Strittige Szenen am 31. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Der Ellenbogen-Schlag von Gordon, das 1:0 für Wiesbaden, die nicht gegebenen Elfmeter für Karlsruhe, Braunschweig, Großaspach und Aalen, das 1:0 für 1860, die Foulspiele von Owusu und Uaffero, die Platzverweise für Lindenhahn und Dietz, das 3:1 für Rostock und das 2:0 für Würzburg: Am 31. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de 13 Szenen genauer angeschaut.

[box type="info"]Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga & FIFA Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 48-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf ist Rafati heute Mentalcoach für Profifußballer und Manager sowie ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, u.a. bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation (www.babak-rafati.de).[/box]

Szene 1: Bei einem Zweikampf mit Jules Schwadorf (Wehen Wiesbaden) fährt Daniel Gordon (Karlsruher SC) den Ellenbogen aus und trifft Schwadorf im Gesicht. Eine Karte sieht er von Schiedsrichter Benjamin Cortus nicht. [TV-Bilder – ab Minute 0:40]

Babak Rafati: Gordon blockt zunächst den Ball, holt dann aber mit voller Wucht mit dem Ellenbogen aus und schlägt bewusst und aktiv nach hinten in das Gesicht von Schwadorf. Auch wenn er ihn vielleicht dabei nicht voll trifft, ist diese Spielweise brutal und gefährdet die Gesundheit des Gegenspielers. In dieser Situation kann es nur die rote Karte gegen Gordon geben. Eine Fehlentscheidung, diese nicht zu zeigen, zumal es noch nicht einmal Gelb gab.

Szene 2: Eine Hereingabe in den Strafraum landet bei Manuel Schäffler (Wehen Wiesbaden), der gegen David Pisot (Karlsruher SC) das Bein hochnimmt und zum 1:0 trifft. Der Treffer zählt. [TV-Bilder – ab Minute 1:50]

Babak Rafati: Schäffler nimmt das Bein auf Kopfhöhe von Pisot hoch und trifft anschließend ins gegnerische Tor. Bei dieser Aktion kann Pisot nicht richtig zum Kopfball, da das Bein von Schäffler ein gefährliches Spiel darstellt. Der Treffer hätte daher nicht zählen dürfen, somit eine Fehlentscheidung. Vielleicht hätte Pisot cleverer sein müssen und mehr mit dem Kopf dorthin gehen sollen, wo es weh getan hätte, um den fälligen Freistoß zu bekommen. Das darf aber natürlich nicht der Maßstab sein.

Szene 3: Marc Lorenz (Karlsruher SC) geht nach einem Kontakt mit Nicklas Shipnoski (Wehen Wiesbaden) im Strafraum zu Fall, Cortus pfeift nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:43:25]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf im Strafraum von Wiesbaden spielt Shipnoski klar und eindeutig den Ball und trifft Lorenz überhaupt nicht, sodass der Schiedsrichter richtig entscheidet, weiterspielen zu lassen.

 

 

Szene 4: Nachdem 1860-Keeper Marco Hiller den Ball nur abprallen lässt, staubt Manuel Janzer zum 1:0 ab. Schiedsrichter Eric Müller reagiert zunächst nicht, zeigt dann mit einiger Verzögerung aber Abseits an und gibt den Treffer nicht. [TV-Bilder – ab Minute 0:25]

Babak Rafati: Janzer steht beim Torschuss zunächst im passiven Abseits, weil er nicht in das Spielgeschehen eingreift. Nach dem Abpraller von Keeper Hiller bekommt er jedoch den Ball vor die Füße und schießt diesen anschließend ins Tor. Nach dem Abpraller greift er aktiv in das Spielgeschehen ein und da es sich um die gleiche Spielsituation handelt, ist das ein strafbares Abseits, sodass eine richtige Entscheidung vorliegt, den Treffen nicht anzuerkennen.

Szene 5: Stephan Fürstner (Eintracht Braunschweig) will in den Strafraum eindringen, kommt im Duell mit Simon Lorenz (1860 München) aber zu Fall. Das Spiel läuft weiter. [TV-Bilder – ab Minute 1:24:20]

Babak Rafati: Der Schiedsrichter ist gut postiert, sodass er freie Sicht auf den Zweikampf hat. Fürstner kommt ohne Berührung zu Fall, der Schiedsrichter lässt weiterlaufen. Richtig, hierbei nicht auf Foul für Braunschweig zu entscheiden. Jedoch wäre es optimal gewesen, diese Spielweise wegen einer klaren Schwalbe mit Gelb gegen Fürstner zu ahnden und das Spiel mit einem indirekten Freistoß für 1860 München fortzusetzen.

Szene 6: Der bereits gelb-verwarnte Prince Owusu (1860 München) bringt Bernd Nehrig (Eintracht Braunschweig) im Mittelfeld zu Fall und wird ermahnt. [TV-Bilder – ab Minute 1:20]

Babak Rafati: Owusu stört Nehrig zwar ein wenig durch Festhalten am Arm, aber man sieht sehr gut, dass Nehrig erst weiterläuft und die Aktion – als er sieht, dass er sich den Ball etwas zu weit vorgelegt hat –  dankend annimmt. Aufgrund des Festhaltens kommt Nehrig somit nicht zu Fall. Trotzdem liegt ein Foulspiel vor, aber kein taktisches Foul, denn er wäre nicht frei durch gewesen. Vielmehr erwarten ihn die nächsten Verteidiger, sodass der Schiedsrichter richtigerweise pfeift und einen Freistoß verhängt ohne dabei eine gelbe Karte gegen Owusu zu zeigen.

 

Szene 7: Toni Lindenhahn (Hallescher FC) foult Maximilian Krauß (SpVgg Unterhaching) und sieht von Schiedsrichter Florian Lechner glatt Rot. [TV-Bilder – ab Minute 0:40]

Babak Rafati: Die entscheidende Frage ist, ob der mitgelaufene Landgraf noch hätte eingreifen und Kraus an einer sehr guten Torchance hindern können. Diese Frage ist zu verneinen, denn Krauß hat nur noch den Torwart vor sich und Landgraf kommt ca. zwei bis drei Meter von der Seite. Man kann bei einem Profi in der 3. Liga davon ausgehen, dass der Angreifer diese Chance genutzt hätte und zumindest zum Torschuss gekommen wäre. Eine richtige Entscheidung, auf Notbremse zu entscheiden und Lindenhahn vom Platz zu stellen.

 

Szene 8: Bei einem Angriff des F.C. Hansa gehen zunächst Ronny König und dann auch Davy Frick zu Boden. Schiedsrichter Franz Bokop lässt das Spiel weiterlaufen, direkt danach fällt das 3:1 für Rostock. [TV-Bilder – ab Minute 1:43:05]

Babak Rafati: Bei der ersten Aktion prallen König und sein Rostocker Gegenspieler unglücklich und unbeabsichtigt mit dem Rücken zusammen. Somit liegt kein Foulspiel vor. Bei der zweiten Aktion stellt sich Frick gegen Mirnes Pepic ein wenig ungeschickt an und lässt sich vom Gegenspieler abdrängen. Diese Spielweise ist regelgerecht und erneut kein Foulspiel. Eine richtige Entscheidung, beide Male weiterlaufen zu lassen und das anschließende Tor für Rostock anzuerkennen.

 

Szene 9: Lars Dietz (Sportfreunde Lotte) geht in einem Zweikampf mit Anas Ouahim (VfL Osnabrück) zu Boden. Schiedsrichter Martin Petersen wertet die Szene als Schwalbe und zeigt ihm Gelb-Rot. [TV-Bilder – ab Minute 0:50]

Babak Rafati: Dietz wird im Mittelfeld von Ouahim am Fuß getroffen und lässt sich danach etwas theatralisch fallen. Das ist ein Foulspiel – nicht mehr und nicht weniger. Dieses theatralische Fallen als Schwalbe zu werten, ist natürlich komplett falsch. Hier hätte es Freistoß für Lotte geben müssen, mit einem kleinen Hinweis an Dietz, die Theatralik zu unterlassen. Gerade in einem Derby ist Feingespür sehr gefragt. Eine Fehlentscheidung.

 

Szene 10: Der bereits gelb verwarnte Boné Uaferro (Fortuna Köln) holt Daniel Bohl (Energie Cottbus) an der Seitenlinie von den Beinen. Cottbus fordert Gelb-Rot, Schiedsrichter Florian Heft belässt er bei einer Ermahnung. [TV-Bilder – ab Minute 58:45]

Babak Rafati: Bei dieser Szene springt Uaferro völlig übermotiviert, an der Seitenlinie ca. 80-90 Meter vom eigenen Tor entfernt, unkontrolliert und mit voller Dynamik seinem Gegenspieler auf Knöchelhöhe in die Beine und "rasiert" ihn förmlich weg. Damit gefährdet er die Gesundheit des Gegenspielers. Natürlich wird danach auch der Ball gespielt, aber zuerst liegt ein klares Foulspiel vor. Man kann von Glück reden, dass Bohl anschließend weiterspielen kann. Wenn der Ball nicht auch noch getroffen wäre, hätten alle Kriterien für eine rote Karte gesprochen. Dieses Vergehen hätte somit eine gelbe Karte nach sich ziehen und Uaferro hätte folglich die gelb-rote Karte sehen müssen. Eine Fehlentscheidung, ein Auge zuzudrücken.

Natürlich spielt es für einen Schiedsrichter eine Rolle, bei einem Kellerduell und in der 37. Spielminute, einer relativ frühen Spielphase, besonders besonnen zu bleiben, um sich später nicht den Vorwurf gefallen zu lassen, das Spiel durch eine spektakuläre Entscheidung entschieden zu haben. Wenn man allerdings solch eine Szene durchgehen lässt, hat man die Messlatte für Foulspiele sehr hoch angesetzt und die Akteure werden im weiteren Ablauf höchstwahrscheinlich weiter "zulangen."

 

Szene 11: Timo Röttger (Sonnenhof Großaspach) wird von Nico Granatowski (SV Meppen) per Bodycheck im Strafraum zu Fall gebracht. Kein Elfmeter, sagt Schiedsrichter Tobias Schultes. [TV-Bilder – ab Minute 50:45]

Babak Rafati: Nachdem beide Spieler nach einem sauberen Zweikampf im Strafraum von Meppen zu Fall kommen und sofort wieder aufstehen, läuft Röttger nur zum Ball. Granatowski orientiert sich allerdings überhaupt nicht zum Spielgerät, sondern versperrt den Laufweg von Röttger, indem er ihn aktiv mit dem angelegten Arm am Körper gegen die Brust checkt. Das ist ein Foulspiel und hätte somit einen Strafstoß für Großaspach und die gelbe Karte gegen Granatowski geben müssen, da kein Schlag, vielmehr ein Bodycheck vorliegt. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen. Natürlich ist es auch nicht die feine Art sich dann im Gesicht festzuhalten, obwohl das Vergehen auf Brusthöhe geschieht, um dem Schiedsrichter das Foulspiel irgendwie zu signalisieren. Aber das gehört mittlerweile dazu, leider.

 

Szene 12: Caniggia Elva (Würzburger Kickers) setzt sich im Strafraum gegen Lions Schweers (Preußen Münster) durch und spielt auf Breitkreuz ab, der zum 2:0 trifft. Münster reklamiert Foulspiel bei der Aktion von Elva, Schiedsrichter Marcel Gasteier gibt den Treffer. [TV-Bilder – ab Minute 19:20]

Babak Rafati: Bei der ersten Aktion geht Elva nicht mit gestrecktem Bein zum Ball, sondern erkämpft sich das Spielgerät sehr clever per kurzem Lupfer. Bei der zweiten Aktion versucht er mit einem Seitfallzieher den Ball auf das Tor zu bringen. Dabei gefährdet er keinen Gegenspieler, so dass es korrekt ist, weiterspielen zu lassen und den anschließenden Treffer durch Breitkreuz anzuerkennen. Anders wäre die zweite Aktion zu bewerten, wenn der Verteidiger mit dem Kopf hingegangen wäre, was er aber nicht tut, da er nicht so schnell reagiert.

 

Szene 13: Luca Schnellbacher (VfR Aalen) geht im Strafraum gegen Pierre Fassnacht (Carl Zeiss Jena) zu Fall. Kein Elfmeter, sagt Schiedsrichter Nicolas Winter. [TV-Bilder – ab Minute 2:02:20]

Babak Rafati: Bei diesem Laufduell im Strafraum von Jena gehen beide Spieler im Kampf um den Ball sehr engagiert zu Werke. Es bleibt aber alles im Rahmen, sodass eine richtige Entscheidung vorliegt, weiterspielen zu lassen. Es ist kein aktives Halten oder Sonstiges zu erkennen.

 

[box type="info"]Weiterlesen: Wer am häufigsten benachteiligt wurde[/box]

   

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