1. FC Magdeburg vor Pokalkracher: Warum eigentlich nicht?
Als dem 1. FC Magdeburg vor über zwei Monaten Borussia Dortmund in der 2. DFB-Pokal-Hauptrunde zugelost wurde, schwankte die Stimmung bei der großen blau-weißen Fangemeinde spürbar zwischen Resignation, Ehrfurcht und Enttäuschung ob des schier übermächtigen Gegners. Doch mittlerweile hat sich die entschlossene Mentalität der Mannschaft vor dem Pokal-Duell am Dienstagabend (20:45 Uhr) auch auf die Fans übertragen.
Respekt ja, Ehrfurcht nein
Natürlich ist sich jeder im Verein wie im Umfeld des 1. FC Magdeburg bewusst, dass am Dienstagabend nicht nur nationales Gardemaß, sondern auch ein Team aus dem Feld der europäischen Königsklasse in der MDCC-Arena seine Aufwartung macht. Wie käme man nur dazu, jemals in Frage zu stellen, dass niemand anderes als der BVB dieses Duell an der Elbe für sich entscheiden wird? Hatte eine demütige Haltung noch die Diskussion nach der Auslosung bestimmt, so ist sie mittlerweile einem selbstbewussten Mut gewichen. Überraschenderweise wurde sie diesmal von der Mannschaft an die Fans übertragen. Anscheinend musste die sonst so vor Überzeugung strotzende Anhängerschaft der Blau-Weißen diesmal erst überzeugt werden.
Es sind die kleinen Zwischentöne der Mannschaft, die der Magdeburger Einheit heute Hoffnung spenden. Natürlich hört man in den offiziellen Statements der Spieler und Verantwortlichen vor allem Respekt vor der Aufgabe gegen den Bundesligaspitzenreiter. Was man jedoch nicht vernimmt, ist ehrfurchtsvolle Demut. Um zu erfahren, dass der Drittligazweite den großen Coup gegen den Champions-League-Teilnehmer wagen will, muss der Leser nicht einmal mehr zwischen den Zeilen suchen. "Eine Chance hat man immer – egal wie groß sie ist. Das lässt sich jetzt auch nicht in Prozentzahlen ausdrücken", sagte Magdeburgs Cheftrainer Jens Härtel auf der Pressekonferenz am Montag. Gegenüber dem MDR legte er am Dienstag nach und verkündete, wenn der BVB die Tür einen Spalt weit aufmache, müsse sein Team den Fuß dazwischen stellen.
BVB verzichtet auf Aubameyang und Götze
Die Schwarz-Gelben, wettbewerbsübergreifend seit drei Spielen ohne Sieg, verzichten in Magdeburg auf die Dienste von Topstürmer Pierre-Emerick Aubameyang und Weltmeister Mario Götze. Da auch Innenverteidiger Ömer Toprak verletzungsbedingt ausfällt, kündigte BVB-Trainer Peter Bosz an, einigen Rekonvaleszenten Einsatzzeiten zu geben und sich von der jüngsten Schwächephase nicht irritieren zu lassen: "Wir werden am Spielstil nichts ändern", erklärte der 53-jährige Niederländer am Montag.
Ob der BVB ein paar seiner Stammspieler wirklich aufgrund muskulärer Probleme in Dortmund lässt, oder der Verein aufgrund der weiterhin anstehenden Englischen Wochen das spielerische Tafelsilber in Magdeburg nicht verschwenden will, ist offen. Sicher ist nur einerseits, dass Borussia Dortmund auch ohne Aubameyang, Götze und Co. noch lange keine Rumpfelf nach Magdeburg schicken wird, andererseits tun die Schwarz-Gelben dem Club den motivierenden Gefallen, durch den mutmaßlich gewollten Verzicht auf einige Topstars gegen den Drittligisten nicht bis ans Äußerste gehen zu wollen.
Erdmann und Beck besonders im Fokus
Beim FCM ist man darüber hinaus schon lange auf Betriebstemperatur. Nicht nur, dass die unnötige Heimniederlage gegen Unterhaching die Mannschaft zur Wiedergutmachung vor den eigenen Fans angestachelt hat, auch abseits des Platzes hat das Vorgeplänkel ein mediales Rauschen erzeugt. So freut sich FCM-Stürmer Christian Beck aus einem ganz persönlichen Grund auf die Partie. Der Pokal-Knipser, der zuletzt maßgeblich am Augsburg-Aus beteiligt war, ist Fan der Schwarz-Gelben: "Ich war letztens zum Beispiel in Hamburg, als der BVB gegen den HSV gespielt hat. Ich verfolge jedes Spiel", sagte er dem MDR.
In eher inniger Abneigung steht Mittelfeld-Abräumer Dennis Erdmann dem BVB gegenüber. Seit Erdmann als damaliger Akteur im Dresden-Trikot im März 2015 Dortmunds Stürmer Marco Reus abseits des Spielgeschehens foulte, wird Erdmann in fast jeder überregionalen Presseanfrage an diese Szene erinnert. "Da gab es einen Riesenaufschrei in der Medienwelt, nur weil es Marco Reus war und er gerade seinen Vertrag verlängert hatte für mehrere Millionen Euro. Gar keine Frage, dass er ein Weltklasse-Spieler ist. Das habe ich niemals in Frage gestellt. Aber ich habe in Frage gestellt, inwieweit er etwas aushalten können muss, wenn er schon so viel Geld verdient." Vor kurzem im MDR auf die damalige Situation angesprochen, bekräftigte der Mittelfeldspieler: "Das, was ich danach gesagt habe, dazu stehe ich zu einhundert Prozent. Ich habe das aus einer ehrlichen Emotion heraus gesagt. Wenn ich da meinen Mund gehalten hätte, wäre ich an dem Abend mit Bauchschmerzen ins Bett gegangen."
Fans werden atmosphärisches Inferno entfachen
Nicht nur Dennis Erdmann wird heute mit einer gesunden Einstellung im Stadion auflaufen. Die Anhänger des FCM wollen nach ihrer anfänglichen Schockstarre über das unlösbare Pokallos BVB ihrem eigenen Ruf als die "Größten der Welt" einmal mehr gerecht werden und ein atmosphärisches Inferno in der MDCC-Arena entfachen. Auch wenn die Masse von "nur" 23.000 Zuschauern nicht mit den 81.000 Zuschauern im Signal Iduna Park zu vergleichen ist, so wollen die Clubfans den BVB-Spielern doch zumindest mit einer erstklassigen Stimmung den nötigen Respekt einflößen – und ihren Akteuren damit so lange wie möglich die Tür zu einer möglichen Überraschung offenhalten.