Bei Stehplatzabschaffung sieht die halbe Liga alt aus
Sollte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) seine Überlegungen wahr machen und im Deutschen Profifußball zum Teil oder auch komplett die Stehplätze abzuschaffen, hat das nicht nur Auswirkungen auf die Fans, für die die Karten teurer werden bzw. die Stimmung in den Stadien darunter leiden wird. Auch die Vereine selbst werden erhebliche Probleme bekommen, besonders was die dann verringerte Stadionkapazität betrifft. Bundesligisten dürfte zum Großteil nicht so sehr darunter leiden, die meisten Vereine haben Stadien, die Europapokal erprobt sind, wo eh schon die Steh- in Sitzplätze umgewandelt werden müssen. Auch viele Zweitligisten trifft es nicht so hart, da sie neue, fast hauptsächlich bestuhlte Arenen haben (Köln, Duisburg, München…). Die Drittligavereine wird es dagegen sehr hart treffen, da die meisten Klubs schon kleinere Stadien haben, teilweise sogar hauptsächlich mit Stehrängen. liga3-online.de hat sich jedes Drittligastadion genauer angesehen und stellt fest, auf welchen Verein noch größere Probleme zukommen könnten….
Karlsruher SC: Das Wildparkstadion ist das drittgrößte Stadion der Liga. Bei einer Stehplatzabschaffung dürfte das fast 60 Jahre alte Rund keine Lizenzprobleme bekommen. Unter den 29.699 Zuschauerplätzen sind bereits 15.157 Sitzplätze dabei. Mit dem Umrechnungsfaktor von Sitz- zu Stehplätzen von ungefähr 1:2 müssten die 14.542 Stehplätze also circa 7.250 Sitzen weichen. Der Wildpark würde dann immernoch gute 22.400 Zuschauer fassen – für die Dritte Liga absolut kein Problem.
Alemannia Aachen: Auch die Alemannia wird keine Schwierigkeiten bekommen, sollten die Stehplätze abgeschafft werden. Der 2009 eröffnete Tivoli ist (wie die meisten neuen Arenen) schon fast vollständig bestuhlt. Mit seiner aktuellen Kapazität von 32.960 zweitgrößte Arena der Liga hätte der neue Tivoli auch mit einer reinen Sitzplatzarena und 27.250 Plätzen einen Platz unter den größten Ligastadien sicher.
Hansa Rostock: Auch die Kogge darf sich einer neueren (umgebauten) Heimat glücklich schätzen, die 2007 fertiggestellte DKB-Arena fasst aktuell 29.000 Menschen, mit einer Umwandlung der Stehplätze wären es immernoch gute 25.000. Ein Stadionproblem würde dem FC Hansa jetzt noch fehlen, aber zum Glück geht (im Abschaffungsfall) dieser Kelch an Rostock vorbei.
1. FC Heidenheim: Die Voith-Arena wurde in seiner jetzigen Verfassung 2010 eröffnet, die Heimspielstätte des FCH wäre aber, sollte der DFB seine Drohungen wahr machen, zu klein! 10.000 Zuschauer passen in das ehemalige Albstadion, davon sind ganze 7.000 Stehplätze. Würden diese in 3.500 Sitzplätze umgewandelt werden würde das dann nur noch 6.500 Menschen fassende Stadion die Drittligaauflagen (mindestens 10.000 Plätze) nicht mehr erfüllen. Jedoch hat der FC einen Plan B in der Hinterhand, im Falle eines Zweitligaaufstieges sollte die Gegentribüne verlängert sowie die Ecken geschlossen werden. Dann hätte das Stadion in etwa 11.000 Plätze. Schwierig würde es erneut, sollten die Albstädter dann in die 2. Bundesliga aufsteigen. Dort ist eine Kapazität von 15.000 Plätzen gefordert…
Rot-Weiß Erfurt: Das Erfurter Steigerwaldstadion mit seinen 19.439 Plätzen wäre ein Kandidat für sorgenfreie Lizenzvergabe. Denn das 81 Jahre alte Stadion kann zwar nur 6.000 Sitzplätze vorweisen, die restlichen 13.439 Stehplätze würden aber dafür sorgen, dass zusätzliche 6720 Sitzplätze eine Gesamtkapazität von 12.720 erreicht wird und damit die Bedingungen der 3. Liga erfüllt sind. Fehlt nur noch das Dach, denn ein Drittel der Sitzplätze müssen überdacht sein. Das ist in Erfurt aber nur bei 4.000 von (dann eventuell) 12.720 Plätzen der Fall. Dazu wären exat 240 Sitze zu wenig überdacht. Ob der DFB dort ein Auge zudrückt oder dafür zusätzliche Überdachung fordern würde, ist diskussionswürdig.
Wacker Burghausen: Wackers Wacker-Arena ist ohne Stehplätze nicht mehr drittligatauglich. Aktuell fasst sie bereits die geforderten 10.000 Zuschauer, davon sind aber bereits 4.400 Stehplätze in der West- und der Osttribüne. Zu den bereits vorhandenen 5.600 Sitzplätzen kämen ungefähr 2.200 zu einer Gesamtkapazität von 7.800. Zu wenig.
VfL Osnabrück: Die osnatel-Arena können derzeit 16.667 Zuschauer besuchen. Ohne 10.475 Stehplätze und stattdessen gute 5.240 Sitzplätze zusätzlich zu schon vorhandenen 6.192 Sitzen könnten nur noch 11.432 Menschen an der Bremer Brücke ein Spiel spielen. Würde reichen.
Kickers Offenbach: Das neue Sparda-Bank-Hessen-Stadion ist noch nicht ganz fertig gestellt, wird aber ebenfalls die neuen Bedingungen erfüllen, sollte es zu einer Abschaffung der Stehplätze kommen. Nach Abzug der 10.200 Stehplätze von der Gesamtkapazität (20.500) und Hinzufügen von ungefähr 5.100 zusätzlichen Sitzplätzen böte die neue Offenbacher Arena 15.400 Zuschauern Platz. Bedingungen erfüllt.
Chemnitzer FC: Der CFC plant gerade an einer neuen Arena. Das ist auch ratsam, denn sollten DFB und DFL Taten folgen lassen dürfte an der Gellertstraße kein Drittligafußball mehr gespielt werden. Das Stadion fasst zwar 18.700 Zuschauer, aber davon sind nur 1.050 Sitzplätze. Mit dem Näherungswert von zwei Stehplätzen für einen Sitzplatz würden die17.650 Stehplätze 8.825 Sitzen weichen müssen, was eine Gesamtkapazität von 9.875 zur Folge hätte. Fehlen 125 um die DFB-Forderungen zu erfüllen. Das sollte dann vielleicht kein Problem darstellen, jedoch wären nur 1580 Plätze überdacht. DFL und DFB fordern aber zusätzlich, dass mindestens ein Drittel aller Sitzplätze überdacht sein müssen. Dazu fehlen wiederum 1.711 überdachte Sitzplätze…
1. FC Saarbrücken: Der Ludwigspark, eines der größten Stadien Deutschlands (und das größte der Liga) fasst 35.303 Zuschauer. Auch hier ist die Mehrheit Stehplatz, ganze 27.000. Aber allein diese in Sitzplätze umzuwandeln ergäbe noch eine Kapazität von 13.500, mit den schon vorhandenen Sitzplätzen fasste das Ludwigsparkstadion 21.803 Menschen, also mehr als genug. Wie in Erfurt und Chemnitz fehlt hier aber die geforderte Überdachung. 5465 Plätze sind überdacht. 7.265 müssen es sein. Damit würde auch der Ludwigspark durchfallen.
Preußen Münster: Das 1926 eröffnete Preußenstadion zählt zu Deutschlands Kultstadien. Mit aktuell 15.050 Plätzen zählt es aber nicht zu den größten. Die Bedingungen für die 3. Liga im A-Fall würde es demnach nicht erfüllen. Zu den 3.000 Sitzplätzen kämen aus den Stehplätzen ungefähr 6.025 – macht ein Fassungsvermögen 9.025. 975 fehlen da. Überdacht genug wäre es allerdings.
Arminia Bielefeld: Mit der Schüco-Arena hätten wie wieder ein Stadion, dass die erforderlichen Sitzplätze erreichen würde. Die 27.300 Plätze machen es zum fünftgrößten Stadion der Liga. Auch eine Abschaffung der Stehplätze würde die Kapazität nicht in dem Maße verringern, dass die 10.000er-Marke in Gefahr wäre. Der Umbau des Stadions, der fast Arminias Ende bedeutet hätte, hätte sich dann wenigstens gelohnt.
SV Darmstadt 98: Das Böllenfalltorstadion ist bereits seit 90 (!) Jahren die Heimat der Lilien. Allerdings ist es in Darmstadt deswegen schon lange Zeit für einen Neubau. Das weite Rund ist auf 19.000 Zuschauer beschränkt, davon sind 4.000 Sitzplätze. Die 15.000 Stehplätze müssten nach der Faustformel 2:1 dann 7.500 weiteren Sitzplätze weichen. Würde eine genügende Kapazität von 11.500 ergeben. Die bisherigen 4.000 Sitzplätze sind auch überdacht, was bedeutet das auch dieses vom DFB geforderte Kriterium erfüllt ist. Es ist Baufällig, das Stadion am Böllenfalltor. Aber sollten die Stehplätze abgeschafft werden, ginge es immernoch als Drittligastadion durch.
SpVgg Unterhaching: Die SpVgg gehört zu den 5 Klubs, die in der vergangenen Dekade in der Bundesliga spielen konnten. Der Sportpark ist klein, aber tauglich. Auch im Falle der Stehplatzabschaffung würde er die Lizenz für die 3. Liga erhalten. 15.053 Zuschauern (6.874 Sitz-, 8.179 Stehplätze) bietet er Platz. Müssten alle Stehplätze durch Sitzplätze ersetzt werden, würden in den Sportpark gut 10.964 Zuschauer gehen.
SV Wehen Wiesbaden: Die komplett überdachte Brita-Arena in Wiesbaden ist seit 2007 die Heimat der Wehener. Ein Neubau. Allerdings der einzige Neubau, der ohne Stehplätze nicht die Statuten des DFB erfüllen würde, dazu ist es zu klein. Unter den 12.566 Zuschauern stehen ungefähr 5.800. Wenn diese sitzen müssen, können nur noch (mit 2.900 Sitzplätzen anstelle dafür) 9.666 Zuschauer die Spiele des SVWW sehen. Das würde nicht reichen.
SV Babelsberg: Auch das Karl-Liebknecht-Stadion ist zu klein, um die fehlenden Stehplätze aufzufangen. Mit 10.499 erfüllt es mit Stehplätzen gerade noch die Anforderungen des DFB, fallen die 9.027 Steher aber 4.513 Sitzen zum Opfer, könnten NullDrei nur noch 5.985 Zuschauer besuchen. Selbst mit zusätzlichen 4.015 Sitzplätzen reichen im "Karlie" die 752 überdachten Plätze (die jetzt noch mindestens ein Drittel der überdachten Sitzplätze erreichen) nicht mehr. Ein Dach für weitere 2.581 Plätze fehlt…
Hallescher FC: Das 15.057 Zuschauer fassende Stadion des Aufsteigers ist nagelneu. Der Erdgas-Sportpark mit seinen aktuell 8.850 Steh- und 6.155 Sitzplätzen würde auch im A-Fall Drittligafußball sehen dürfen. 10.580 Personen hätten Platz, wenn die Stehplätze ausgetauscht würden mit 4.425 Sitzplätzen.
Stuttgarter Kickers: Das älteste Stadion Deutschlands ist mittlerweile auch Heimat des VfB Stuttgart II. Aber für die Kickers gelten die strengeren Auflagen. 11.436 Fans können 2012/13 den SV wieder in der 3. Liga bestaunen. 1.068 bekommen derzeit einen Sitzplatz – 10.368 dürfen (noch?) stehen. Wenn nicht, werden sich 5.184 über neue Sitzplätze freuen (oder eben nicht…). Das Waldaustadion böte dann 6.252 Zuschauern Platz. Überdacht genug wäre es zwar, aber von der Gesamtkapazität her würde es nicht reichen. Im Gegensatz zu der U23 des VfB dürften also die Kickers in diesem Stadion in der 3. Liga nicht spielen…
Stuttgart II, Dortmund II*: Für die Zweitvertretungen gelten auch jetzt bereits nicht so strenge Richtlinien, es reicht eine Kapazität von 5.000 Zuschauern. Ob die Stehplätze auch für diese Klubs wegfallen, ist nicht sicher. Und wenn, dann müssten sie auch dort nur 5.000 Zuschauer beherbergen. Die U23 des VfB Stuttgart, die seit 2008 im Stadion der Kickers spielen, könnten im dann 6.252 Personen fassenden Waldaustadion 3. Liga spielen. Das Stadion Rote Erde von Aufsteiger Dortmund II (10.000 Plätze, 3.000 davon Sitzplätze) hätte im A-Fall eine Kapazität von 8.500. Die 3.000 überdachten Plätze würden auch locker reichen. Für die U23-Teams genug!
Ernüchterndes Ergebnis: Die halbe Liga müsste raus!
9 Vereine würden bei einer Abschaffung der Stehplätze also keine Lizenz bekommen (Heidenheim, Burghausen, Erfurt, Chemnitz, Saarbrücken, Münster, Wehen, Babelsberg, Stuttgarter Kickers), lässt man die Amateurklubs außer Acht ist das die halbe Liga. Und das alleine wegen der Kapazität! Ob das im Sinne des DFB ist, sollte der Bund sich noch einmal überlegen… Nur der KSC, Aachen, Rostock, Osnabrück, OFC, Bielefeld, Darmstadt, Unterhachung und der Hallesche FC hätten genügend große Stadien.
*Anm.: Lotte muss auch ohne Abschaffung der Stehplätze im Falle eines Drittligaaufstiegs das Stadion erweitern, 7.474 Zuschauer sind zu wenig. Im A-Fall wären es gar nur knappe 5.000.
Foto: Regensburg1889.de