Heißer Kandidat für die 3. Liga: Wer ist Weiche Flensburg?
Weil die meisten Vereine der 3. Liga schon jetzt Planungssicherheit haben, lohnt sich ein Blick auf die künftige Zusammenstellung der Spielklasse. Große Namen wie Cottbus, 1860 München, Saarbrücken oder Offenbach heizen die Kohlen für den Endspurt, wollen aufsteigen. Dazwischen mogelt sich ein Verein, den kaum einer kennt: Der SC Weiche Flensburg.
Drei Nachholspiele in der Hinterhand
Die Erleichterung ist spürbar, als Lars Thiemann das Spitzenspiel der Regionalliga Nord am Mittwochabend abpfeift. Groß, ja riesengroß war der Druck für beide Mannschaften gewesen – Weiche Flensburg als Verfolger auf der einen, Spitzenreiter HSV II auf der anderen Seite. Fünf Punkte ist Flensburg vor Spielbeginn hinter der Reserve des (Noch-)Bundesliga-Dinos. Zwei sind es 90 Spielminuten später, weil Flensburg recht souverän mit 2:0 gewinnt. Eigentlich aber haben die Nordlichter, die direkt an der dänischen Grenze angesiedelt sind, mittlerweile alle Trümpfe in der Hand. Denn während Hamburgs zweite Mannschaft schon 27 Spiele auf dem Konto hat, sind es bei Flensburg erst 24.
Vier Spiele im Zwei-Tages-Rhythmus
Theoretisch also sieben Punkte Vorsprung – wenn der ambitionierte Viertligist seine Nachholspiele gewinnt. Nur ist das leichter gesagt als getan, denn Weiche Flensburg wird durch den eng getakteten Spielplan bis auf Äußerste strapaziert. Sonntag steht das Auswärtsspiel gegen Hildesheim an, eine kleine Weltreise: 700 Kilometer insgesamt. Schon 52 Stunden später reist Weiche, benannt nach einem Flensburger Stadtteil, nach Hamburg, um bei Schlusslicht Altona 93 das nächste Pflichtspiel nachzuholen. Weitere 47 Stunden darauf: Heimspiel gegen den VfB Lübeck. Und nochmals 43 (!) Stunden später wird die englischste aller Englischen Wochen mit dem Heimspiel gegen Dorfklub SSV Jeddeloh II abgeschlossen. Stress pur, denn bis Mitte Mai muss Flensburg durch sein mit seinem Spielplan. Zehn Spiele in etwa 30 Tagen. Dann kommt das Landespokal-Finale, dann vielleicht die Aufstiegsspiele.
Flensburg, knapp 100.000 Einwohner stark, würde sich freuen. In Schleswig-Holstein dominiert seit eh und je der Handball – die Derbys zwischen dem SC Flensburg-Handewitt und dem THW Kiel waren in den vergangenen Jahrzehnten neben der Kieler Woche stets die größten sportlichen Ereignisse im nördlichsten Bundesland. Nun pirscht sich der Fußball langsam, aber sicher heran. Aus Holstein Kiel wurde zunächst ein Drittligist, dann ein Zweitligist – und bald vielleicht ein Bundesligist? Der SC Weiche Flensburg, der im Sommer 2017 aus einer Fusion zwischen dem ETSV Weiche Flensburg und Flensburg 08 hervorgegangen ist, könnte der nächste Club sein, der die Nordlichter bundesweit vertreten darf. Bis dahin ist aber noch jede Menge Arbeit zu tun.
Stadion ist ein besserer Sportplatz
Beispielhaft steht das Manfred-Werner-Stadion an der Spitze sämtlicher infrastruktureller Probleme, für die Weiche Flensburg dem DFB nun in wenigen Monaten drittligataugliche Lösungen präsentieren muss. Mit 4.000 Zuschauern wird die Kapazität des besseren Sportplatzes angegeben, der über eine unüberdachte, 500 Plätze fassende Sitzplatztribüne verfügt und ansonsten aus niedrigen Stehtraversen besteht. Allenfalls "Platz 11" von Werder Bremen II – der seit Jahren nur mit einer Sondergenehmigung benutzt werden darf, weil Werder bei Risikospielen ins große Weserstadion ausweichen kann – fällt noch in eine ähnliche Kategorie.
Wenig Unterstützung von der Stadt
"Der Begriff Fußball ist der Behörde ein Fremdwort", schreibt die "SHZ" zur Stadionthematik. Das Problem ist nicht neu, aber es wurde bislang elegant umschifft – angesichts von Zuschauerzahlen im meist hohen dreistelligen Bereich war eine Diskussion auch nicht notwendig. Beim Spitzenspiel gegen den HSV II wurde erstmals offensichtlich, dass Flensburg Potenzial besitzt: Mehr als 2.800 Besucher drängten sich eng an eng auf die Stufen. Ein Plan für einen provisorischen Ausbau auf immerhin gut 8.000 Plätze ist da, auch die Anwohner stellen sich offenbar nicht quer. Doch der Verein benötigt Finanzierungshilfen. Rückmeldungen von der Stadt habe es dafür bislang nicht gegeben – und so ist trotz sportlich aufstiegstauglicher Leistungen bislang völlig offen, ob der SC Weiche überhaupt die Zulassung erhalten würde.
Umzug nach Dänemark war eine Option
Natürlich wird mehrgleisig gedacht, an Originalität mangelt es den Verantwortlichen nicht. Angesichts der geographischen Lage wurde beispielsweise laut SHZ sogar an einen Umzug ins dänische Hadersleben gedacht. Dort erfüllt das örtliche Stadion die Drittliga-Kriterien, ist aber nochmals 65 Kilometer von Flensburg entfernt. Daraus lassen sich kuriose Rechnungen stricken: Der schnellste Weg der SpVgg Unterhaching zum Auswärtsspiel würde beispielsweise auf Straßen die 1.000-Kilometer-Marke knacken – mit Sicherheit ein Novum im deutschen Fußball. Dem hat der DFB aber fix einen Riegel vorgeschoben: Ins Ausland darf ein Verein nicht "auswandern". Auch das Stadion von Holstein Kiel wäre eine denkbare Option, zumal Kiel selbst bei einem Bundesliga-Aufstieg mit einem Umzug nach Hamburg liebäugelt. Dieser Umzug scheitert aber eher an der Kostenfrage.
Breite Sympathien für eine Liga ohne Reserveteams
Der Weg in die 3. Liga ist in Flensburg noch weit, und doch hat der Club die breiten Sympathien auf seiner Seite. Fängt Weiche den HSV II noch ab und steigt Werder Bremen II, was sehr wahrscheinlich ist, in die Regionalliga Nord ab, wäre schon vor den Aufstiegsspielen klar: Die 3. Liga würde erstmals in ihrer dann elfjährigen Geschichte frei von Reservemannschaften sein. Einzig der SC Freiburg II, der in Verfolgerposition hinter Offenbach und Mannheim lauert, könnte noch ein zusätzliches Wörtchen mitreden. Damit muss sich Weiche Flensburg nicht befassen. Werden die Norddeutschen tatsächlich Meister ihrer Staffel, wartet in den Aufstiegsspielen gemäß Auslosung Energie Cottbus. Und setzt sich Flensburg dann durch, hätten sie ihr Ziel – bis 2020 in die 3. Liga aufzusteigen – bereits frühzeitig erreicht.