Kommentar: Jules Reimerink bringt sich in Misskredit

Der Profifußball lebt von seinen Absurditäten. Auch die 3. Liga wird davon nicht verschont. Das hat sich nun aufs Neue gezeigt – in Form des bemitleidenswerten Außenstürmers Jules Reimerink. Der gab vor Wochen ein vermeintlich unscheinbares Interview. Jetzt fliegt es ihm mit Karacho um die Ohren. Ein Kommentar.

Ein Interview mit Folgen

Anfang Mai fragte die "Neue Osnabrücker Zeitung" bei Offensivmann Jules Reimerink, damals noch beim VfL Osnabrück unter Vertrag, für ein Interview an. Es war wohl eine spontane Angelegenheit, recht kurz nach Ende des letzten VfL-Heimspiels – ein ödes 1:1 gegen die Reserve von Werder Bremen. So weit, so gut. Nichts sonderlich Spannendes, außer, dass der Niederländer über seine möglichen künftigen Arbeitgeber sprach. Gezielt wollte ihn der Interviewer aus der Reserve locken und fragte nach den drei aktuellen Kontrahenten, die für den VfL Osnabrück eine heikle Sache sind: Preußen Münster, den Erzrivalen. Nein, da wolle er nicht hin, sagte Reimerink. Er verstehe sich nicht sonderlich mit dessen Trainer Marco Antwerpen. Die Sportfreunde Lotte, den ungeliebten Nachbarn vom Dorf. Bloß nicht. "Ich mag die Spieler nicht, den Verein nicht", sagte der 30-Jährige. Lotte hätte das Spiel zerstört und der Rasen sei überwässert oder in einem katastrophalen Zustand gewesen, schob der Holländer noch nach.

Nur ein Engagement beim SV Meppen, das konnte er sich vorstellen. Aber hätte der SV Meppen Interesse gehabt, es wäre wohl spätestens nach der kürzlichen Rückkehr von Regionalliga-Flügelflitzer Mirco Born schlagartig erloschen. Hätte Preußen Münster Interesse gehabt – wäre er schwach geworden? Gut möglich. Denn zu seinen Aussagen steht Reimerink nicht. Am Freitagabend unterschrieb er ein Arbeitspapier bis 2020 – ja, genau. In Lotte. Am Autobahnkreuz. Ohne zu erröten. Autsch.

Gezockt und schlecht geblufft

Nun hat sich Jules Reimerink einige Probleme geschaffen, auf die er wohl gerne verzichtet hätte. Völlig unverständlich bleibt, warum er eine mögliche, aus Spielerperspektive sogar sehr konkrete Option so frühzeitig brandmarkte. Den Weg von Osnabrück nach Lotte oder umgekehrt wählten schon viele Spieler, weil er so unkompliziert ist. Kein Umzug, keine Trennung von Partner oder der Familie, kein völlig neues Umfeld. Im besagten Interview sprach er sogar von einem Angebot aus der 3. Liga, das aber "nicht so interessant" sei.

Wer bis drei zählt, weiß, um welchen Club es sich schon da gehandelt werden muss. Zu den ersten Adressen dieser Spielklasse zählen die Sportfreunde Lotte, das wissen Verein und Anhänger realistisch einzuschätzen, jedenfalls nicht. Nun kann spekuliert werden: Hat Reimerink gezockt? Ja. Hat er zu früh aufgegeben? Schwer zu sagen. In neun Tagen wäre er arbeitslos. Jeder möchte finanzielle Sicherheit, das ist verständlich. Eins aber hat Jules Reimerink gemacht: Verdammt schlecht geblufft.

Klare Meinungen erwünscht, aber keine heiße Luft

Mit seiner Aussage bringt er sich schon jetzt in Misskredit – und zwar an allen Fronten. Kann man sich so einen Aussetzer bei den Sportfreunden Lotte erlauben? Vielleicht. Lotte ist nicht Hansa Rostock oder der 1. FC Kaiserslautern, bei denen er nach einer ähnlichen Aussage direkt zum Mond geschossen worden wäre. Aber auch Lotte hat vor seinem dritten Drittliga-Jahr ein gewisses Selbstverständnis entwickelt. Die Fans, die einen Wechsel vom Rivalen aus Osnabrück gewöhnlicherweise nicht übel nehmen, reagierten unter diesen Umständen mit bitterem Humor. Selbst der Platzwart hätte nach Reimerinks Worten gute Argumente, ihm die Schuhe durch den Häcksler zu jagen.

Natürlich versuchte der Spieler, sein kleines Missgeschick schon bei der Antritts-Pressemitteilung mit warmen Worten vergessen zu machen, es zu relativieren. Nur: So schnell geht das nicht. Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern? In der öffentlichen Wahrnehmung leider eine Menge. Über Jules Reimerink wird nun geschmunzelt. "Da, so läuft Profifußball heute!“, sagen die Immerenttäuschten vom modernen Fußball, die eingefleischten Traditionalisten. Reimerink dient für sie als ein Beispiel mangelnder Loyalität und fehlender Transparenz. Andererseits wünscht viele sich Akteure, die öffentlich mehr als nur 0815-Floskeln zum Besten geben. Fußballer mit klarer Meinung eben. Wären Reimerinks Aussagen mehr als heiße Luft, wären die darin enthaltende Deutlichkeit manchmal sogar wünschenswert.

Warum sich auch Lotte vorerst keinen Gefallen tut

Im Übrigen verliert an dieser Posse nicht nur der Spieler, sondern auch der Verein. Denn die Sportfreunde Lotte verlieren ihr Gesicht. Fast alle Spieler und Verantwortliche, die die SFL vor zwei Jahren bekannt gemacht haben, sind abgesprungen. Kevin Freiberger, Andre Dej, Kevin Rodrigues Pires, Benedikt Fernandez und Bernd Rosinger sind fort, Ismail Atalan schon länger, nun auch sein Co-Trainer Joseph Laumann und "Teammanager" Tim Gorschlüter. Neu ist der fünfte Trainer binnen zwölf Monaten, neu sind viele unbekannte Regionalliga-Spieler. Sie sind allesamt blutjung, haben erwartungsgemäß noch keine höherklassige Erfahrung. Und selbst wenn sie sportlich einen guten Start hinlegen, müssen sie charakterliche Säulen in der Mannschaft ersetzen, die kurzfristig nicht ersetzbar sind. Dazu kommt nun Jules Reimerink, der sich die Spießruten selbst gesteckt hat und jetzt einiges richtig machen muss, um seinen Ruf als Schwätzer abzulegen. Leichter macht diese Gemengelage die Mission Klassenerhalt eher nicht.

   

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