Wegen Schweigeminute: Unruhe beim Chemnitzer FC
Sportlich schrieb der Chemnitzer FC zuletzt positive Schlagzeilen und steht als souveräner Tabellenführer der Regionalliga Nordost vor der Rückkehr in die 3. Liga. Doch seit einer umstrittenen Schweigeminute beim Heimspiel gegen Altglienicke am Samstag herrscht Unruhe bei den Himmelblauen.
Vorstand tritt zurück
Was ist passiert? Vor Beginn der Partie gegen Altglienicke (4:4) hielten Fans und Verein eine Schweigeminute für den verstorbenen Neo-Nazi Thomas Haller ab. Dazu wurde ein Porträt des 55-Jährigen auf der Videoleinwand gezeigt, zudem zogen die CFC-Ultras ein Kreuz nach oben und brannten Pyrotechnik ab. Als Daniel Frahn das zwischenzeitliche 3:2 erzielte, zeigte er ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Support your local hools". Pikant: Haller soll nach Angaben des MDR Anfang der 90er-Jahre die Vereinigung HooNaRa (Hooligans Nazis Rassisten) gegründet und zuletzt die junge rechtsextreme Szene in Chemnitz mit aufgebaut haben. Die Schweigeminute zog weite Kreise, selbst die Tagesschau berichtete darüber.
In einer am Sonntag veröffentlichten Stellungnahme betonte der CFC, dass es sich um "keine offizielle Trauerbekundung" gehandelt habe. Auch habe die Ermöglichung der gemeinsamen Trauer "keine Würdigung des Lebensinhalts des Verstorbenen", sondern "ein Gebot der Mitmenschlichkeit, den Fans des CFC und Hinterbliebenen die darum baten, die gemeinsame Trauer zu ermöglichen", dargestellt. Dies sei in Übereinstimmung mit Abwägungen, die von den Sicherheitsbehörden getroffen worden waren, entschieden worden.
Vorstand Thomas Uhlig zog derweil Konsequenzen und legte seine Ämter am Sonntag mit sofortiger Wirkung nieder, "um weiteren Schaden vom Chemnitzer FC fernzuhalten", wie der 46-Jährige auf der Homepage des Vereins erklärt. "In meiner Funktion als kaufmännischer Geschäftsführer und Veranstaltungsleiter trage ich die Verantwortung für die Spieltage des CFC und dessen Begleiterscheinungen."
Geldstrafe für Frahn
Daniel Frahn wurde seitens des CFC unterdessen mit einer Geldstrafe belegt, darüber hinaus droht dem Stürmer eine Bestrafung durch den Verband. Zu seiner Aktion sagte der 31-Jährige: "Es tut mir Leid, dass ich dem Verein mit meiner Art der Beileidsbekundung an die Hinterbliebenen Schaden zugefügt habe. Dafür habe ich mich (…) bei den Verantwortlichen des CFC sowie meinen Mannschaftskameraden entschuldigt."
Zudem betonte Frahn: "Im Austausch mit unseren Fans habe ich eines Tages auch Thomas Haller kennengelernt. Mir persönlich gegenüber ist er nie politisch geworden. Ich bin weit davon entfernt, sein Gedankengut zu teilen." Mit der Geste wollte der 31-Jährige dem Wunsch der Fans nach einem gemeinsamen Gedenken an die Hinterbliebenen des Verstorbenen entsprechen. "Ich weiß, dass dieses T-Shirt verkauft wurde, als Thomas Haller erkrankt ist, um die medizinische Betreuung zu gewährleisten. Daher hatte das Shirt für mich eine andere Bedeutung. Dass dieses T-Shirt so tief in der Nazi-Szene verbreitet ist, war mir dabei nicht bewusst", so Frahn weiter.
CFC erstattet Strafanzeige
Am Montagvormittag erstattete der Tabellenführer der Regionalliga Nordost zudem Strafanzeige gegen Unbekannt. "Der Ablauf zum Heimspiel gegen VSG Altglienicke weicht soweit von unserem Sicherheitskonzept und den Vorfestlegungen und Absprachen zur Durchführung eines Spiels in der Regionalliga ab, dass es zu klären gilt, wie dies geschehen konnte", erklärt Insolvenzverwalter Klaus Siemon. Nach Aussagen der zuständigen Mitarbeiter hätten "massive Ausschreitungen" gedroht, so Siemon. "Dieser Umstand begründet zumindest den Anfangsverdacht für eine schwerwiegende Nötigung, der von den zuständigen Ermittlungsbehörden aufzuklären ist." In der Sache sei damit ein schwerer Landfriedensbruch angedroht worden, was für die Verantwortlichen des CFC nicht hinnehmbar sei.
Geklärt werden soll unter anderem, wie es geschehen konnte, dass auf der Südtribüne die Verwendung der sonst üblichen Fahnen von bis zu 99 Fanclubs unterbunden wurde, diese Fahnen zum Teil offenbar abgehängt wurden und eine sonst nicht übliche Choreografie durchgeführt wurde, an der sich eine solche Vielzahl von Personen beteiligt hat. Inzwischen sollen Erkenntnisse darüber vorliegen, dass einschlägig bekannte Personen aus der rechtsextremen Szene für diesen Tag aus anderen Städten nach Chemnitz und Sachsen gereist sind. Der CFC distanzierte sich derweil in "entschiedenster Form" von den Ereignissen. "Diese wenden sich gegen jede Form von Rechtsradikalismus und sind nicht bereit, vor diesen Ideologien zurück zu weichen und den Fußball in Chemnitz aufzugeben", so der Verein. Am Mittag wurden zudem Fanbeauftragte Peggy Schellenberger, Stadionsprecher Olaf Kadner und Maximilian Glös, bisher Mitarbeiter der Kommunikationsabteilung, freigestellt. Derweil hat der Nordostdeutsche Fußball-Verband Ermittlungen eingeleitet.
Die Schweigeminute im Video:
Skandal in der Regionalliga
Viertligist #Chemnitz gedenkt des toten #NeoNazi-Hooligans
Der Chemnitzer FC hat eine Schweigeminute für einen der führenden Köpfe der lokalen Neonaziszene abgehalten, der zuvor verstorben war. pic.twitter.com/B6Au1XyBhm
— EHA News – Deutsch (@eha_deutsch) 10. März 2019