Drittliga-Kandidaten #6: Flensburg vorzeitig am Ziel?

Am 24. Mai sowie drei Tage darauf zählt es: Ein letztes Mal spielen sechs Regionalligisten drei Aufsteiger in die 3. Liga aus, ehe die Regelung im Folgejahr angepasst wird. Mit dabei sind diverse große Namen, die viel Tradition und jede Menge Fans mitbringen. Den Abschluss unserer Serie macht die Mannschaft, die sich als letztes qualifiziert hat und nun Energie Cottbus herausfordern wird: Der SC Weiche Flensburg.

Die jüngere Vergangenheit

Fünf der sechs Teilnehmer an den Aufstiegsspielen haben Bundesliga-Erfahrung in ihrer Geschichte vorzuweisen. Der sechste ist Weiche Flensburg – ein Verein, von dem so mancher bis zu diesem Jahr noch gar nichts gehört haben wird. Denn höherklassigen Fußball kennt die Stadt Flensburg nicht. Sie wird dominiert vom Handball und der SG Flensburg-Handewitt, seit Jahrzehnten ein international angesehenes Spitzenteam dieses Sports. Fußball stand immer höchstens an zweiter Stelle. Auch, als sich Weiche Flensburg in den vergangenen 15 Jahren Stück für Stück nach oben arbeitete: Bezirksoberliga, Verbandsliga, Schleswig-Holstein-Liga und 2012 schließlich der Aufstieg in die Regionalliga Nord. Nun schicken sich die Nordlichter an, erstmals auf nationale Fußball-Eben zu gelangen. Damit hätten die Nordlichter ihr Ziel, bis 2020 in die 3. Liga aufzusteigen, bereits vorzeitig erreicht.

Was wenige wissen: Den "SC Weiche" gibt es als solchen erst seit dieser Saison. Denn im vergangenen Sommer wurde die über mehrere Jahre begonnene Fusion mit Stadtrivale Flensburg 08 vollzogen. Zuvor nannte sich der 1932 gegründete Club ETSV Weiche – ein Eisenbahn-Sportverein, liegt das eigene Manfred-Werner-Stadion doch unmittelbar angrenzend an das Bahngleis, das Flensburg mit den südlicher gelegenen Städten verbindet. Etwas erstaunlich sind die professionellen Strukturen des kleinen Vereins: Er ist nämlich bereits in eine Kapitalgesellschaft, eine GmbH und Co. KG, ausgegliedert.

Der Kader

Klingen die oben genannten Eckdaten des Vereins ein wenig nach Neureichtum auf dem Dorf, so kann der Kader diese steile These nicht halten. Denn die alternden ehemaligen Zweitliga- oder Drittliga-Spieler, die man vielleicht erwartet hätte und auf die viele andere Aufstiegsanwärter setzen, kann der SC Weiche Flensburg nicht aufbieten. Es ist eine Mannschaft mit vielen unbekannten Gesichtern, die aber dennoch über ihre Erfahrung kommt – das Durchschnittsalter liegt bei mehr als 26 Jahren. Die tragende Säule ist wohl Christian Jürgensen, 33 Jahre alt, Kapitän und gebürtiger Flensburger. Der Innenverteidiger ist seit fünf Jahren quasi durchgängig gesetzt und ist Symbolbild eines Teams, das zum Großteil aus der Region kommt und sich wie kaum ein anderes durch seinen Teamgeist auszeichnet.

Ein paar hervorzuhebende Spieler gibt es dennoch. So ist René Guder mit 16 Toren und acht Vorlagen der beste Stürmer. Auch er kam von Holstein Kiel, wie einige andere im Kader der Flensburger. Torhüter Florian Kirschke hielt derweil seinen Kasten in 15 von 33 Spielen sauber. Er ist ebenso wie Jürgensen seit fünf Jahren an Bord, kam damals vom FC St. Pauli. Überhaupt sind nur wenige Spieler zu finden, die nicht irgendwann einmal bei St. Pauli, dem HSV oder Kiel ausgebildet worden ist. Trainer ist Daniel Jurgeleit – und das bereits seit fast acht Jahren.

Die Unterstützung der Fans

Nach Zuschauern ist die Regionalliga Nord die schwächste der fünf Viertliga-Staffeln. Weiche Flensburg bewegt sich "nur" im Verfolgerfeld, die traditionsreicheren Clubs aus Lübeck und Oldenburg sind trotz sportlich schwächerer Leistungen vorne. Auf ziemlich genau eintausend Besucher pro Spiel kommt dieser SC Weiche Flensburg, dem allerdings in puncto Stadion auch die Hände gebunden sind: Das in die Jahre gekommene Manfred-Werner-Stadion bietet Platz für etwa 2.500 Besucher, der Komfort ist erwartbar gering, mehr als einige Stehtraversen und eine kleine Sitzplatztribüne gibt es dort nicht.

Im Aufstiegsfall müsste Flensburg dort deutlich nachrüsten, in der Sommerpause allein ist das nicht machbar. Zur Diskussion stünde als Ausweichort das Holstein-Stadion in Kiel, das auch für das Relegationsspiel am Donnerstag genutzt werden wird. Dann aber droht Flensburg mangels einer großen organisierten Fanszene ein akustisches Auswärtsspiel. Energie Cottbus kommt mit mindestens 2.500 Fans in den Norden, eventuell werden noch weitere Karten angeboten.

Der Gegner: Energie Cottbus

Zwei Welten treffen am kommenden Donnerstag sowie am Sonntag aufeinander, wenn Weiche Flensburg gegen Energie Cottbus um einen der drei Aufstiegsplätze spielt. Cottbus ist höchst souverän, eher schon beeindruckend Meister der Regionalliga Nordost geworden und ist vor dem Aufeinandertreffen auch bei den Buchmachern Favorit. Die individuelle Klasse liegt bei den Lausitzern, der höhere Druck seitens des Publikums allerdings auch. Energie muss nach zwei Jahren in der Provinz zurück in die 3. Liga, Flensburg hat nie etwas anderes gekannt. Für die Schleswig-Holsteiner wäre der Aufstieg nicht mehr und nicht weniger als ein großes Abenteuer.

Mit Flensburg hoffen übrigens auch einige überregional bekannte Ostclubs: Rot-Weiß Erfurt und der Chemnitzer FC etwa, die kürzlich aus der dritthöchsten Klasse abgestiegen sind. Sie spekulieren auf den festen Aufstiegsplatz, den die Nordost-Regionalliga 2019 haben wird. Das Letzte, was sie gebrauchen könnten, wäre ein Kontrahent namens Energie Cottbus. Ähnlich geht es Werder Bremen II in der Regionalliga Nord. Mit dem Unterschied: Der Meister der Nord-Staffel bekommt  in der kommenden Saison keinen sicheren Drittliga-Platz.

   

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