Summe der Fehlentscheidungen ist nicht hinnehmbar
Neunmal musste unser Experte Babak Rafati am vergangenen Wochenende strittige Szenen untersuchen – und neunmal seinen ehemaligen Schiedsrichter-Kollegen teils klare Fehlentscheidungen zuweisen. Es ist kein Einzelfall, und gewiss keine gute Entwicklung für die 3. Liga. Ein Kommentar.
Ärgerliche Konsequenzen für manchen Klub
Die Statistiken lesen sich erschütternd: 145 Fehlentscheidungen hat es an den 29 bislang absolvierten Spieltagen in der 3. Liga gegeben – dieser Wert hat sich zumindest in unserer wöchentlichen Auswertung mit dem ehemaligen Bundesliga-Schiedsrichter Babak Rafati angehäuft. Auf zwei Spiele kommt damit im Schnitt ein gravierender Fehler der Unparteiischen.
36 Tore, 78 Elfmeter und 31 Platzverweise wurden zu Unrecht gegeben respektive verweigert. Was für eine kolossale Anhäufung dessen, was allenfalls in Einzelfällen passieren sollte. Dass aber Hansa Rostock bereits neunmal (!) bei der Frage "Tor oder kein Tor" im Nachteil war, Preußen Münster jüngst der elfte (!) Elfmeter verweigert worden ist und in den letzten beiden Spielen mit Beteiligung des SV Meppen sechs (!) falsche, teils unerklärliche Fehler des Gespanns passiert sind, ist schwer zu verstehen. Sicher wäre es nicht der richtige Ansatz, nun einzelne Referees aus der großen Masse zu picken. Vielmehr ist die aktuelle Leistung ein multiples Versagen mit ärgerlichen Konsequenzen für so manchen Verein. Rostock wäre mitten im Aufstiegskampf, selbst der Zwölfte aus Münster möglicherweise auch – um nur die zwei deutlichsten Beispiele zu nennen.
Mögliche Gründe für die Entwicklung
Auch dem DFB kann diese Entwicklung nicht gefallen. Es sind seine Schiedsrichter, die wieder in die Schusslinie geraten. Schiedsrichter, die mittlerweile eine professionelle Begleitung durch den Verband genießen. Die auf Kondition und Regelkunde geprüft werden und sich in unteren Spielklassen ausreichend bewährt haben. Nötige Maßnahmen angesichts der Summen, der Existenzen, um die es im Fußballgeschäft heutzutage geht. Schiedsrichter, das sind Leute, die sich vielen Anfeindungen, wüsten Pöbeleien und in manch schlimmen Fällen sogar Bedrohungen aussetzen lassen müssen. Und die gerade im Amateursport eine lachhaft niedrige Vergütung dafür erhalten, der Buhmann zu sein. Jeder, der sich für das Amt des Schiedsrichters entscheidet, ist ein Segen für den Erhalt des Volkssports Fußball.
Das allein genügt aber nicht, um automatisch vor Kritik geschützt zu sein. Jetzt ist sie notwendig, jetzt muss der Finger in die Wunde gelegt werden – mit gleichem Maß, mit dem auch Spieler und Klubs von uns für andauernde schwache Leistungen bemängelt werden. Fest steht: Der unbeabsichtigte, aber eben nicht wegzudiskutierende Eingriff in den Wettbewerb ist in der 3. Liga groß geworden. Vielleicht braucht es weitere Schulungsmaßnahmen und Coachings, vielleicht wurde bei der Auswahl der Referees zu sehr experimentiert und auf zu viele junge, aber im Profigeschäft unerfahrene Kollegen gesetzt. Und vielleicht sollten auch erfahrene Schiris eine Woche nach einer fehlerhaften Drittliga-Leistung nicht direkt wieder in der Bundesliga unter Hilfe des Videoassistenten pfeifen.
Drittliga-Spiele bleiben ohne Videobeweis
Apropos Videobeweis: Würde es diesen in der 3. Liga geben, so hätte er seit Dienstag mindestens 17 Mal eingreifen müssen, um eine Tatsachenentscheidung zu korrigieren. Eine Hilfstechnik, die sich in dieser Spielklasse ob der hohen Anschaffungs- und Betriebskosten im sechsstelligen Bereich wohl vorerst nicht lohnen wird. Damit wird die 3. Liga künftig wahrscheinlich zur wichtigsten deutschen Fußballliga, in der Erst- und Zweitliga-Schiris ohne diese technische Hilfe entscheiden, sich auf ihr bloßes Auge und Gespür verlassen müssen. Doch das birgt eine Gefahr: Denn schaffen es die Unparteiischen im Verbund nicht, die Anzahl grober Fehler alsbald zu reduzieren, so droht der Drittliga-Fußball zum Glücksspiel zu werden.