Strittige Szenen am 23. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati
Der Elfmeter für Würzburg, der verwehrte Strafstoß für Würzburg, das Tor von Paderborn, die Platzverweise gegen Mockenhaupt und Cros sowie das nicht geahndete Foul von Kolke an Schleusener. Am 23. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de sechs strittige Szenen genauer angeschaut.
[box type="info"]Hintergrund: 25 Jahre lang war Babak Rafati Schiedsrichter, 2008 schaffte er es sogar auf die FIFA-Liste. Insgesamt leitete der heute 44-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit- und 13 Drittliga-Spiele. Seit Februar 2015 hat er eine neue Aufgabe: Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter jeden Spieltag die strittigen Entscheidungen des Wochenendes. Nach einer Vorauswahl durch die Redaktion sichtet Rafati das Video-Material und gibt eine kurze Einschätzung zu den jeweiligen Szenen ab. [/box]
Szene 1: Patrick Göbel (Würzburger Kickers) geht nach einem Kontakt von Christopher Handke (1. FC Magdeburg) im Strafraum zu Fall, Schiedsrichter Henry Müller zeigt auf den Punkt. [TV-Bilder – ab Minute 1:50]
Babak Rafati: Handke will im eigenen Strafraum den Ball spielen, kommt aber einen Moment zu spät und trifft seinen Gegenspieler mit dem linken Fuß, wodurch dieser zu Fall kommt. Der Schiedsrichter entscheidet korrekt auf Strafstoß.
Szene 2: Dominic Baumann (Würzburger Kickers) fällt im Strafraum, das Spiel läuft weiter. [TV-Bilder – ab Minute 1:36:10]
Babak Rafati: Der Magdeburger Verteidiger will klären und spielt dabei auch klar den Ball – Baumann trifft er keineswegs. Eine richtige Entscheidung des Schiedsrichters, weiterspielen zu lassen.
Szene 3: Nach einer Flanke geht Kevin Broll (Sonnenhof Großaspach) zum Ball, kann ihn unter Bedrängnis aber nicht festhalten. Philip Tietz (SC Paderborn) schaltet schnell und trifft zum 1:0. Schiedsrichter Oliver Lossius gibt den Treffer. [TV-Bilder – ab Minute 1:05]
Babak Rafati: Tietz wird im gegnerischen Strafraum angespielt und steht zentral mit dem Rücken zum Tor. Broll läuft aus seinem Tor heraus und will den Ball abfangen. Dabei verschätzt er sich und läuft gegen den Rücken des Angreifers. Zwar fängt er dabei gleichzeitig den Ball, lässt ihn aber nach kurzer Zeit wieder aus den Händen fallen. Die aktive Bewegung geht nur vom Torhüter aus. Der Angreifer kann sich nicht in Luft auflösen und begeht auch kein Foulspiel, daher ist es eine richtige Entscheidung, den anschließenden Treffer anzuerkennen.
Szene 4: Fabian Schleusener (Karlsruher SC) ist frei durch und wird von Sascha Mockenhaupt (Wehen Wiesbaden) umklammert und zu Fall gebracht. Der Wiesbadener sieht daraufhin von Schiedsrichter René Rohde glatt Rot. [TV-Bilder – ab Minute 1:30]
Babak Rafati: Schleusener legt sich den Ball an Mockenhaupt kurz vor dessen Strafraum vorbei. Der Wiesbadener begeht kein böses Foulspiel, jedoch hält er seinen Gegenspieler durch eine Umklammerung auf und hindert ihn am Weiterlaufen. Da der Karlsruher ungehindert durch gewesen wäre, wird eine sehr gute Torchance vereitelt. Daher zeigt der Schiedsrichter aus einer guten Position zum Zeitpunkt des Vergehens richtigerweise wegen einer Notbremse die rote Karte.
Szene 5: SVWW-Keeper Markus Kolke grätscht Fabian Schleusener (Karlsruher SC) außerhalb des Strafraums um, das Spiel läuft weiter. [TV-Bilder – ab Minute 3:15]
Babak Rafati: Der Schiedsrichter kann dem Angriff aus dem Mittelfeld nicht schnell genug folgen. Kolke läuft aus seinem Strafraum heraus und springt Schleusener mit gestrecktem Bein und offener Sohle entgegen. Dabei trifft er ihn im Bereich der Bänder und bringt ihn dadurch zu Fall. Diese brutale Spielweise gefährdet die Gesundheit des Gegenspielers, sodass es dafür nur eine Entscheidung geben: Die rote Karte und Freistoß. Somit liegt eine Fehlentscheidung vor, in dieser Szene weiterspielen zu lassen.
Szene 6: Guillaume Cros (Carl Zeisss Jena) geht zum Ball und trifft dabei Julius Reinhardt (Chemnitzer FC). Gelb-Rot, entscheidet Schiedsrichter Felix-Benjamin Schwermer. [TV-Bilder – ab Minute 1:40]
Babak Rafati: Der Schiedsrichter ist glänzend postiert und hat dadurch einen sehr guten Blick zum Geschehen. Cros will im gegnerischen Strafraum zum Ball und trifft seinen Gegenspieler dabei mit dem Bein im Magenbereich. Diese Aktion ist nicht beabsichtigt, trotzdem ist das ein gefährliches Spiel und somit zu ahnden. Wichtige Faktoren im Spiel, wie z.B. der Spielcharakter zu diesem Zeitpunkt oder das Verhalten des Spielers vor dem Platzverweis, spielen eine wichtige Rolle für Entscheidungen im Grenzbereich. Da wir das in dieser Szene nicht beurteilen können, ist es vertretbar, zusätzlich eine gelbe Karte zu geben, was in der Konsequenz zu einer gelb-roten Karte führt.
Szene 7: Nach einem Zweikampf zwischen Nermin Crnkic (Rot-Weiß Erfurt) und Nils Miatke (FSV Zwickau) kommt es zu einem Gerangel, woraufhin Miatke von Schiedsrichter Michael Bacher glatt Rot zieht. [TV-Bilder – ab Minute 1:45]
Babak Rafati: Man sieht, wie Crnkic und Miatke nach einem Zweikampf an der Seitenlinie zu Fall kommen. Dabei hakeln beide mit den Beinen etwas nach, was aber noch im Grenzbereich ist und mit einer Ermahnung für beide Spieler abgetan wäre. Beim Aufstehen jedoch fährt Crnkic seinen rechten Fuß aktiv in Richtung Miatkes Rücken aus und schiebt ihn dadurch erneut zu Boden. Das ist eine Provokation und muss mit der gelben Karte geahndet werden.
Miatke steht anschließend auf, will sich das nicht gefallen lassen und schubst seinen Gegenspieler leicht mit dem Arm. Daraufhin lässt sich Crnkic fallen. Hierbei kann man nicht von einem heftigen Schubsen oder einem Schlag von Miatke sprechen. Auch das hätte die gelbe Karte zur Konsequenz haben müssen. Der Assistent steht direkt daneben und signalisiert sofort mit erhobener Fahne, etwas gesehen zu haben. Der Schiedsrichter zeigt Miatke für dieses Schubsen die rote Karte, was eine Fehlentscheidung ist. Zwei Mal Gelb wäre die richtige Entscheidung gewesen.