Stuttgarter Kickers und FSV Frankfurt droht Oberliga-Absturz
Der Abstieg aus der 3. Liga bedeutet so gut wie immer einen tiefen Fall mit harter Landung. Nicht selten verschwinden Vereine für lange Zeit aus dem nationalen Blickfeld. In der Regionalliga Südwest befinden sich aktuell gleich zwei Clubs im absoluten Existenzkampf, die noch vor kurzer Zeit noch an das Tor zur 2. Bundesliga klopften respektive in der Spielklasse an den Start gingen: die Stuttgarter Kickers und den FSV Frankfurt.
Eigendynamik hat sich entwickelt
Die Ursapharm-Arena an der Kaiserlinde – das klingt nach einer märchenhaften Spielstätte. Für die Stuttgarter Kickers und deren Trainer, pardon, Ex-Trainer Tomasz Kaczmarek entwickelte sie sich am Samstagnachmittag nach exakt sieben Minuten zum Albtraum. Torhüter Cedric Veser schlägt zu kurz ab, Jean Romaric Kevin Koffi reagiert gedankenschnell und schickt das Leder aus 20 Metern in den Winkel. 1:0 für die SV Elversberg. Nicht zum ersten Mal brechen die Schwaben in der Folge auseinander, 0:3 heißt es aus SVK-Sicht zum Seitenwechsel, 1:4 lautet der bittere Endstand.
Die Kickers, die zumindest im oberen Tabellendrittel mitspielen wollten, verbleiben auf dem ersten von drei Wackelplätzen, die zu drei sicheren Abstiegsplätzen hinzukommen. Das heißt nach 14 Spieltagen nicht viel, aber auch nicht wenig. Läuft es ähnlich bitter wie in der vergangenen Saison – zwei Südwest-Absteiger aus der 3. Liga, beide Teilnehmer an den Aufstiegsspielen scheitern – kann erneut der Sechstschwächste in die Oberliga geschickt werden. Die Sache entwickelte auf der Waldau am Sonntag und Montag rasch eine logische Eigendynamik, Kaczmarek wurde am Dienstagmittag von seinen Aufgaben entbunden. In unfassbaren sieben der letzten acht Partien hatten die Kickers mindestens drei Tore kassiert.
Nah an der 2. Bundesliga, nun nicht mehr viertligatauglich?
"Das geht noch 3:3 aus", schrieb ein Nutzer sozialer Medien kürzlich unter ein Facebook-Posting der Stuttgarter Kickers, als dieser den 3:0-Halbzeitstand im Montagsspiel gegen Hessen Kassel verkündete. Tatsächlich schafften es die Blauen, am Ende mit nur einem Punkt dazustehen. Sie hatten – wieder einmal dank ihrer nicht viertligatauglichen Defensive – drei Tore Vorsprung in nicht einmal 45 Minuten verspielt. Fern wirken die Zeiten, als Horst Steffen die Kickers in einer Fabelsaison 2014/15 nah an die 2. Bundesliga, nah an ein Stuttgarter Derby gegen den großen VfB führte. Als Vincenzo Marchese die Fäden im Mittelfeld zog, Besar Halimi mit frechen Tricks und brillantem Auge eine Vorlage nach der nächsten lieferte, Sandrino Braun und Royal-Dominique Fennell auf der Sechs abräumten und Gerrit Müller als Offensiv-Allrounder niemand in den Griff bekam.
Bis auf Fennell stürzte jeder Genannte nach seiner Zeit bei den Kickers sportlich ab. Das Kollektiv, das sich in einen Rausch spielte, funktionierte im Herbst 2015 nicht mehr. Im Mai 2016 stiegen die Kickers in letzter Sekunde ab, zwölf Monate später retteten sie sich mit neun Punkten aus drei Partien vor der Oberliga Baden-Württemberg. Nun arbeiten die Süddeutschen erneut mit Hochdruck daran, endgültig von der Bildfläche zu verschwinden.
Konsolidierung im Haifischbecken Südwest-Staffel
Mit dem drohenden Absturz in die Fünftklassigkeit sieht sich aktuell auch der FSV Frankfurt konfrontiert. Er war nach dem doppelten Abstieg aus der 2. Bundesliga in die Regionalliga ohnehin mit einem sparsamen Etat gestartet, muss irgendwie die finanzielle Konsolidierung nach der Insolvenz im Frühjahr schaffen. Eine sportliche Aufgabe in jener vierthöchsten Spielklasse, die in der Breite stärker besetzt ist als Nord-, Nordost- und Bayern-Staffel zusammen. Jener Liga, in der Traditionsklubs wie Offenbach, Mannheim und Saarbrücken ein Wettrüsten mit sponsorengedeckten Dorfvereinen aus Elversberg, Steinbach oder Walldorf eingehen – und Bundesliga-Talentschmieden aus Stuttgart, Mainz, Freiburg und Hoffenheim ebenfalls ein großes Stück vom Kuchen abknabbern.
Funktionieren kann so eine Mission nur mit jungen Leuten. Der Altersdurchschnitt am Bornheimer Hang beträgt 23 Jahre, bis auf die in der 3. Liga völlig bedeutungslos gebliebenen Matay Birol und Mateo Andacic hat Frankfurt nach dem Abstieg keiner die Treue erwiesen. Viele Akteure kaufte Frankfurt in den Jugendakademien im Umkreis ein, in Kaiserslautern, Darmstadt oder Stuttgart. Jene Spieler, die von Zweit- und Drittligisten gar nicht erst gesichtet wurden und für die auch die ambitionierten Regionalliga-Clubs keinen Grund zur Verpflichtung fanden. Leon Bell Bell, Yves Mfumu, Maziar Namavizadeh, Javan Torre Howell – wem die Namen nicht geläufig sind, der könnte auch ein amerikanisches College-Basketballteam hinter den Neuverpflichtungen vermuten.
Kampf ums nackte Überleben
Die Stuttgarter Kickers haben 34 Tore kassiert, der FSV Frankfurt erst zehn geschossen. In der Summe ergibt sich eine ähnliche Platzierung, ergeben sich ähnliche Sorgen. Nur Neulinge wie Röchling Völklingen und Schott Mainz, Clubs, die Jahrzehnte in der Provinz verbracht haben, können die ehemaligen Drittligisten noch hinter sich lassen. Dazu gesellt sich die TuS Koblenz, die ebenfalls aufgrund mangelnder finanzieller Argumente ohne wirkliche Perspektive durch die Liga schaukelt. Hessen Kassel, noch so ein Traditionsverein, ging dank einer gefühlt im dreijährigen Turnus erfolgenden Insolvenz mit neun Punkten Abzug an den Start. Nach einem guten Start sind die Nordhessen ins Straucheln gekommen. Am Samstag reist Kassel zum Krisengipfel nach Frankfurt. Stuttgart empfängt eine Stunde darauf im zweiten Kellerduell Völklingen. Um die 3. Liga geht es dort dann längst nicht mehr, sondern nur noch um das nackte Überleben.