Kommentar: Ziegner hat sich entlassen lassen

Der Fußball in all seinen Ausprägungen ist sicherlich kein Sport, den man als moralisch unbedenklich einstufen würde. Es gibt Probleme, im Großen wie im Kleinen, doch es gibt zum Glück auch (noch) Grenzen. Eine davon hat Zwickaus Ex-Trainer Torsten Zieger überschritten. Ein Kommentar.

Saubere Trennung? Mitnichten

Fast sechs Jahre trainierte Torsten Ziegner den FSV Zwickau, 212 Mal stand er an der Seitenlinie, wenn die Westsachsen um Punkte kämpften. Und das taten sie unter ihm, dem Trainer, der so sehr auf das kämpferische Element setzte, oft auch im Wortsinn. Dass diese Zeit zu Ende geht, stand schon seit Wochen fest. Trainer und Verein hatten sich auf eine, wie es so schön hieß, "saubere Trennung" am Saisonende geeinigt, Ziegner wird ab Juli den Liga-Konkurrenten Halleschen FC trainieren. Vielleicht hätte man da schon stutzig werden müssen, denn: Eine saubere Trennung, wann gibt es die schon?

Jedenfalls durfte Ziegner weitermachen, niemand schien sich daran zu stören. Am 38. Spieltag treffen ausgerechnet Halle und Zwickau aufeinander, es sollte das 215. Spiel für Ziegner als FSV-Trainer werden, und gleichzeitig auch sein letztes. Doch dazu kommt es nicht mehr: Ziegner wurde am Mittwoch vorzeitig entlassen, fast könnte man meinen: Er hat sich selbst entlassen lassen.

Grenze überschritten

Aber der Reihe nach. Am Rande des Heimspiels gegen den Karlsruher SC am vergangenen Montag war durchgesickert, dass Ziegner Jan Washausen und Bentley Baxter Bahn im Sommer mit zum Halleschen FC nehmen möchte. Vorher hatte Ziegner auch schon Torhüter Johannes Brinkies von einem Wechsel an die Saale überzeugen wollen, allerdings ohne Erfolg. Schon jeder einzelne dieser Fälle war ein Schlag ins Gesicht für seinen Noch-Arbeitgeber, im Paket aber ließen sie dem FSV keine Wahl: Er musste Ziegner rauswerfen. Sportdirektor David Wagner sprach von "illoyalem Verhalten" und davon, dass eine "eine vertrauensvolle Zusammenarbeit" nicht mehr möglich sei. Recht hat er!

Natürlich ist es verständlich, wenn Ziegner die Spieler Brinkies, Washausen und Baxter Bahn gerne weiterhin trainieren möchte. Er hat sie ja auch geholt, als es bei allen nicht gut lief. Brinkies kam in Rostock nicht zum Zug, Washausen war beim SV Elversberg in die Reserve verbannt worden und Baxter Bahn gleich ganz ohne Verein. Er hat ihnen Vertrauen geschenkt und sie weiterentwickelt. Dass er nun denkt, diese Spieler könnte er auch in Halle gut brauchen, ist zum jetzigen Zeitpunkt zwar pikant, aber nicht verwerflich, solange es wirklich nur eine Überlegung geblieben wäre. Doch diese Grenze hat Ziegner überschritten, als er das Interesse völlig ohne Not öffentlich machte.

Mit den Gedanken beim HFC

Es gibt eigentlich nur zwei Möglichkeiten, wie es dazu kommen konnte. Und sie sprechen nicht unbedingt für Ziegner. Achtung, das Folgende spielt sich im Konjunktiv (!) ab. Das 2:4 gegen den Karlsruher SC könnte ihn so in Rage versetzt haben, dass er sich aus der Emotion heraus zu diesem Schritt hat hinreißen lassen. Das wäre bedenklich, aber Emotionen verzeiht der Fußball. Manchmal, nicht immer. Möglicherweise war Ziegner aber auch so naiv, zu glauben, die Leute im Verein würden schon verstehen, dass er mit seinen Gedanken zu einem nicht unerheblichen Teil bereits bei der neuen Aufgabe ist. Das allerdings wäre, man kann es nicht anders sagen, schlicht eins: dumm.

Man kann es nun drehen und wenden, wie man möchte, am Ende bleibt der Eindruck haften: Ziegner hat sich selbst entlassen lassen.

   

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