Chaos in Uerdingen: Wenn 2,28 Punkte pro Spiel nicht reichen

Am Sonntag die empfindliche Heimpleite, am Montag dann der Kanonenschlag: Der KFC Uerdingen hat sich von Aufstiegstrainer Stefan Krämer getrennt. Die Halbwertszeit der Übungsleiter bleibt in Krefeld damit so gering wie nirgends. liga3-online.de versucht, die Geschehnisse beim launischen Aufsteiger einzuordnen.

Eine abenteuerliche Begründung

So manchem Fußballfan mit klarem Sachverstand dürfte vom steten Kopfschütteln allmählich der Nacken schmerzen. In Uerdingen ist mal wieder ein Kopf gerollt, Trainer Stefan Krämer muss keine 24 Stunden nach der letztlich verhängnisvollen 0:3-Niederlage gegen die Würzburger Kickers gehen. Die Begründung aus dem Munde von Mikhail Ponomarev liest sich abenteuerlich, weil in ihr das ganze Ausmaß der Planlosigkeit des investorengeführten Klubs deutlich wird. Von "unterschiedlichen Vorstellungen und Sichtweisen" ist die Rede. Worin diese bestanden, kann nur spekuliert werden. Ging es dem Russen nicht schnell genug? Wurde er nach zwei verlorenen Spielen nervös? Glaubte er, das so klar definierte, über allem stehende Aufstiegsziel sei aufgrund der Trainerleistung plötzlich gefährdet?

Ein Blick zurück auf die damalige Entlassung von Michael Wiesinger könnte den Gedankengang entschlüsseln. Die Geschehnisse liegen gerade einmal zehn Monate zurück, Wiesinger hatte den KFC nach dem Aufstieg in die Regionalliga West übernommen und ihn dort prompt auf dem zweiten Platz eingenistet. Doch drei Unentschieden in Folge führten zu seinem Rauswurf – Uerdingen hatte zu diesem Zeitpunkt erst zwei von 21 Saisonspielen verloren. Schon damals war die plötzliche Entscheidung scharf kritisiert worden, doch Stefan Krämer strafte als neu installierter Cheftrainer alle Lügen: Er holte 13 Siege aus 14 Spielen und damit das absolute Maximum aus dem schon damals prominent besetzten Kader heraus. Summiert mit seiner ebenso starken Bilanz in den ersten 21 Drittliga-Spielen des KFC seit vielen Jahren holte Krämer sensationelle 2,28 Punkte pro Spiel. Ein Wert, den selbst zahlreiche Obmänner des FC Bayern nicht erreicht haben. Für Ponomarev war das offenbar nicht gut genug.

Aufstieg um jeden Preis

Zugegeben waren die vergangenen beiden Spiele bemerkenswert. Bemerkenswert, weil die Krefelder nicht als knappe Verlierer aus den Partien gingen, sondern sich erst von Unterhaching (0:4) und dann von den Würzburger Kickers (0:3) demontieren ließen. Defizite, die seit Beginn der Saison immer wieder latent mitgeschwungen waren, wurden bei diesen Niederlagen offensichtlich. Doch schenkt man einem Trainer das Vertrauen, um ihn nach den ersten 90 Minuten des neuen Jahres abzusägen? Professionell ist das nicht, ganz abgesehen von der Frage, die sich der KFC nun stellen muss: Wer soll es besser machen? Ein Schelm, der nun darüber trauert, dass Hannover 96 soeben Thomas Doll vom Trainermarkt geholt hat. Immerhin ist Stefan Effenberg noch zu haben – und wird tatsächlich als Kandidat gehandelt.

Wer auch immer es wird, der weiß seit dem Montagabend umso mehr, dass der Trainerstuhl in Uerdingen ein ständiger Schleudersitz ist. Die Vereinsführung will den Aufstieg um jeden Preis. Zur Not im Tausch für die eigene Glaubwürdigkeit.

Rahmenbedingungen sind das größere Problem

Ob abgesehen von der individuellen Stärke einzelner Spieler beim KFC irgendetwas tatsächlich tauglich für die 2. Bundesliga ist, ist noch stärker zu hinterfragen. Am Wochenende musste das Abschlusstraining auf den vom Regen stark durchweichten Krefelder Trainingsplätzen ersatzlos abgesagt werden – ein Faktor, warum das Würzburg-Spiel derart vermasselt wurde. Wohl bis 2021 ist an Pflichtspiele in der echten Heimat der Krefelder, dem Grotenburgstadion, gar nicht erst zu denken. Nachwuchsarbeit und Nachhaltigkeit wird kleingeschrieben. Stattdessen trudelt in jeder Transferphase eine Handvoll eloquenter Namen neu im KFC-Kader ein, um den schnellen Erfolg zu erzwingen. Funktioniert hat diese Strategie noch in den wenigsten Fällen.

Geleitet wird die fragwürdige Entwicklung schließlich von Ponomarev selbst, der mit seiner Unberechenbarkeit den Schweiß der eigenen Fans munter perlen lässt – und den Rest der 3. Liga, so kurz oder lang dieser sich mit dem Phänomen KFC Uerdingen noch beschäftigen muss, unfreiwillig amüsiert.

 

   

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