Zehnerjahresserie Saarbrücken: Die Heimkehrer
Nach dem Krieg stellt der FCS die „interessanteste Mannschaft Europas“ und spielt um den Landesmeisterpokal eines zerrütteten Kontinents – der Sorgerechtsstreit um die Saar macht’s möglich.
Das hatte es lange nicht gegeben. Der alles zerreißende, Bombenteppiche knüpfende Fliegerlärm hatte sich in völlige Ruhe verwandelt. Dem von Schutt und alleingelassenen Menschen durchsetzten Landschaftsbild war es gelungen, den unsteten Puls des Krieges abzuschütteln und so den Platz für zielstrebige Trümmerfrauen und barfüßige Kinder mit löchrigen Lumpenfußbällen zu bereiten.
Bereits mit dem ersten Torschuss auf den noch durchlöcherten Straßen war die Zukunft einer Zeit geboren, deren Lebensrhythmus wie kein anderer durch den Fußball bestimmt werden sollte. Die besondere politische Situation rund um das spätere elfte Bundesland der BRD ermöglichte seinem Hauptstadtklub eine einmalige Protagonistenrolle auf der weithin unberührten sportlichen Nachkriegsbühne. Im Vergleich zur Strahlkraft dieser Geschichte kann einem die ein oder andere Episode heutiger Vereinshistorien geradezu wie eine Aufführung von Statisten erscheinen. Angesichts manch fader Darbietung trotz spendabler Mäzene, wünschen sich nicht wenige Fans in jene Zeit zurück, deren unmodernes Flair von heute aus gesehen solch tiefe Heilsamkeit für die kommerzialisierte Fußballseele zu versprechen scheint.
Mit der gestiegenen Bedeutung des Fußballs für die Menschen und seiner Etablierung als gesellschaftliches Massenereignis hat der Sport ein beeindruckendes Wachstum vollzogen. Sehr früh hat ihn die mediale Aufmerksamkeit so begleitet, dass beide nun untrennbar wie ein sehr altes Ehepaar, miteinander verwoben sind. Die Ausprägungen, die ihre gemeinsame Entwicklung erreicht hat, machen den Eindruck, als würde einer der beiden Partner verschwinden, sobald es den anderen nicht mehr gibt. Während die Präsenz in den Medien dem Fußball hohe Werbeeinnahmen und einträgliche Fernsehverträge sichert, beschert er seinem Gegenüber bisweilen spannende Geschichten und Spiele für die hungrigen Zuschauer.
Von dem noch zahlungsfähigen Fußballhimmel der Bundesliga haben sich manche Klubs jedoch längst in Richtung Tuchfühlung zur Insolvenz verabschiedet. Sie haben bewiesen, dass Tradition ohne ausreichende finanzielle Möglichkeiten und verständige Vereinsführung im Dunstkreis der Bedeutungslosigkeit mündet. Der FCS kann ein Lied davon singen.Das, was unmittelbar nach dem Krieg so besonders war, war der Umstand, dass es überhaupt keine derartige Bedeutungslosigkeit gab, weil alles bedeutungslos war, außer, dass man noch lebte. Zu den am frühesten wieder beachteten Ereignissen gehörte auf einem der vordersten Plätze schließlich der Fußball.
Geburt der Tradition
Bei der Betrachtung der Wiederanfänge der Spielbetriebe in der Nachkriegszeit kann der Eindruck entstehen, dass jener Abschnitt beispielhaft für den ursprünglichen Charakter dieses Sports sei. Frei von theatergleicher Publikumsstruktur, liefen die ersten Stollenschuhe in Stadien auf, deren Bauweise noch nicht opernähnlich anmutete.
Die Arbeiter, die zu den Plätzen strömten, verliehen dem Protagonisten Fußball ein Gesicht, dessen Konturen zu bewahren ihm mit der steigenden eigenen wirtschaftlichen Bedeutung nicht vergönnt war. Die massenbewegende Öffentlichkeitswirkung, die dem Sport selbst von Anfang an innewohnte, hat ihn scheinbar seine Unschuld gekostet. Genau sie ist es, die sich viele Fans zurückwünschen. Manchmal wird versucht, ihre Unwiederbringlichkeit mit noch mehr Geld zurückzukaufen, als jenes, das ihre Verlorenheit bewirkt hat. Gründungsdaten werden wie Adelstitel gehandelt und ins Schaufenster der Clubvitrine gehängt, auch dann, wenn es sonst noch nichts darin zu bewundern gibt.
Die Entwicklung hin zum Gipfel der Vermarktung vermag nichts besser ausdrücken, als das Strategiepapier „Vision Europe“ der ehemaligen „G14 – Gruppe“ des europäischen Fußballs. Als Zusammenschluss der mächtigsten Vereine, vorwiegend Westeuropas, erklärten sie darin: „ Der Fußball ist ein Geschäft geworden. Um weiteren wirtschaftlichen Aufschwung zu garantieren, muss das Produkt internationaler Fußball weiterentwickelt und dem modernen Konsumenten nahegebracht werden unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es vor allem die Vereine sind, die das Produkt liefern.“
Doch auch, wenn die Ledigkeit vom großen Geld und der Reportage durch die Massenmedien nach dem Krieg noch zu sehen war, spielten damals wie heute Erfolg und Prestige eine wichtige Rolle. Zunächst noch Lebensmittel oder Einrichtungsgegenstände einstreichend, gab es schon bald auch finanzielle Prämien für engagierte Akteure. Die Geburt der vielbesagten Tradition, an der die Nachkriegszeit beteiligt war, fand also nicht ohne wirtschaftliche Komponenten statt. Deshalb ist die Unschuld des Fußballs nicht gänzlich frei von Modernität. Das seitdem vollzogene Wachstum, das in diesem Zusammenhang wahrnehmbar ist, hat aber Ausmaße erreicht, die mit den früheren nicht zu vergleichen sind. Auf diesem Hintergrund wird z. B. das Anliegen von Ultras, dem „modernen Fußball“ Einhalt zu gebieten, deutlicher, auch wenn die Ultrabewegung trotz ihrer ideellen Ablehnung desselben doch Teil dieses großen Ganzen ist.
Ihre Gestaltungskraft hätte jedoch auch schon nach dem Krieg großen Freiraum gefunden. Denn in dieser, nach Neugestaltung lechzenden Zeit, lagen die zerbombten Fußballplätze wie ein Brachland dar, dessen Bestellung während der Auseinandersetzungen nur spärlich möglich gewesen war. Einen der größten Pflüge führte in den darauffolgenden Jahren die blau-schwarze Mannschaft von der Saar mit sich und sorgte dafür, dass genau ihr Sport im Leben vieler Menschen zu Bedeutung kam. Reiche Kohlevorkommen sowie Stahlproduktion waren an der französischen Grenze schon bald der Inbegriff finanziellen Erfolgs und Wohlstands.
Beide Industriezweige stellten für die französische Regierung den entscheidenden Grund dar, sich für das damalige Saargebiet zu interessieren und es vom Völkerbund seinem Protektorat anvertrauen zu lassen.
Anschluss an Frankreich
Die Eingliederungspolitik, die Frankreich an der Saar betrieb, hatte zum Ziel, die dortige Bevölkerung kulturell zu binden. In dem damit verbundenen Vorgehen nahmen der Fußball und insbesondere der FCS einen wichtigen Platz ein. So fand das erste internationale Spiel des 1. FC Saarbrücken am 27. April 1947 gegen Stade Reims statt. Im nach dem französischen Kriegsschiff „Jean Bart“ umbenannten Nationalstadion Kieselhumes unterlagen die Saarländer gegen den damaligen Meister mit 3:5. Neben den französischen Zeitschriften und Tageszeitungen, die in der Innenstadt und an den Kiosken rund um das Stadion auslagen, war vor allem die Anwesenheit des damaligen FIFA-Präsidenten Jules Rimet bei dem Spiel bemerkenswert. In seiner gleichzeitigen Funktion als Chef des französischen Fußballverbandes hatte er gemeinsam mit seinem Landsmann General Grandval an einem Strang gezogen. Zusammen hatten sie dafür gesorgt, dass die Begegnung trotz des internationalen Spielverbotes gegen Mannschaften aus dem ehemaligen deutschen Reichsgebiet stattfinden konnte. Damit unterstützte Rimet den Soldaten dabei, ab sofort zwischen dem Saarland und Deutschland zu unterscheiden.
Mit dem deutschen Vizemeistertitel 1943 und der Südwestmeisterschaft 1946 hatten die Saarbrücker ihre sportlichen Ambitionen in jüngster Zeit untermauert. Im Vergleich zum regionalen Ligabetrieb boten die nun arrangierten Spiele eine willkommene Abwechslung und zugleich die Möglichkeit, sich auf europäischem Parkett zu messen.
Während die Oberligasaison noch bis Anfang Juni 1947 zu Ende gespielt wurde, folgte bereits am 11. Mai das nächste Aufeinandertreffen mit einer französischen Auswahl. Gegen Stade Français aus Paris stand schließlich ein 2:1 vor 30.000 Zuschauern zu Buche. Eine aus Spielern des FCS und der Hüttenstätder des VfB Neunkirchen gemischte Mannschaft versetzte die örtliche Presse in Verzückung und ließ sie über das „schönste Spiel seit Jahren“ jubeln. Kurz darauf wurde im November die Abnabelung der Saar von Deutschland durch Frankreich weiter forciert. Maßnahmen, wie z. B. die Währungsumstellung, die mit dem Anschluss an den westlichen Nachbarn einhergingen, machten besonders Auswärtsspiele für den FCS immer schwieriger, da die Grenzkontrollen stärker wurden. Den Hauptstadtkickern wurde damit ebenso die Reise nach Deutschland erschwert, wie anderen Erwachsenen, die gerne ihre Kinder mitnahmen, um in deren Taschen und Hosenbeinen Schmuggelware zu verstecken.
Da die blau-schwarzen sich nicht im Stande sahen, unter diesen Bedingungen die Teilnahme am deutschen Ligabetrieb aufrecht zu erhalten, bemühten sie sich um anderweitigen Ersatz. Auf dem Hintergrund, dass die eingeführte Ehrenliga Saar keine ausreichende Herausforderung für den stärksten ihrer Vereine darstellen könnte, bemühten sich Landessportausschuss und Kultusministerium um eine „Weiterentwicklung des Saarsports nach dem Anschluss“.
Der Schritt dorthin war die Bewerbung um eine Spielberechtigung beim französischen Verband. Trotz des Bemühens der Saarländer um Eingliederung in das neue Spielsystem waren die Franzosen zunächst nicht bereit, dem Antrag stattzugeben. Selbst im Hinblick auf die verfolgten wirtschaftspolitischen Interessen kam die Vorstellung, eine ehemals deutsche Mannschaft zu einem potentiellen französischen Titelträger zu machen, bei sehr vielen Verbandsvertretern einem Alptraum gleich. Die Wunden der Kriege zwischen den Erbfeinden waren noch lange nicht verheilt. Der Widerstand, der unter anderem mit möglichen zu hohen körperlichen Anforderungen für den FCS im französischen Ligasystem begründet wurde, erschöpfte sich letztlich in einem Kompromiss. Nachdem die physische Tauglichkeit durch einen 5:1 Heimsieg gegen den AS St. Etienne sowie bei einem 1:1 in Paris bewiesen worden war, erfolgte zudem noch der Rückzug eines Zweitligisten aus der Liga. Den von nun an „FC Sarrebruck“ genannten Kickern wurde daraufhin ein Gastspielrecht in der zweiten Division zuerkannt. Das bedeutete, dass ihre Spielergebnisse außer Konkurrenz gewertet wurden und nicht in die reguläre Tabelle einflossen. Die Auflage an den Saarverein, genauso wie die anderen Mannschaften in der Liga zumindest eine Halbprofimannschaft zu unterhalten, machte den FCS zum ersten deutschen Verein überhaupt, der eine Vertragsspielerabteilung unterhielt.
Meister oder nicht?
Nach nur drei Niederlagen in Bordeaux, Nantes und Valenciennes stand am Ende der Spielzeit fest, dass der FCS inoffizieller Meister der 2. französischen Division geworden war. Mit 59 Zählern hatten die Blau-Schwarzen 5 mehr, als die Girondins. Die darauf folgende Bitte der Saarländer, in der Folgesaison offiziell in der 2. Division antreten zu dürfen, wurde jedoch abgelehnt. Das hing vor allem damit zusammen, dass sich die Vertreter des Erstligaabsteigers Racing Strasbourg vehement gegen ein Aufeinandertreffen mit den Saarländern wehrten. Schlechte Erfahrungen in der Gauliga des 3. Reiches und die Erinnerung an das Votum der Saar für Deutschland, 1935, brachten bei den Elsässern keine versöhnliche Stimmung hervor.
Da ein Saarclub als Titelträger in Frankreich ohnehin undenkbar gewesen wäre, stellten sie die Frage, welchen Sinn eine Aufnahme in den Meisterschaftsbetrieb machen sollte. Angesichts der noch zu tief sitzenden Ereignisse der jüngsten Vergangenheit konnte auch das positive Votum von Verbands- und FIFA Präsident Rimet den Saarbrückern nicht helfen. Vielmehr trug es dazu bei, dass er noch im selben Jahr als Chef der Französischen Fußballföderation abgewählt wurde. Nachdem die Saison Anfang 1949 unter anderem mit einem Sieg gegen Olympique Lyon abgeschlossen worden war, standen die Saarbrücker nun wieder ohne sportliche Perspektive da. Spieler wie Herbert Binkert, der in der abgelaufenen Saison 41 Tore geschossen hatte oder Peter Momber mit 27 Treffern, wollten ihre Klasse weiter unter Beweis stellen.
So wurden zum Saisonabschluss drei hochkarätige Gegner nach Saarbrücken eingeladen. Nachdem man zunächst die damals unter jugoslawischer Flagge antretende Mannschaft von Hajduk Split mit 3:2 besiegt hatte, folgte gegen den Charlton Athletic Club London am 8. Mai eine 0:1 Niederlage. Den Höhepunkt der 3 Freundschaftsspiele bildete schließlich das Duell mit dem neuen französischen Meister Racing-Club de Paris. In einem bemerkenswerten Spiel erreichten die Saarländer einen 4:1 Heimsieg und erwarben sich so von FIFA-Präsident Rimet das Prädikat „Interessanteste Mannschaft Europas“. Noch im selben Jahr wurde das internationale Spielverbot gegen deutsche Mannschaften durch die FIFA aufgehoben.
Spagat vor dem Saarlandpokal
Für die Franzosen stellte das eine neue Schwierigkeit dar. Die Ablehnung des FCS hatte andere saarländische Vereine nicht nur abgeschreckt, den Blau-Schwarzen auf ihrem Weg zum großen Nachbarn zu folgen, sondern sie auch darin bestärkt, sich wieder in Richtung Deutschland zu orientieren. Die nun offizielle Genehmigung der FIFA eröffnete einen Weg aus der sportlichen Sackgasse. Während die gegenseitigen Absagen den Versuch nach Eingliederung des Saarsports in das französische System zum Scheitern zu bringen schien, versuchte die französische Politik die Beteiligung der Clubs am deutschen System zu unterbinden. Während die Verantwortlichen einerseits nicht bereit waren, den neuen Vereinen, insbesondere den Saarbrückern, alle Titelmöglichkeiten einzuräumen, so wollten sie die teilautonome Kohle- und Stahlkammer, für die sie das Sorgerecht übernommen hatten, doch nicht vergraulen.
Diesen Spagat ließ sich das französische Hohe Kommissariat gemeinsam mit der saarländischen Regierung eine Menge Geld kosten. Mit insgesamt 2 Millionen Saar-Franken an Siegprämien dotiert, stifteten beide den Internationalen Saarlandpokal. Die Landesregierung unter Johannes Hoffmann, die sich über die Prestigemöglichkeiten eines solchen Turniers freute, sorgte zusammen mit den Franzosen und dem FCS für eine geradezu glamouröse Atmosphäre. Auch 1950 waren Autos noch immer rar gesät. Umso mehr bestaunten die Anwohner die Massen an Fahrzeugen, die das Stadion bei den Spielen anfuhren.
Obwohl der Saarlandpokal als ein internationales Turnier ausgeschrieben und die FIFA das Spielverbot aufgehoben hatte, war es keiner deutschen Mannschaft möglich, daran teilzunehmen. Dadurch, dass der DFB im Gegensatz zum damaligen Saarländischen Fußballbund noch nicht FIFA-Mitglied war, erfüllten seine Vereine nicht die Teilnahmebedingung, die allen FIFA-Vereinsmannschaften das Teilnahmerecht einräumte. Ob von den Franzosen bedacht oder nicht, hatten sie ihr Ziel, deutsche Mannschaften von der Saar fernzuhalten, zunächst erreicht.
Zu dem Turnier meldeten sich schließlich 16 Mannschaften aus Südamerika und Westeuropa. Auch von den hohen Prämien angelockt, gaben sich unter anderem Rapid Wien, Standard Lüttich und UC Santiago de Chile die Ehre. Nachdem es der FCS zusammen mit Hajduk Split, Stade Rennes und dem FC Metz ins Halbfinale geschafft hatte, gelang es den Saarländern, den Pokal mit einem 4:0 gegen Rennes in der Heimat zu behalten. Am 11. Juni 1950 feierten tausende Menschen zusammen mit der Mannschaft den Finalsieg. Auch der zuständige Hohe Kommissar der Franzosen, Gilbert Grandval ließ sich eine Gratulation nicht nehmen. Die Bekanntheit, die der FCS durch die Durchführung und den Gewinn des Turniers erreichte, brachte im selben Jahr und auch in den folgenden noch mehrere Turniereinladungen und Anfragen für Freundschaftsspiele.
Liverpool, Madrid, Sao Paulo
So gab sich beispielsweise 1950 der damalige englische Pokalfinalist FC Liverpool in Saarbrücken die Ehre, den der FCS mit 3:0 schlagen konnte. Nach der Teilnahme an einem Osterturnier in Katalonien bereisten die Saarbrücker Spanien im Februar 1951 noch einmal. Nach einem 2:2 gegen Deportivo La Coruna und dem 4:0 gegen Athletico Bilbao gelang den Blau-Schwarzen am 21. Februar 1951 ein internationaler Paukenschlag. Vor 50.000 Zuschauern schlug Saarbrücken Real Madrid mit 4:0. Nach 12 Jahren ohne Heimniederlage waren nicht nur die Madrilenen von den Gästen überrascht. In ganz Spanien kam dieses Resultat einer unglaublichen Sensation gleich, die nicht nur den Bekanntheitsgrad, sondern auch das Prestige des FCS immens aufwertete.
Während ihnen durch die erfolgreiche französische Politik weiterhin die Teilnahme an einem Ligabetrieb verwehrt blieb, setzten die Kicker von der Saar ihre Europatour unmittelbar nach dem Spanienaufenthalt in Richtung Norden fort. Bei einer Reise durch den skandinavischen und englischen Raum gelang unter anderem ein 1:1 in Liverpool sowie ein 4:4 gegen Manchester City. Wieder zu Hause angekommen, hatte inzwischen der FC Sao Paulo von den Saarbrückern gehört und stellte sich auf dem Kieselhumes vor. Gegen die sehr starken Brasilianer verloren die Gastgeber jedoch mit 0:3.
Für April stand 1951 stand nun die 2. Auflage des Internationalen Saarlandpokals an. Dieser wurde letztlich jedoch nicht zu Ende gespielt. Immense Kosten für die vorangegangenen Reisen sowie der große finanzielle Aufwand, den das Turnier nochmals erforderte, waren sowohl für den FCS, als auch für die Sportpolitik auf Dauer nicht zu stemmen. Zudem ließ die Aussicht, schon bald wieder am deutschen Ligabetrieb teilnehmen zu können, das Zuschauerinteresse abflauen.
Dem späteren DFB-Präsidenten Hermann Neuberger gelang es als SFB-Vorsitzender, eine Teilnahme der beiden Saarvereine aus Saarbrücken und Neunkirchen zu erreichen. Er setzte sich damit gegen die eigene Landesregierung durch, die den französischen Kurs unterstützte, die Saar von Deutschland abzukapseln. Die Politik hatte zwar versucht, die finanziellen Engpässe durch die Einführung des Sporttotos ab August 1951 zu beheben.
Der Wunsch nach einem regulären Meisterschaftssystem war bei den Vereinen jedoch größer, als die Aussicht auf eine weitere Zeitspanne mit Freundschaftsspielen. Nach den Jahren ohne Ligazugehörigkeit, die der FCS im weiten Europa überbrückt hatte, war die Möglichkeit, nun an einem Ligabetrieb teilzunehmen, die Erfüllung eines langgehegten Wunsches. Zudem war der Erfolg des Saartotos, an dessen Einnahmen die Vereine beteiligt wurden, so kurz nach seiner Einführung noch nicht langfristig einschätzbar.
Zwischen Brasilien und Mailand
Durch den Gewinn der Oberligameisterschaft der Saison 1951/52 sicherte sich der FCS das Recht, am Endturnier um die deutsche Meisterschaft teilzunehmen. Das folgende Erreichen des Finales kam in Deutschland jedoch einem Politikum gleich. Nach Siegen gegen Schalke, Hamburg und Nürnberg, stand im Endspiel der VfB Stuttgart auf dem Rasen.
Im Südweststadion von Ludwigshafen unterlagen die Blau-Schwarzen vor 84.000 Zuschauern mit 2:3. Der noch immer schwelende Streit um das teilautonome Saarland kam bei dem Spiel nicht zu kurz. So wurde weder die Saarflagge gehisst, noch erschienen, wie sonst üblich, diverse Personen aus der Bundespolitik zu dem Spiel. Lediglich Bundestagsvizepräsident Carlo Schmid und Ludwig Erhard waren unter den Gästen. Auch der DFB schien sich angesichts des Streites nicht sicher zu sein, wie mit dem FCS umzugehen wäre und hatte das Finale von Berlin wegverlegt. Von den Spielen zurückgekehrt, wurden die Akteure auf dem Saarbrücker Rathausbalkon von über 100.000 Menschen bejubelt.
In der folgenden Saison 1952/53 feierte der FCS nicht nur sein 50 jähriges Bestehen, sondern zog auch in den neu errichteten Ludwigspark um. Dieses Stadion war mit seinen klar strukturierten Zuschauerrängen und der Laufbahn deutlich moderner als der Kieselhumes, wo sich oft 35.000 Zuschauer bis an den Spielfeldrand gedrängt hatten. Im Eröffnungsspiel gewannen die Hausherren vor 30.000 mit 3:1 gegen Rot-Weiß Essen. Während sie in der Liga nicht an den Erfolg der Vorsaison anknüpfen konnten, erhielten die Saarländer erneut eine Einladung zu einem internationalen Turnier. In Brasilien wurde die „Copa del Rio“ ausgespielt.
Gegen die Auftaktgegner Sao Paulo, Austria Wien und Libertad Asunción aus Paraguay gab es jedoch deutliche Niederlagen. Bei der Bewältigung der Liga- und Turnierspiele bereitete den Saarbrückern vor allem die zusätzliche Belastung durch die Einsätze in der Saar-Nationalelf Schwierigkeiten. Besonders die Qualifikation zur WM 1954, in deren Verlauf die Mannschaft von Trainer Helmut Schön u. a. Deutschland im Ludwigspark mit 1:3 unterlag, zehrte an den Kräften der Spieler.
In der nächsten Saison, aus der FCS-Stürmer Herbert Martin mit 27 Treffern als Torschützenkönig der Oberliga Südwest hervorging, erreichten die Saarländer als Tabellendritter erneut nicht die Endrunde um die deutsche Meisterschaft. Für die sportliche Durststrecke wurden die Zuschauer aber schon ein Jahr später entschädigt. Das noch immer teilautonome und unter französischer Verwaltung stehende Saarland gehörte zu den 16 Nationen, die einen Vertreter für den Europapokal der Landesmeister stellen durften.
Der 1. FC Saarbrücken bekam als stärkster Repräsentant den AC Mailand zugelost. Am 1. November 1955 hatten die Blau-Schwarzen im Mailänder Tempel San Siro erneut den Wind aus Madrids Bernabeu Stadion im Rücken. Nach dem 4:3 Auswärtssieg konnte die Fußballwelt kaum mehr das Rückspiel erwarten. Am 23. November liefen die Mailänder um Cesare Maldini und Lorenzo Buffon im Ludwigspark auf und ließen mit dem 4:1 Sieg keinen Zweifel daran, dass sie nicht vorzeitig ausscheiden wollten.
Neben der Teilnahme am Europapokal durch den FCS war das Jahr 1955 für die Saarländer vor allem vom Wahlkampf rund um das Saarstatut gekennzeichnet gewesen. Mit der Rückkehr zu Deutschland, die der Abstimmung folgte, ging auch die völlige Aufnahme des Saarsports in die deutsche Wettkampfstruktur einher. Der FCS bewegte sich in der Folge weiter in der Oberliga Südwest. Erst mit Beginn der 60er Jahre und der Einführung der Bundesliga sollte die blau-schwarze Mannschaft wieder auf nationaler Bühne auftreten.
Die Bühne, die sie während des politischen Schwebezustandes der Saar innehatten, bezeichnet der ehemalige Stürmer Herbert Martin heute als „freie Wildbahn“. Trotz der politischen Verhältnisse und den geschlossenen Grenzen der Nachkriegszeit war es den Saarbrückern vergönnt, eine einmalige Reise durch Europa zu unternehmen, die ihresgleichen sucht. Vor allem konnten die Spieler und Anhänger den Kontinent auf eine freundschaftliche und gemeinschaftliche Weise wahrnehmen, die nach der jüngsten Vergangenheit in unerreichbarer Ferne schien. Der Fußball hat damals seine ganze Kraft gezeigt.