Milliardenumsätze in der Bundesliga: 3. Liga längst abgehängt
3,8 Milliarden Euro. Diese ungeheure Summe haben die 18 Erstligisten in der vergangenen Spielzeit insgesamt als Umsatz erwirtschaftet, wie am Mittwoch bekannt wurde. In der 3. Liga haushalten die Klubs mit einem immer winzigeren Bruchteil dieser Summe – und müssen mit ansehen, wie die Kluft hin zur Eliteklasse allmählich uneinholbar wird.
Ein höchst nostalgischer Rückblick
Wer an zu langen Abenden durch die Internetlandschaft surft und in einem Videomarathon versackt, der stößt bei einer gewissen vorhandenen Fußball-Affinität früher oder später auf die Highlights von vor zwei bis drei Jahrzehnten. Eine Zeit, in der gewiss nicht alles besser war, der Fußball aber unberechenbarer schien, in der er ehrlicher war. Eine Zeit, in der Spieler nach Abpfiff ohne Gedanken an die Konsequenzen vor laufender Kamera über sich selbst, den Gegner, den eigenen Trainer schimpften. In der kein Stadion dem anderen ähnelte. Und in der Außenseiter ohne das große Budget, ohne die makellose Infrastruktur, ohne ausländische Investoren oder gar Millionentransfers dieser Zeit die Großen zu ärgern wussten.
Mai 2000. Bayern München wird Meister. Alles wie immer? Nicht ganz. Eigentlich ist der Titel schon verloren, doch die SpVgg Unterhaching besiegt am finalen Spieltag Bayer Leverkusen im mit 11.300 Zuschauern ausverkauften Generali-Sportpark. Ein Zwerg aus der Vorstadt macht den Rekordmeister glücklich. Ob es ein derartiges Szenario jemals wieder geben wird? Solche Beispiele erschweren sogar noch den Versuch zu begreifen, wie rasant sich der deutsche Fußball gewandelt hat. In jener Saison landete 1860 München auf dem vierten Platz, und damit in der Champions-League-Qualifikation. Der 1. FC Kaiserslautern rangierte knapp dahinter, ebenfalls im Europapokal. Heute spielen sie gegeneinander, in unserer 3. Liga. Und mit dem SSV Ulm kämpfte ganz nebenbei ein absoluter Nobody bis zum allerletzten Spieltag um den Klassenerhalt – vergeblich. Nostalgie pur.
Neuen Rekordzahlen der Eliteklasse
Am Mittwoch strahlte DFL-Vorsitzender Christian Seifert: Er durfte neue Rekordzahlen präsentieren. 3,8 Milliarden Euro hat die Bundesliga in der Saison 2017/18 erwirtschaftet. Das hehre Ziel, zu den Dimensionen der englischen Premier League (über fünf Milliarden Euro) aufzustoßen, ist noch fern. Und doch arbeitet sich die Liga Schritt für Schritt voran, was an recht konstant steigenden Umsatzzahlen in den vergangenen Jahren deutlich zu sehen ist. 3.800.000.000 Euro – das entspricht mehr als dem 25-fachen Umsatz aller Drittligisten.
Zwei Scheren öffnen sich hier gleichzeitig, denn auch die 2. Bundesliga ächzt unter dem hohen finanziellen Niveau der Bundesligisten. Auf rund 600 Millionen Euro Umsatz kommt das Unterhaus noch, hier stagnierten die Erlöse zuletzt – aber selbst das entspricht noch mehr als dem Vierfachen der 3. Liga (zuletzt 143 Millionen Euro).
Beispiele für den Niedergang
Hier muss nicht viel gerechnet werden, um festzustellen, warum ein (ungeplanter) Auf- oder Abstieg die Strategien der Klubs gehörig durcheinanderwürfelt. Glückselig sind die, die einen Treffer in den vergangenen Jahren gelandet haben. Jahn Regensburg, der SC Paderborn und Holstein Kiel etwa. Sie zeigen, dass zumindest die zweite Liga auch für Vereine mit gutem sportlichen Konzept erreichbar ist, die nach Umfeld, Zuschauerzahl und Sponsorenkraft vielleicht nicht zu den größten 36 Mannschaften Deutschlands gehören. Weiter nach oben geht’s allerdings kaum noch. Andere kommen gar nicht erst so weit. Hansa Rostock und Energie Cottbus, die sich um die Jahrtausendwende und danach jahrelang in der Bundesliga halten konnten, sind Beispiele dafür. Sie müssen kämpfen. Rostock überlebt dank Investoren-Geld, Cottbus darbt im Abstiegskampf vor sich hin. Und wer Schulden hat, der wackelt ohnehin in der 3. Liga. Die Zulassung wird nicht selten zum Drahtseilakt.
In der Bundesliga gehören Sorgen um die Lizenzerteilung der Vergangenheit an. Selbst die Klubs, die noch immer große Altschulden mit sich herumtragen – Schalke 04 beispielsweise – tangieren diese Verbindlichkeiten nicht, da sie durch den hohen permanenten Geldfluss nicht in Not geraten. Kurzum: Die deutsche Eliteklasse spielt wortwörtlich in ihrer eigenen Liga – und vieles deutet darauf hin, dass diese künftig aus den 20 bis 22 aktuell am besten aufgestellten Klubs des Landes bestehen wird. Steigen große Namen ab, steigen sie zumeist direkt wieder auf. Wie Stuttgart und Hannover, wie in diesem Jahr wohl Hamburg und Köln. Schon für die 2. Bundesliga dürfte das auf Sicht gähnend langweilig werden.
Der staunende Blick nach oben
Die 3. Liga kann schließlich nur noch mit offenem Mund staunend und voller Ehrfurcht nach ganz oben schauen. Sie hat ihren Umsatz seit ihrer Startsaison 2009/10 immerhin um gut zwanzig Millionen Euro erhöht – die Bundesliga aber im Vergleichszeitraum um mehr als zwei Milliarden, und die Tendenz geht dort zu immer rascherem Wachstum. Drittligisten bekommen unterdessen vom DFB Tadel für unseriöses Wirtschaften über den eigenen Verhältnissen.
Aber wer will ihnen das Risiko verdenken? Sie erkennen, dass diese Spielklasse abgehängt wurde und kaum ein Verein hier dauerhaft überlebensfähig ist. Sie fürchten die Regionalliga, die so manchem Klub ein Grab geschaufelt hat. Sie suchen den letzten Ausweg und wollen diesen nicht einer Glückssaison überlassen. Und müssen doch einsehen, dass es für lange Zeit keine echten Underdogs mehr geben wird. Kein Ulm, kein Aachen, Wattenscheid, Unterhaching oder Saarbrücken. Die Bundesliga wird exklusiv – für Träumereien des Hofvolks ist kein Platz mehr.