Strittige Szenen am 16. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Die nicht gegebenen Elfmeter für Rostock, Wiesbaden, Cottbus und Unterhaching, das 1:0 für Lotte, das 2:1 für Karlsruhe, der verwehrte Treffer für Unterhaching und die gelben Karten gegen Renneke (Osnabrück) und Matuwila (Cottbus). Am 16. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de neun Szenen genauer angeschaut.

[box type="info"]Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga & FIFA Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 48-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf ist Rafati heute Mentalcoach für Profifußballer und Manager sowie ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, u.a. bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation (www.babak-rafati.de).[/box]

Szene 1: Einen Schuss von Marco Königs (Hansa Rostock) berührt Alexander Langlitz (Sportfreunde Lotte) mit dem ausgestrecktem Arm, kurz danach bekommt auch Adam Straith (Sportfreunde Lotte) den Ball an die Hand. Einen Elfmeter gibt Schiedsrichter Tim Skorczyk nicht. [TV-Bilder – ab Minute 36:10]

Babak Rafati: Nach dem Schuss von Königs setzt Langlitz seinen Arm in Torwartmanier ein, vergrößert damit seine Körperfläche und bekommt den Ball an den Arm. Der Schiedsrichter hat eine gute Sicht, lässt jedoch weiterspielen. Die zweite Aktion ist dann in Ordnung, jedoch hätte es für das erste Vergehen einen Strafstoß für Rostock sowie eine gelbe Karte gegen Langlitz geben müssen. Eine Fehlentscheidung, den fälligen Strafstoß für Rostock nicht zu pfeifen.

Szene 2: Nach einem Pass von Gerrit Wegkamp trifft Sinan Karweina zum 1:0 für Lotte. Hansa reklamiert Abseits, der Treffer zählt dennoch. [TV-Bilder – ab Minute 0:40]

Babak Rafati: Solche Szenen sind nur mit kalibrierten Linien, wie wir es vom Videobeweis in der Bundesliga kennen, aufzulösen. Tendenziell steht Karweina minimal im Abseits, was aber nicht zweifelsfrei belegt werden kann. Daher ist die Entscheidung zu akzeptieren.

 

Szene 3: Lukas Gottwalt (1. FC Kaiserslautern) bringt Patrick Schönfeld (Wehen Wiesbaden) im Strafraum zu Fall. Kein Elfmeter, sagt Schiedsrichter Manuel Gräfe. [TV-Bilder – ab Minute 0:35]

Babak Rafati: Gottwalt nimmt im eigenen Strafraum erst den Arm heraus und bringt Schönfeld ein wenig aus der Balance, was jedoch noch nicht für ein Foulspiel ausreicht. Unmittelbar danach trifft er Schönfeld jedoch am Fuß und bringt ihn schließlich zu Fall. Diese Aktion ist strafstoßwürdig, sodass es einen Elfmeter für Wiesbaden hätte geben müssen. Somit eine Fehlentscheidung.

 

Szene 4: Bashkim Renneke (VfL Osnabrück) läuft mit dem Ball durchs Seitenaus, es gibt Einwurf für Cottbus. Renneke nimmt den Ball derweil mit, wirft ihn danach ins Aus und sieht von Schiedsrichter Florian Badstübner Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 1:23:25]

Babak Rafati: Renneke läuft mit dem Ball entlang der Seitenlinie. Dabei rollt der Ball kurz ins Seitenaus und der Schiedsrichter entscheidet durch Pfiff auf Einwurf für Cottbus. Renneke läuft aber nach dem Pfiff mit dem Ball am Fuß weiter, kommt mit dem Spielgerät wieder auf das Spielfeld zurück und stoppt erst nach ein paar Metern ab. Cottbus führt inzwischen den Einwurf mit einem anderen Ball aus und will das Spiel dadurch schnell machen. Renneke nimmt den ersten Ball in die Hand und wirft diesen aus etwa acht bis zehn Metern zum Ort des jetzigen Spielballs, um das Spiel zu stören. Der Schiedsrichter unterbricht, zeigt ihm dafür wegen Unsportlichkeit die gelbe Karte und verhängt einen indirekten Freistoß für Cottbus.

Wenn sich ein zweiter Ball im Spiel befindet, entscheidet der Schiedsrichter, ob dieser auf das Spiel Einfluss nimmt. Aus seiner Sicht hat der zweite Ball nicht gestört und er wollte die schnelle Spielfortsetzung zulassen. Ein erfahrener, cleverer Schiedsrichter wird aber Ruhe ins Spiel bringen und die Einwurfausführung mit einem anderen Ball verhindern. Regeltechnisch ist es aber richtig, wie er entschieden hat.

Szene 5: José-Junior Matuwila (Energie Cottbus) geht robust in einen Zweikampf mit Etienne Amenyido (VfL Osnabrück). Die VfL-Spieler fordern Rot, Matuwila sieht Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 1:27:55]

Babak Rafati: Der Zweikampf sieht im normalen Ablauf schlimmer aus, als er tatsächlich ist. Matuwila geht kompromisslos in den Zweikampf, jedoch trifft er Amenyido nicht in die Beinen, sondern grätscht zum Ball, und Amenyido fällt dann sehr spektakulär über den Körper von Matuwila. Das ist ein Abräumen und kein brutales Spiel. Der Schiedsrichter bleibt besonnen und entscheidet vollkommen richtig auf Gelb gegen Matuwila.

Szene 6: Tim Danneberg (VfL Osnabrück) bringt Kevin Scheidhauer auf der Strafraumlinie zu Fall, Badstübner lässt das Spiel weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 1:47:50]

Babak Rafati: Scheidhauer ist im Strafraum von Osnabrück früher am Ball, spielt diesen und wird anschließend von Danneberg am Fuß getroffen und zu Fall gebracht. Danneberg hat den Blick zum Ball und sieht Scheidhauer gar nicht, sodass dieser Kontakt unbeabsichtigt ist, was jedoch nicht relevant für die Beurteilung eines Foulspiels wäre. Aber auch nicht jeder Kontakt ist ein Foulspiel. Die entscheidende Frage ist, ob dieser leichte Kontakt für einen Strafstoß ausreicht. Hier sind Zweifel angebracht, daher eine richtige Entscheidung, in dieser Szene weiterspielen zu lassen.

 

Szene 7: Nach einer Kopfball-Vorlage von David Pisot legt Anton Fink den Ball zu Marvin Pourié ab, der zum 2:1 trifft. 1860 reklamiert zweimal Abseits, der Treffer zählt. [TV-Bilder – ab Minute 1:15]

Babak Rafati: Beim Kopfball von Pisot steht Fink mit dem Fuß im Abseits, der den Ball auf Pourié weiterspielt, welcher dann ins Tor trifft. Entscheidend ist die Position von Fink und dieser steht mit dem Fuß im Abseits. Das kann man aber nur mit den kalibrierten Linien auflösen, wie wir es aus der Bundesliga mit dem Videobeweis kennen. Pouriés Position spielt beim Kopfball dabei überhaupt keine Rolle, weil eine neue Spielsituation entsteht und die vorige Situation nicht relevant ist. Trotzdem lag beim ersten Zuspiel eine Abseitsposition vor, sodass der Treffer nicht hätte zählen dürfen. Somit eine Fehlentscheidung, aber keinen Vorwurf an den Assistenten, da man so etwas mit dem menschlichen Auge nicht sehen kann.

 

Szene 8: Nach einer Vorlage von Schimmer trifft Luca Marseiller (SpVgg Unterhaching) den Pfosten, beim Nachschuss wird er von Guillaume Cros (Carl Zeis Jena) mit dem Fuß an der Brust getroffen und geht zu Boden. Kein Elfmeter, entscheidet Schiedsrichter Bastian Börner. [TV-Bilder – ab Minute 47:40]

Babak Rafati: Marseiller hat den Ball bereits auf das leere Tor geköpft, und die Aktion ist somit abgeschlossen. Erst danach wird er im Strafraum von Cros mit dem Fuß auf Brusthöhe getroffen. Regeltechnisch ist das ein Foulspiel und wäre somit theoretisch ein Strafstoß. Kein Schiedsrichter pfeift jedoch nach abgeschlossenen Aktionen so etwas zurück, weil in dieser Aktion – anders als beim Vorteilspiel – die Behinderung erst nach der Aktion erfolgte und keinen Einfluss auf die Wirkung hatte. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen und somit die Praxisrelevanz anzuwenden. Das hat auch nichts mit Regelbeugung zu tun, sondern mit Feingespür für den Fußballsport.

Szene 9: Nach einem Schuss von Finn Porath (SpVgg Unterhaching) prallt der Ball an den Pfosten, danach trifft Stephan Hain zum 6:4, wird aufgrund einer vermeintlichen Abseitsstellung jedoch zurückgepfiffen. [TV-Bilder – ab Minute 2:08:20]

Babak Rafati: Nach dem Schuss von Porath auf das Tor von Jena prallt der Ball an den Pfosten und wird schließlich durch Hain ins Tor befördert. Zum Zeitpunkt des Schusses stand der Torschütze nicht im Abseits – nur dieser Moment ist ausschlaggebend. Der Assistent hat die Aufgabe, sich auf die Szene zu fokussieren und sich beim Torschuss diese Szene gedanklich als eine Art Standbild festzuhalten, um bei anschließenden Aktionen genau dieses Bild wieder abrufen zu können. Danach verzerrt sich das Bild natürlich, auch wenn manchmal nur ein bis zwei Sekunden vergehen. Das Tor hätte natürlich zählen dürfen, sodass eine Fehlentscheidung vorliegt.

   

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