Warum Hansa Rostock in eine ungewisse Saison startet
Lange Jahre war der Rostocker Anhang vom Erstliga-Fußball verwöhnt. Begegnungen gegen die großen Kaliber des deutschen Fußballs aus München, Hamburg oder Gelsenkirchen hatten sich schon längst zum standardisierten Wochenendprogramm entwickelt. Vor fast genau fünf Jahren feierten die Hanseaten unter der Leitung von Frank Pagelsdorf noch frenetisch die Rückkehr in die erste Bundesliga. Der FC Hansa Rostock schien wieder den gewachsenen Ansprüchen gerecht zu werden. Doch die nächsten fünf kam eher einer Odyssee als einer Erfolgsgeschichte gleich. Drei Abstiege und ein Aufstieg in den vergangenen fünf Jahren brachten nicht nur ein sportliches Chaos mit sich, sondern vor allem auch eine emotionale Talfahrt.
„JA zum FCH“
Kontinuität wurde zu einer nutzlosen Vokabel im Rostocker Sprachgebrauch. Im Frühjahr des diesjährigen Jahres wurde endgültig der Tiefpunkt in der Rostocker Fußballgeschichte erreicht. Sang und klanglos aus der 2. Bundesliga abgestiegen, das Image des Traditionsvereins durch Krawallfans nachhaltig beschmutzt und finanziell am Ende schien die Versenkung der Kogge vorprogrammiert. Nur dank den zehntausenden Fans, die sich selbst mobilisierten und mit einem Löwenherzen für den Erhalt des FC Hansa Rostock friedlich auf den Straßen und im Internet kämpften, konnte die Rostocker Bürgerschaft zum „JA zum FCH“ bewegt werden. Doch auch nach diesem wenigstens etwas positiv gestimmten Saisonausklang kam der Verein von der Warnow zur Ruhe. Manager und Vorstandsmitglied Stefan Beinlich übernahm die Verantwortung für die miserable Rückkehr-Saison in der 2. Bundesliga und räumte seinen Posten freiwillig. Eine langfristige Personalstruktur im sportlichen Kompetenzbereich scheint in Rostock derzeit nicht machbar.
Neue Namen, neue Hoffnung?
Auch wenn der Rostocker Sympathieträger „Paule“ Beinlich nicht mehr zur Besatzung der Hansakogge zählt, seinen Beitrag für die erneute Ausfahrt in die Dritte Liga hat er trotzdem geleistet. Gemeinsam mit Chef-Trainer Wolfgang Wolf formte er den Kader für die kommende Spielzeit. Und dieser ist höchst interessant. Der Österreicher Denis Berger (Bochum) und Trainersohn Patrick Wolf (Hessen Kassel) sind die einzigen Neuzugänge mit Erfahrung im deutschen Fußballgeschäft. Die anderen neuen Gesichter sind hierzulande noch gänzlich unbekannt. Diese Transferpolitik steht im strikten Gegensatz zu den Mitkonkurrenten aus Aachen und Karlsruhe. Besonders auffällig: Der niederländische Raum hat sich im diesen Jahr als Hauptagitationsfeld für Transfers erwiesen. Mit dem Erendivisie erfahrenen Ken Leemans (VVV-Venlo) sicherten sich die Hanseaten einen echten Transfercoup. Mit über hundert Einsätzen in der höchsten niederländischen Spielklasse bewies der Belgier seine Klasse. Gelingt es dem 29-Jährigen an seine Leistungen vor seiner langen Verletzungspause anzuknüpfen, wird der Rotschopf das hanseatische prägen können. Mit dem forschen Rechtsverteidiger Rick Geenen (Fortuna Sittard) und Stürmer Johan Plat (SC Telstar), der 15 Tore in der abgelaufenen Spielzeit verbuchen konnte, wurden zwei junge Niederländer aus der 2. Holländischen Liga verpflichtet.
Internationale Erfahrung für die 3. Liga
Interessant sind auch die Personalien Alexander Noel Mendy (Chesterfield, League One) und Ondrej Smetana (VV St. Truiden, Belgien). Beide bringen viel Internationale Erfahrung in die junge Mannschaft. Doch gerade der Franzose Mendy scheint noch mit Anpassungsproblemen zu kämpfen haben. In den ersten Trainingseinheiten wirkt der Flügelflitzer wenig trickreich und schwerfällig. Ergänzt wird das Team von drei Talenten, die bereits ordentlich mit den Hufen scharen. Der Österreicher Andreas Pfingstner, Ronny Marcos und das Riesentalent Nils Quaschner rücken hoch ambitioniert in den Rostocker Kader auf. Der 18 Jährige Stürmer Quaschner, U-18 Nationalspieler, überzeugte bei seinem ersten Testspieleinsatz gegen den SV Oberhavel-Velten und schnürte in nur drei Minuten einen lupenreinen Hattrick.
Problemfeld Jugend
Doch ausgerechnet die Jugend entwickelt sich mehr und mehr zu einem Problem für die Rostocker. Rein sportlich ist sie weiterhin hoch erfolgreich, schließlich gehören Torwarttalent Kevin Müller, Edison Jordanov und Tom Weilandt zu den großen Hoffnungsträgern in der Mannschaft von Wolfgang Wolf. Doch der Schein trügt. Pekuniär gesehen stagniert die Jugendförderung. Dem Verein gelingt es nicht hoffnungsvolle Talente an den Verein zu binden. Somit gehen den Klub immer wieder Talente verloren ohne eine ausreichende finanzielle Entschädigung zu generieren. Doch gerade dies ist notwendig, um die unzähligen Lecks im sportlichen und finanziellen Fundament zu schließen.
Tod oder Gladiolen
Große Namen bietet der Kader des FC Hansa Rostock nicht. Doch gerade dies könnte sich als der große Vorteil erweisen. Die Ostseestädter haben in diesem Jahr der Konkurrenz aus Karlsruhe und Aachen etwas Voraus. Das enorme Potenzial im Kader. Während die Mitabsteiger auf erfahrene Spieler mit klangvollem Namen setzen, bei denen das Leistungsvolumen erreicht oder bereits überschritten wurde, ist das hanseatische Team die bereits titulierte Unbekannte. Wird das volle Potenzial entfaltet und erweisen sich die Neuzugänge als die erwartenden Verstärkungen wird der FC Hansa Rostock dominant und frisch auftreten. Scheitert die junge Mannschaft wie letztes Jahr am Druck und schlägt sich zu oft selbst, wird es eine enttäuschende Spielzeit ohne Happy-End werden. Tod oder Gladiolen- denn Kontinuität in Liga3 kann sich Hansa nicht leisten.