem: Dieser Unfall geht nun bereits ins siebte Jahr – und der Favoritenstatus wird nicht größer. Vielmehr wird sich der VfL mit einer ganzen Reihe an Mitkonkurrenten messen müssen. Viel hängt in Osnabrück nicht vom Start ab, sondern vom Zieleinlauf, die gute Leistung muss konserviert werden. Andererseits ist bei einem missglückten Auftakt schnell davon auszugehen, dass die Fan-Kritik an Trainer Enochs wieder zunehmen wird – kein leichter Job für den US-Amerikaner unter schwierigen Bedingungen.

   

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